Books that saved & shaped my life //
Mit Thekla Wilkening

27.03.2017 box1, Buch, Menschen


Es ist ein offenes Geheimnis: Ich bin ein bisschen verliebt in Thekla Wilkening, und auch in Pola Fendel, in beide also, denn zusammengenommen machen die Hamburgerinnen, die hinter der Kleiderei stecken, ihre Wahl-Heimat nicht nur schöner, sondern auch nachhaltiger und klüger und wärmer und wilder. Schon im Sommer 2012 begaben sie sich mit der Idee, Kleidung offline und online zum Verleih anzubieten, in die Selbstständigkeit. Das Konzept: Borgen statt Kaufen, ergo Slow Fashion für alle – Weil Nachhaltigkeit in der Mode sowieso längst auf der lange Liste von Herzensthemen stand. 2013 dann, als Thekla gerade 25 war, kam ihr Sohn Dante auf die Welt. Thekla ist nämlich auch Mama. Und noch viel mehr. Für die Ethical Fashion Show entwickelte sie zudem das #prepeek Konzept, das Fair Fashion Brands und Influcencer zusammen bringen will, sie schreibt sooft wie möglich für das ebenfalls selbst erdachte 
Mutproben-Magazin didyouever.de und ist außerdem Mitglied im Hamburger Frauenkollektiv _innen, das regelmäßig Denkanstöße diskutiert und sich für Gleichberechtigung einsetzt. Heute geht es allerdings vor allem um Bücher. 

Denn wir wollen von Thekla wissen: Welche Romane haben dich bis hierher am allermeisten geprägt, dich inspiriert, motiviert oder zum Träumen gebracht?

BTS during our @blondemagazine x @kleiderei, enjoying some autumn sun. #basic

Ein Beitrag geteilt von Thekla Wilkening ☕️ (@thekla_la) am

„Ich gehöre, sowohl was Musik und Filme angeht auch bei Büchern zu den seltsamen Gestalten, die ein Lied oder eine Geschichte immer und immer wieder lesen, statt in einer Fülle von Verschiedenem unterzugehen. Wenn mich etwas berührt, dann will ich dieses Gefühl so lang es geht behalten, darum ein Lied in Dauerschleife oder das Buch monatelang in meiner Tasche.

Franny und Zooey“ von J.D. Salinger

So in der Art geht es auch Franny Glass, deren Geschichte in dem zweiteiligen Buch „Franny und Zooey“ von J.D. Salinger damit beginnt, dass sie ein kleines Gebetsbuch nicht mehr aus der Hand lässt und sich komplett dessen Macht hingibt. Als Sublimation für ihr eigenes Kopf- und Herzchaos natürlich – für ihren Freund und ihre Familie wird dieses Buch trotzdem zum Übeltäter. Immer wenn es mir schlecht geht, ertappe ich mich dabei, wie ich dieses Buch auch nicht mehr aus der Hand gebe. Die Geschichte beginnt so zärtlich – mit den Jungs, die rauchend am Bahnhof auf ihre geliebten Freundinnen warten, die sie übers Wochenende im College besuchen. Es handelt von Küssen aber auch von den Abgründen der Familie Glass, die Familie über die J.D. Salinger in seinen Büchern immer wieder erzählt und die über die Jahre fast zu meiner eigenen geworden ist.

Salinger könnte man wohl, wenn man solche Fragen überhaupt beantworten möchte, als meinen Lieblingsautor bezeichnen. Er starb 2010, als ich gerade in Barcelona war. Seine „neun Erzählungen“ war damals meine Reiselektüre. Die spanischen Zeitungsartikel über seinen Tod zierten noch jahrelang die Wände meiner Kölner Alt-Bauwohnung.

„Gertrud“ von Hermann Hesse

Bücher in denen geraucht, getrunken und von verschrobenen Charakteren erzählt wird – damit bekommt man mich wohl immer. Coming of age, ob nun Holden Caulfield (Salinger), Candide (Voltaire) oder Harry Haller (Hesse). Den Steppenwolf habe ich auch verschlungen, am meisten berührt hat mich von Hermann Hesse aber die etwas unbekanntere Geschichte „Gertrud“. Die Nur-Fast-Liebes-Beziehung von Kuhn und Gertrud, die sich auch über die tiefe Freundschaft und Bewunderung Kuhns zu dem Musiker Muoth und der Musik erstreckt, hat mich, Anfang meiner zwanziger mitgenommen. Kuhn muss sich nicht nur der Frage stellen, ob er Gertrud für sich gewinnen kann, sondern auch – wie es mit seiner Arbeit als Musiker weitergehen kann. Der Satz: „Ein Virtuose wirst du nicht – aber wenigstens vernünftig Geige spielen kannst du ja wohl lernen“ – ist etwas, was mich bis heute prägt. Nur weil es vielleicht nicht perfekt sein wird oder sein könnte, sollte man es nicht einfach aufgeben.

„Skin“ von Emma Forrest

Ebenfalls sehr mitreißend ist die Geschichte von Ruby, die Emma Forrest in ihrem zweiten Buch „Skin“ erzählt. Ich habe das Buch mal für einen Euro auf irgendeinem Flohmarkt gekauft, vielleicht, weil der Name Ruby mit der Kaiser Chiefschen Hymne, die Freitag für Freitag in meinem Ohr erklang, nur Gutes versprechen konnte. Ruby ist ein junge Schauspielerin, mit Abgründen in denen man sich nur verlieren kann. Herzzerreißend erlebt man mit ihr Depressionen und Selbsthass, was selbst in der U-Bahn zur Katharsis der eigenen Ängste führen kann. Zwischendurch ist es urkomisch und sexy oder wie Ethan Hawke sagt: „respektlos und elektrisierend“ und dennoch habe ich bei kaum einem Buch soviel geweint wie bei diesem.

„Die Mandarins von Paris“ von Simone de Beauvoir

Ganz neu dazu gekommen ist „Die Mandarins von Paris“ von Simone de Beauvoir. Ich habe es letzten Sommer im Urlaub mit meinem Sohn ausgelesen, mir die Nächte damit um die Ohren gehauen, weil ich es einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Im ersten Urlaub als Single-Mom war es das perfekte: denn Beauvoir setzt sich in verschiedenen Episoden mit unterschiedlichsten Beziehungsformen und Lebensweisen auseinander – von der über allem stehenden monogamen Hingabe an ihren, nicht so treuen Mann, Paule’s – hin zu Anne’s selbstbestimmter – trotzdem abhängiger Beziehung mit Robert Debreuilh stellt dieses Buch alle Klitsches in Frage und schafft Raum für eigenen Interpretationen der Liebe. Die parallel laufenden politischen Geschehnisse in Paris nach dem Krieg und die Suche nach neuen Existenzen der Charaktere machten das ganze umso fesselnder und zeigen die Irrwege, die der eigene Alltag in die Liebe bringen kann.“

Danke, Thekla. 

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