Achtung, es wird jetzt etwas unromantisch. Ich werde nämlich in aller Vollständigkeit das Konzept von ausschließlich romantischen Liebesbeziehungen in Frage stellen. Warum? Weil erstens ein großer Teil von mir glaubt, dass man nur mit einem Lieblingsmenschen für immer zusammenbleiben kann, wenn er zu einem passt. Und weil zweitens um mich herum links und rechts Beziehungen in die Brüche gehen – und ich überraschend oft überraschend wenig überrascht bin. Und weil ich mich deswegen in letzter Zeit immer öfter frage: Läuft man eventuell gradewegs in sein Unglück, wenn man bei der Partnersuche Input- und Outputmenge nicht ganz genau gegeneinander abwiegt? Ist es möglich, dass die anfängliche große Liebe einfach nicht ausreicht?
Es ist doch so: Wollen wir ein Auto oder ein Haus kaufen, eine neue Versicherung abschließen oder in den Urlaub fahren, möchten wir gerne die beste Schnittmenge, einen fairen Deal und bloß nicht die Katze im Sack kaufen. Wir recherchieren, testen und wägen ab. Völlig verständlich, schließlich geht es hier um unsere Zukunft, unser Wohlbefinden und um Sicherheit. Warum aber wenden wir so viel Vernunft nicht grade und insbesondere auf den wohl wichtigsten Lebensbereich überhaupt an – unsere romantischen Beziehungen?
Nein, wir stolpern lieber – und zwar nicht gerade selten – gefühlsduselig in Beziehungen, die oberflächlich gesehen tiptop wirken, für die sich der Zeitpunkt der Flop-Offenbarung aber quasi minutengenau berechnen lässt. Romantik ist, was wir wollen. Verantwortung zu übernehmen ist, was wir uns gerne manchmal sparen möchten. Und schon gar nichts wollen wir von Zukunft und Vorbeugung hören.
Klar, wer möchte schon über ernste Zukunftsthemen oder Alltag nachdenken, steckt man doch gerade mitten drin in der rosaroten Liebespampe und würde am liebsten den ganzen Tag vor sich hinglucksen. Und ja, das muss auch sein, man kann den Ernst des Lebens gar nicht lange genug im warmen Hormonpool ertränken und dabei über nichts nachdenken. Würde es ewig so weitergehen können, wäre nicht nur dieser Beitrag hier höchst überflüssig, es würde auch nur noch glückliche Paare auf diesem Planeten geben. Aber: Irgendwann hält unweigerlich die Realität Einzug und was dann folgt ist die entscheidende Phase einer Beziehung. Auseinandersetzungen, Kämpfe um Prinzipien, Meinungen und einen gemeinsamen Nenner – die eben noch so rosa eingefärbte Zweisamkeit kommt auf den Prüfstand. Nur ist es dann vielleicht schon etwas zu spät. Wer aber es schafft seinen Blick zu klären, hat nur noch hier die letzte Möglichkeit für einen noch glimpflichen Absprung, sollte er denn nötig sein.
Uns sollte klarer sein, dass wir über die Oberflächlichkeiten an dieser Stelle schon eindeutig hinaus sind. Wir finden einander anziehend, soweit so gut. Wie aber ist es mit Gedankengängen, Meinungen, Plänen, Träumen, Verantwortungsbewusstsein (insbesondere füreinander) und dem Stand der eigenen Entwicklung?
Ein ähnlicher Entwicklungsstand ist wünschenswert, gleiche Prinzipien wahnsinnig von Vorteil. Es reicht nicht, den anderen aufregend zu finden. Es reicht nicht, eine Idee des anderen aufregend zu finden. Wonach viele von uns (und ich schon mal auf jeden Fall), suchen, ist eine Beziehung mit tatsächlichem Potential. Denn auch, wenn wir alle einsame Spitze darin sind, uns etwas anderes vorzugaukeln; Unsere Zeit auf diesem Planeten ist begrenzt. Und spätestens, wenn in der Beziehung, in die man mit einem langjährigen Lebenspartner einfach irgendwie rein- und nie wieder rausgestolpert ist, auf einmal große Entscheidungen auf dem Zettel stehen, könnte/sollte/müsste einem mulmig werden. Denn auch eine fehlende Entscheidung gegen eine Beziehung ist am Ende eine Entscheidung und das mit teils weitreichenden Konsequenzen.
Warum wir oft so wenige Gedanken an lebensverändernde Entscheidungen verschenken – ich weiß es nicht. Aber ehrlich gesagt ist das ziemlich bescheuert von uns. Warum versuchen wir nicht öfter, aus der Situation herauszutreten und unser Gegenüber neutral zu analysieren?
Immer rational abzuwägen, ob dieses wahnsinnig interessante Individuum uns gegenüber wirklich der richtige für uns ist, ist – zugegeben – sehr schwer. Die Hormone und das Lalala-Verhalten unseres Herzens kommen uns dafür viel zu sehr in die Quere.
Aber von Anfang an den Kopf nicht gleich auszuschalten und uns selbst und unseren Träumen und Wünschen etwas mehr Rücksicht entgegen zu bringen, könnte uns potentiell so manche schwere Stunde ersparen.
Ich appelliere also für mehr Gehirnschmalz bei der Partnerwahl, mehr Mut zu Ehrlichkeit und mehr Stärke für schwierige Entscheidungen. Weil ich nicht daran glaube, dass Liebe oder Verliebtsein allein ausreicht als Basis für eine Beziehung zwischen zwei Menschen. Während ich gleichzeitig aber fest überzeugt bin, dass es für jeden schiefen Topf da draußen auch den nicht perfekt passenden Deckel gibt. Man muss sich vielleicht eben nur etwas Zeit für die Suche geben.
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