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Alle Jahre wieder… kommt der Weltfrauentag. Und mit ihm die stets gleichen Missverständnisse.
Letztes Jahr habe ich zum Weltfrauentag Pralinen bekommen. Von Lindt, gute Qualität. Dazu noch eine Rose, weil, Rose geht ja immer. Facebook gratulierte mir: „Alles Gute zum Weltfrauentag, Julia!“. Eine Bekannte berichtete mir, in der politischen Einrichtung, für die sie arbeitet, hätte man den weiblichen Angestellten zum Weltfrauentag Make-up geschenkt. All das wirft die Frage auf: Wann genau ist der Weltfrauentag eigentlich zu einer Mischung aus Valentinstag („Schenk ihr Pralinen!“) und Muttertag („Sag Mama mal wieder, wie toll sie ist!“) mutiert?
„Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“
So hatte sich die deutsche Sozialistin Clara Zetkin das sicher nicht vorgestellt, als sie 1910 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentags vorschlug. Importiert hatte sie diese Idee aus den USA: Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas hatten dort einen nationalen Kampftag initiiert, um die Einführung des Frauenwahlrechts zu fordern. Der erste amerikanische Frauentag fand 1909 statt – mit großem Erfolg, denn bürgerliche und sozialistische Frauenrechtlerinnen taten sich endlich mal zusammen. Clara Zetkin und ihre Kollegin Käte Duncker brachten in Kopenhagen einen Beschluss durch und am 19. März 1911 feierten Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und die Schweiz den ersten Weltfrauentag. Im Mittelpunkt stand dabei der Kampf für das Frauenwahlrecht. Der internationale Frauentag war also von Anfang an eine politische Veranstaltung, mit der konkrete Forderungen und Anliegen verbunden waren, er war fester Bestandteil der sozialistischen Bewegung.
Seit 1917 wird der Weltfrauentag jährlich am 8. März begangen: Damals streikten in Sankt Petersburg Arbeiter- und Soldaten- sowie Bauernfrauen und lösten so die russische Februarrevolution aus. Ganz korrekt heißt der Weltfrauentag heute „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“. In einigen Ländern ist er sogar ein gesetzlicher Feiertag, zum Beispiel in Nepal, Russland und der Ukraine. Aber wer braucht schon einen Feiertag, um zu feiern? Clara Zetkin forderte damals in Kopenhagen „Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“ – das scheint für viele zwischen der ganzen Feierei mit Blumen, Pralinen und Co irgendwie untergegangen zu sein.
Frausein an sich ist keine Leistung
Mehrfach – nicht nur von Facebook – wurde mir in den letzten Jahren zum Weltfrauentag gratuliert und jedes Mal stand ich etwas hilflos da: Dass ich eine Frau bin, dafür kann ich ja nichts. Es ist keine Leistung. Ich bin gerne Frau und fühle mich die meiste Zeit wohl damit, aber es nichts, was nach Pralinen und Blumen verlangt. Wenn man es genau bedenkt, ist der Weltfrauentag eigentlich eher ein trauriger Anlass: Er existiert, weil Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern noch lange nicht erreicht ist. Der Weltfrauentag ist eine Erinnerung daran, was alles schiefläuft in Sachen equality, weltweit. Ein Tag der Bestandsaufnahme, ein Tag, um aufmerksam zu machen – darauf, dass Frauen weltweit auf vielfältige Weise benachteiligt werden.
Der Weltfrauentag ist aber auch ein Tag zum Mutmachen: An wohl keinem anderen Tag im Jahr bekommen feministische Anliegen in Deutschland so viel öffentliche Aufmerksamkeit, gibt es so viele feministische Aktionen in verschiedenen deutschen Städten. Ja, der Weltfrauentag – der nicht umsonst auch „Frauenkampftag“ genannt wird – kann Mut machen, weiterzukämpfen. Und weil Kämpfen hungrig macht, finden die Pralinen doch noch eine nützliche Verwendung.