Wie heuchlerisch und hochnäsig von uns, das Auftauchen von Crocs auf dem Laufsteg von Christopher Kane ohne Weiteres mit Argwohn zu betrachten, sogar mit den Augen gerollt haben wir und schallend gelacht. Dabei höre ich uns noch vor wenigen Wochen über die Gemütlichkeit jubeln, die seit ein paar Jahren Einzug in die sonst so elitäre Modewelt hält. Sneaker und Sandalen bei Chanel waren es, richtige Sandalen, breitfüßige ohne zarte Riemchen eben, die dem ungemütlichen Umherschreiten in Zierde-Schuhen in letzter Instanz den Garaus machte. Und trotzdem. Im letzten Jahr hatten wir uns noch über Christopher Kanes seltsame Vorliebe für die oft in Arztpraxen, Einkaufszentren oder Vorgärten gesichteten Ausgeburten des Anti-Geschmacks gewundert, nachdem aber vor allem Vetements vermehrt dazu beigetragen hatte, dass unkonventionelle Mode sowie Proll-Brands (Juicy Couture!) plötzlich wieder auf dem Streetstyle-Radar auftauchten, sollten wir die Croc-Offensive eigentlich bloß als logische Weiterführung hinnehmen. Können wir aber nicht. Was vor allem an den vielen Fragezeichen liegt, die mit besagter Entwicklung einher gehen.
Denn: Sollte Mode nicht vor allem Spaß machen? Ist dann nicht ohnehin alles erlaubt? Ja und ja. Aber: Welche Trends entstehen wirklich aus Freude und Überzeugung und Euphorie (über den Tragekomfort etwa) und welche, weil wir den Stil-Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen? Werden wir vielleicht sogar an der Nase herum geführt, macht sich da jemand über uns lustig und schaut, wie weit man es treiben kann? Getreu dem Motto: Schauen wir mal, wie die elenden Social Media Lemminge sich gegenseitig folgen, kopieren und zum Affen machen werden?
Letzteres mag wie eine perfide Verschwörungs-Theorie klingen, aber seit Demna Gvasalias Aufstieg auf der Karriereleiter, der vor allem überteuerter Streetwear, Polizei-Shirts und der Sehnsucht nach Anti-Fashion zu verdanken ist, die aber zudem vor allem aus einem mediengemachten Cool Kid Image heraus rührt, scheint mir alles denkbar, auch eine groß angelegte Sozialstudie die Modegefolgschaft betreffend. Wären da nicht passionierte Moderedakteurinnen wie Pandora Sykes, die unter anderem für die New York Times und Man Repeller schreibt. Sie bricht ganz hoch offiziell eine Lanze für Crocs, die erstmals für den Frühling 2017 einen Runway beschritten. Sie jubelt über die Kollaboration mit Christopher Kane. Und feiert die superleichten Luxus-Kunststoffschuhe für deren unantastbare Bequemlichkeit – Trotz anfänglicher Skepsis und der Tatsache, dass sie das neunfache von herkömmlichen Crocs kosten. Darum geht es auch gar nicht, ein Paar aus dem Supermarkt hätte es vermutlich ebenso getan. Bloß wäre ohne Christophers Zutun wohl wirklich niemand, der was aus sich hält, je auch die Idee eines Selbstversuches gekommen:
„But they are so light! The almost abrasively pimpled orthopedic sole is addictively comfortable; a bit like when you go the hairdresser and they turn the massage chair on while you have your hair washed. It is low-level physical therapy and it feels guuuuuuuud. They are a freelancer’s dream, fitting expertly over my thick cashmere socks as I type away like a cut-rate Carrie Bradshaw in my spare-room home office. Last week, I went to the doctor wearing my new Crocs and an Olivia von Halle cashmere tracksuit. Chav luxe doesn’t come cheap, my friends.“ (Man Repeller)
Es ist nicht so, als würde Pandora es nicht vermögen, mich mit ihrer Begeisterung anzustecken, vor allem der Gedanke an einen Schuh, der bequemer ist als eine Wolke, der sich in Kombination mit dicken Wollsocken und floralen Kleider zum hippiesken Schlenderfreund mausern könnte und noch dazu mit baden gehen darf, macht, dass mir die Ohren schlackern. Gerade ich sollte außerdem wissen, dass man tatsächlich niemals nie sagen sollte. Zum jetzigen Zeitpunkt aber gestehe ich: Selbst wenn es mir nach Crocs gelüstet würde, ich nicht den nötigen Mumm dazu, sie im echten Leben, auf offener Straße und ohne Vorbehalte auszuführen. Die einzige Person der Erde, die höchstwahrscheinlich nicht für komplett behämmert gehalten würde, die Einzige, der man diesen Hype schon jetzt tatsächlich abnimmt, ist vermutlich Pandora Sykes. Wer sonst könnte Crocs mit Würde tragen? Niemand? Ihr? Wir? Alle? Vielleicht ja doch. Womöglich ist es wie immer: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht, aber die Gewöhnung wirds irgendwann schon regeln. Nun, wollen wir das überhaupt? Uns reinverlieben in einen amerikanischen Schuh, der uns so viele Jahre auf sämtliche Anhänger desselbigen hat herabblicken lassen, der uns demnach zu fiesen, gehässigen Fingerzeigern gemacht hat? Nicht unbedingt. Aber lernen sollten wir von ihm. Und aus dieser Sache. Nämlich, dass es spätestens jetzt an der Zeit ist, das eigene Denken von Schubladen zu befreien und das Urteilen über andere und deren modischen Vorlieben einfach sein zu lassen. Wie ihr seht, ist es ja wahr: Wer zuletzt lacht, lacht am Besten.