GIRLS TALK // Mein Freund weiß, dass ich meine Periode bekomme, bevor ich es weiß

19.04.2017 Feminismus, Kolumne, Leben

Viele Frauen verärgert es, wenn ihnen aufgrund von kleinen Aussetzern unterstellt wird, sie hätten ihre Periode. Bei mir liegt man dieser Annahme aber meist richtig. Mein Freund etwa ist stets der Erste, der bemerkt, dass es morgen wieder rotrund geht.

Neulich hat sich eine gute Bekannte von mir lautstark darüber echauffiert, wie frech und sexistisch es sei, einer Frau in flapsigen, emotionalen oder wütenden Momenten zu unterstellen, sie habe ihre Tage. Das sei übergriffig, zutiefst! Ich stimmte nickend zu. Und vor allem sei das doch erfundener Quatsch, ein respektloses Klischee. Ich nickte wieder, schwenkte dann aber doch noch wellenförmig ab, ein bisschen wie ein nach Orientierung suchender Tukan, bis das Rauf-und-runter meines Kinns schließlich einem bestimmten Rechts-links wich und ich so heftig mit dem Kopf schüttelte, dass mir all meine feministische Überzeugung aus den Ohren herauszufallen drohte. Stille und Stirnfalten. Wie genau ich das jetzt meinen würde, fragte die Bekannte. Also erklärte ich mich. Oder besser: Ich versuchte etwas zu erklären, das sich nicht im geringsten verpauschalisieren lässt und für mich dennoch recht eindeutig scheint: Einigen Frauen steht ihre Periode förmlich auf die Stirn geschrieben, antwortete ich nuschelnd. Vielen auch nicht, was mich sehr freut und zuweilen sogar aufrichtig neidisch stimmt. Aber immer wenn einer oder eine etwas problematisches wie „Meine Fresse, hat die ihre Mens, oder was“ von sich gibt, dann denke ich nicht „Arschloch“, sondern „kann schon sein“.

Und wenn ich selbst damit gemeint bin, dann werde ich auch nicht sauer und dann bin ich auch nicht beleidigt, ich behaupte außerdem niemals, dass diese Hormondusche nichts mit meiner Stimmung zu tun haben könnte, ganz im Gegenteil, ich wünschte mir in solchen Momenten sogar vielmehr einen offenen Dialog. Und dass wir viel häufiger ganz deutlich darüber sprechen würden, wie sich das physisch und psychisch anfühlen kann, wenn die geschwollene Gebärmutterschleimhaut sich ein Mal im Monat vom Acker macht. Ich würde mitunter sogar so weit gehen, zu behaupten, dass wie gar nicht schlecht daran täten, diesem Umstand des temporären Schief-Gewickelt-Seins ohne Gegenwehr in die Augen zu blicken, statt uns andauernd dagegen zu wehren. Manchmal sehne ich mich tatsächlich nicht nur nach Verständnis, sondern ein bisschen auch nach Mitleid. Das ist erbärmlich, aber die Wahrheit.

Auch ein Dankesschreiben an die Pharmaindustrie, die mir Dolormin für die Frau bescherte, zog ich bereits mehrmals in Erwägung. Mein Freund übrigens auch. Er war zudem derjenige, der mir beigebracht hat, dass ein ehrlicher Umgang mit PMS viel mehr bewirken kann als jedes noch so stolze Gehabe. Für gewöhnlich bin ich nämlich eine nette Partnerin mit sonnigem Gemüt. Aber manchmal muss ich plötzlich heulen, ganz ohne Grund oder weil das Pinguinpaar in der Doku sein Ei verloren hat oder weil sich gerade alles scheißerer anfühlt als sonst. Der Mann streichelt mir dann über den Kopf und sagt: Keine Panik, das Leben ist schön, das ist bestimmt nur der Eisprung. Am Anfang habe ich auf Prophezeiungen dieser Sorte reagiert wie ein Schaum spuckender Rottweiler. Bis er das vierte Mal in Folge recht behielt, was ich nur weiß, weil meine Perioden App so ein verdammt akkurater Hundling ist. Mein Freund weiß auch besser, wann ich meine Tage bekomme, als ich selbst. Er merkt das einfach. Daran, dass ich vor Hunger nicht nur fluche, sondern richtig gemein und ausfallend werde (er nennt mich dann Chantal Jane). Daran, dass ich mit einem Mal und ohne erkennbaren Auslöser wie von der Tarantel gestochen scheiße bin und in Gefühlsbädern ersaufe, die an Manien erinnern. Auch dann sagt er: Das ist keine Depression und du bist wirklich kein Kackvogel, das ist bloß die dumme Menstruations-Sau. Ich schaue dann jedes Mal auf meine App ( noch 1 Tag) und werde plötzlich wieder ganz selig. Weil da jemand ist, der Einfühlungsvermögen zeigt, statt mich zu mobben, der mir heimlich neue Obs in mein Döschen neben der Toilette legt und findet, dass es ok ist, hin und wieder ein Periodenmonster zu sein. Wahrscheinlich nimmt er meine kleine Aussetzer deshalb so gelassen, weil er mich erstens sehr gern hat und zweitens scheiße froh darüber ist, selbst nicht menstruieren zu müssen.

Klingt eigentlich alles ganz fair und rund, bloß: Was, wenn mal nichts dran ist an der blutigen Theorie? Es kann schließlich auch nicht das gelbe vom Ei sein, jeder Zimtziege wie selbstverständlich PMS zu attestieren, denn vielleicht ist die Zimtziege auch sonst eine Ziege oder einfach nur schlecht gelaunt. Wie alle Menschen das zuweilen nunmal so sind. Mit meinen Freundinnen habe ich mich deshalb auf ein pro-aktives Handeln der gerade Menstruierenden geeinigt, so eine Periode ist schließlich kein Mythos, sondern eine Selbstverständlichkeit, etwas Natürliches, das endlich enttabuisiert gehört. Weil viele von uns jedenfalls zu den launenhaft Gebeutelten gehören, warnen wir uns seit einiger Zeit einfach vor, sollten wir längere Zeit aufeinander hocken. Sogar im Büro. Leute, ich bin heut wieder mit Menstruationskappe unterwegs, also verzeiht mir im Fall der Fälle kleine Seitenhiebe, heißt es dann zum Beispiel. Als Freifahrtsschein gilt diese Regelung aber nicht. Denn wer doof ist, muss sich entschuldigen, immer. Wenn man sich über die eigene dünne Haut bewusst ist, fällt aber sogar das irgendwie leichter. Genau wie das laute Lachen über sich selbst und diesen Meisterstreich von Mutter Natur. Nur meine Bekannte findet das alles überhaupt nicht witzig. Sie hält meine Meinung für Quatsch und PMS für ein selbstgefälliges Gerücht. Ich gönne ihr das. Und halte sie vor allem für vom Glück geküsst.

22 Kommentare

  1. Anne

    QUATSCH?!?!? ICH RASTE AUS!!! SOLL SIE MAL VORBEIKOMMEN, DANN ZEIG ICH IHR MAL QUATSCH! 😉

    Perfekter Artikel zur richtigen Zeit! Merci und yes, vorbereitet sein, quasi auf sich selbst, ist das einzig Wahre.

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  2. era

    PMS sind kein Gerücht, liebe Bekannte von Nike, jede dritte Frau kennt einige der über 150 verschiedenen Symptome. Doch was hat es mit diesen PMS auf sich? In Japan heißt es: die Periode ist eine kleine Zusammenfassung deines vergangenen Monats. War der Monat scheisse, kanns sein dass du mirnichtsdirnichts an Hitzewallungen,Schlafstörungen und Blähungen leidest, wars ein entspannter Monat in dem du dir Zeit für dich und deine Bedürfnisse genommen hast, können diverse Symptome ausbleiben. Die Menstruation spiegelt deepen shit wider, den wir in unserem Alltag gerne ignorieren, vergraben (müssen) und verdrängen. Und obs der Heißhunger oder die emotionale Instabilität oder gar grauenvolle Schmerzen sind, ist Mensch und Körperkonstitutionsabhängig.
    Wo ich der Bekannten minibisschen Recht geben muss: Frauen müssen gar keine PMS haben. Jedes PMS-Symtom ist lediglich Hinweis auf etwas hochkomplexes was nicht ganz rund läuft. Und lädt ein zur Erforschung und Auslotung dieser kleinen unebnen Ecke.
    Da dieses Bewusstsein dafür (Menstruation, Blut, PMS) gerade erst geschaffen wird und ein jahrtausendaltes Tabu langsam aufbricht, dauert es bis ÄrztInnen anstatt der Pille: Meditation, Atemtechniken, Akupunktur oder in sich hineinhorchen verschreiben. Und bis PMS thematisiert und nicht mehr als selbstverständliches Frauenleiden angenommen werden!

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    1. Joanna

      Also das mit diesem japanischen Sprichwort oder wie man das nun nennen mag, finde ich wirklich sehr interessant und einen wirklich coolen Ansatz! 🙂 Ich hatte erst vor einigen Tage eine grauenvolle Laune und schlimme Schmerzen bei meiner Periode wie lange nicht mehr. Jetzt gerade habe ich über das, was du geschrieben hast, nachgedacht und tatsächlich, der letzte Monat war wirklich nervig und anstrengend. Schon nicht schlecht, mal so in sich zu horchen und das ganze nicht als lästige, sinnlose Laune der Natur abzutun. 😉

      Danke dafür!

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      1. era

        Liebe Joanna,
        das freut mich!
        Ich schreibe gerade meine Masterarbeit zu diesem Thema und freue mich wenn diese meine Bewusstseinsarbeit auch andere Menschen erreicht!
        Herzensgruß

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        1. Elli

          Era, wow, hast du Lust ein bisschen was drüber zu erzählen? Vielleicht interessiert das ja auch die janes? Klingt super spannend!

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          1. era

            Liebe Elli,
            habe die Janes gerade diesbezüglich angeschrieben. Lust von meiner Arbeit und den darauffolgenden Selbsterfahrungen zu berichten, habe ich große.
            Seit ich mich mit dieser unwahrscheinlich wichtigen Thematik auseinandersetze hat sich das Bewusstsein aller Menschen meines Freundeskreises (Männlein wie Weiblein) geändert und sogar sämtliche Symptome des PMS sind verschwunden.

            Vielleicht auf bald!

          2. D.

            Hallo Zusammen,

            ich fände es großartig einen kleinen und zudem auch wissenschaftlichen Exkurs zu erhalten. Dieses Thema ist grad auch bei uns brandaktuell, denn nach 2 Schwangerschaften hat sich hormontechnisch einiges scheinbar umgestellt und vieles ist dazu gekommen, was ich so vorher noch nicht hatte.
            Den japanischen Ansatz finde ich hochinteressant (und auch total einleuchtend)!

    2. Amelie

      Wow, ich bin ganz begeistert von dem Dialog der Nikes Artikel ausgelöst hat. Das Thema ist super spannend und wichtig. Allein dass ich das jetzt alles gelesen habe, ändert meinen Blickwinkel auf mein Frausein total. Bis jetzt hab ich Menstruation immer als lästig empfunden, aber es steckt großes Potential dahinter, wie ich sehe 🙂
      Lieben Gruß an euch tolle Frauen!

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    3. Sabine

      Das hört sich mega interessant an! Und ich ertrappe mich gerade selbst dabei, dass das japanische Sprichwort sehr gut auf mich zutrifft

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  3. nicole

    ich bin grad mitten in meinen grundlosen depressionen. mein freund steht lächelnd drüber… pünktchen und anton lief grad im tv – ja, ich habe geweint wie seit mindestens drei wochen nicht mehr

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  4. Linda

    Wahre Worte! Es ist außerdem ganz wundervoll von dir geschrieben, so dass ich trotz meines unsäglichen Mitgefühls und des Wiedererkennungseffekts, schmunzeln darf…

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  5. Ameli

    Bezüglich der Schmerzen: Meine Schwester hat mir vor ein paar Monaten empfohlen, ungefähr 5 Tage/eine Woche bevor die Periode anfängt jeden Tag eine Magnesium Tablette zu nehmen. Die wirken wie ein Wunder. Seitdem habe ich zum ersten Mal seit 13(!) Jahren keine Schmerzmittel nehmen müssen! Ich kann nur jedem raten es mal zu probieren!

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  6. Nico

    Hallo Era,

    Genau diese Zusammenhänge habe ich bei mir auch mit der Zeit entdeckt! Wenn ich meine Grenzen den Monat über nicht gut verteidigt habe, werde ich zur Menstruation kratzbürstig, habe ich immer gut auf mich selbst geschaut, machen mir Menschen nichts aus
    Würde mich sehr interessieren mit welchen Quellen du da schreibst, wo etwas darüber steht, da ich es wie gesagt nur ganz subjektiv bei mir beobachtet habe! Hast du dazu vllt ein paar Lesetipps? Das wäre super!!
    LG Nico

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      1. era

        Liebe Nico,

        ich beschäftige mich in meiner Masterarbeit mit dieser Thematik. Darin stelle ich den schulmedizinischen dem esoterischen Diskurs gegenüber. Und versuche aus der Eigenartigkeit beider Felder eine wissenschaftliche Neutralität zu erschaffen und praxisnahe Tips herauszufiltern.

        Am Besten du liest meine Arbeit oder aber es ergibt sich für mich die Möglichkeit durch die Janes einen Artikel zu formulieren.

        Liebe Grüße

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        1. Nico

          Sehr gerne würde ich deine Arbeit lesen…wird sie irgendwo veröffentlicht wenn du fertig bist oder wie kann ich sie lesen?
          LG

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  7. Lisa

    Mich würde Eras Arbeit auch total interessieren. Meine Theorie ist auch seit langem, dass PMS das verstärkt, was tief drinnen brodelt. Ich bin zur Zeit schwanger und habe mich auf eine PMS freie Zeit gefreut… Aber Pustekuchen. Bisher läuft es wie eine nicht enden wollende PMS Episode. Eun Grund mehr durch dich, Era, etwas Neues darüber zu lernen!

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  8. Kerstin

    Ich habe auch die selben Symptome, wie Nike im Artikel beschreibt, und würde die Arbeit von Era auch unheimlich gerne lesen! Liebe Janes, könnt ihr darüber berichten oder es unter „Lesetipp“ aufnehmen?

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  9. Pingback: Cherry Picks #15 - amazed

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