Vergangene Woche endet das erste Schuljahr und bevor wir im vollgepackten Auto Richtung Schweden aufbrechen, um dort den Sommer zu verbringen, halte ich kurz mal inne und schaue zurück auf die letzten Monate:
Vor einem Jahr um diese Zeit, haben wir noch gespannt gewartet und haben kaum ahnen können, wie sehr sich der Alltag und unser Leben mit einem Schulkind verändern würde. Das frühe Aufstehen zum Beispiel, war die ersten Wochen für alle 5 ein Graus. Alle bis viertel vor Acht startklar im Fahrrad sitzend zu haben, das war unsere neue tägliche Challenge. Schulbrot schmieren und Haare kämmen inklusive. Mittlerweile läuft das wie am Schnürchen – Ferien sind trotzdem das Beste an der Schule, für jeden von uns. Wenn wir morgens auch mal trödeln können und nur 2 Kinder zu einer bestimmten Zeit abzugeben. Aber noch mal der Reihe nach:
Der Alltag ist insgesamt ziemlich straff geworden: Mehr Termine unter einen Hut zu bekommen, muss ebenso gemeistert werden, wie das Überstehen frühpubertistischer Launen des frisch gebackenen Erstklässlers. Die Veränderung vom Kinderladenkind zum Schulkind war rasant. Dinge, die gestern etwa noch heißgeliebt waren, sind am nächsten Tag schon pippifax. Interessen verändern sich im Sauseschritt und neue Freunde beeinflussen neuerdings obendrein das Leben und den Geschmack unseres großen Kindes. Dann gibt’s wieder Momente, in denen das Kind wie früher, wie vor der Schule ist. In denen unsere Nähe gesucht und gebraucht wird und mal Pause vom Coolsein gemacht wird. Apropos: Der Wortschatz ist ganz nebenbei um ein paar genial – wichtige Ausdrücke wie COOOOOOOOOOL, AAAAAAALTER und GEEEEEEEHT’S NOCH erweitert worden. Was uns sonst noch so zu Ohren kam, könnt ihr euch gern selbst dazu denken, vermutlich habt ihr Recht. Heißt so viel wie: Meine Augen kommen seit Monaten nicht mehr aus dem Daueraugenrollen heraus, es ist zum Mäuse melken. Über den Humor von Erstklässlern lässt sich ja sicherlich streiten, auch über das Möchtegern-Proleten-Verhalten. Aber muss das denn echt alles sein? Ich schwanke zwischen laut darüber lachen und echter Verzweiflung und ich weiß, dass alles ist nur der Anfang eines schleichenden Abnablungsprozesses von Kind und Eltern.
Das Jahr begann mit Fred in der Tasche, mit vielen Tränen und grosser Unsicherheit. Ein Zahn nach dem anderen viel aus. Es ging in kleinen Schritten voran, aber es ging voran. Es wurden Freunde gefunden, Konflikte geführt und ausgestanden. Mit jeder Schulwoche wurde auch das Kind sicherer im Umgang mit den vielen, vielen neuen Kindern und den ganzen neuen Regeln. Jede Ferienzeit wurde genutzt um zu verschnaufen und die Eindrücke zu verarbeiten, Abstand zu bekommen. Mittlerweile hat er richtig enge Lieblingsmenschen gefunden, mit denen er durch dick und dünn geht. Hat gelernt, dass Streiten ok ist und man trotz dusseligem Verhalten am nächsten Tag wieder mit offenen Armen empfangen und heiss geliebt wird von den kleinen, großen Freunden. Nicht ganz leicht, sowas auszuhalten als Eltern, wenn das Kind permanent Streit hat und auch öfter mal eine verbale Backpfeife bekommt. Aber umso toller auch zu sehen, wie viel geschafft wird, überhaupt gewachsen wird an allem und wie granatencool inzwischen vieles geregelt wird.
Ungefähr um die Osterferienzeit ist dann der letzte Knoten geplatzt. Dinge, die bisher nicht möglich waren sind plötzlich selbstverständlich. Bei einem Freund übernachten zum Beispiel, auf Klassenfahrt gehen, im Klassenspiel eine große Rolle spielen und wie selbstverständlich Dinge schaffen – ohne uns. Es gab viele Momente in diesem Jahr, in dem mir vor Glück platzend die Tränen übers Gesicht gelaufen sind. Weil es schön ist zu sehen, wie gut dieser kleine Kerl angekommen ist, wie lustig er knutschend mit dem Lieblingsfreund morgens im Bett liegt, wie er gelernt hat zu streiten, aber auch einzusehen, dass er den größten Mist aller Zeiten angezapft hat und sich dafür zu entschuldigen muss. Wie er mutig, fast allein, einen riesigen Streit mit einem Horterzieher gelöst hat, und sich Hilfe geholt hat, als dieser ihn fast täglich das Leben schwer gemacht hat. Wie stolz und froh er war, dass alles aus der Welt ist und wir nur im Hintergrund die Hand in seinen Rücken gelegt haben und ihn aus der Ferne gestützt haben. Denn anders als im Kinderladen muss das Kind jetzt vieles allein regeln und bewältigen, wir als Eltern spielen gefühlt nur noch in der zweiten Liga. Gemeinsames Abendbrot und ins Bett bringen sind die einzige Zeit in der Schönes, aber auch Schwieriges besprochen wird. Wir mussten das lernen, dieses Loslassen. Vertrauen zu haben, dass das, was wir als Grundlage hier zuhause schaffen, auch reicht. Dass das Fundament genug Sicherheit gibt und auch wenn wir nicht da sind, unsere Kinder wissen, dass wir immer hinter ihnen stehen. Wie schön ist es zu sehen, wie gut das alles klappt.
Es war ein Kraftakt dieses erste Jahr. Ich schreibe das, aber nicht um hier alle, die in Zukunft Kinder in die Schule bringen, zu verschrecken, nein nein, im Gegenteil. Ich möchte euch Mut machen, dass so schwer es am Anfang vielleicht ist, alle sich eingewöhnen. Dass es egal ist, auf welcher Schule man landet, es am Ende nur auf die Menschen ankommt, die die Kinder dort empfangen. Dass die Zeit vieles leichter macht, und es dann toll ist zu sehen, wie schnell und wie viel so kleine Personen meistern können. Wir kannten eine Familie an der Schule und waren unsicher, ob es das Richtige ist – aber wir hatten Glück. Viele Eltern aus der Klasse sind zu richtig festen Lieblingsmenschen geworden, mit denen wir gern und viel Zeit verbringen.
Am lautesten lachen musste ich übrigens in diesem ersten Schuljahr, als vom Rücksitz des Fahrrads irgendwann die Frage kam: „MAMA, was ist den eine SCH – LA – MPE?“ Nachdem mir erst der Atem stockte, habe ich kapiert was passiert ist: das Kind kann jetzt lesen. Auch das, was auf Hauswänden gesprüht steht.
Mit Spaghettieis im Bauch, dem ersten Zeugnis in der Hand und jeder Menge Glücksgefühle über das Geschaffte im ersten Schuljahr, starten wir in die ersten richtig großen Ferien. Nächstes Jahr kommt ja schon das zweite Kind in die Schule.