Unsere Autorinnen Sarah Radowitz aka Scalamari und Fabienne Sand diskutieren in unserer neuen Serie „Short Chat“ ab sofort die wichtigen Fragen unseres (Beziehungs-)Lebens. Von Freundin zu Freundin:
„Puh, das Thema hat es in sich. Da scheiden sich die Geister, wenn nicht sogar Welten oder ganze Universen. Also, Folgendes: Da führt man eine Beziehung und hat eine große Liebe an der Angel und ein gemeinsames Leben und dann bricht auf einmal die Hölle los. Da ist man fremdgegangen und hat urplötzlich alles auf den Kopf gestellt, mindestens ein Herz zerpflückt und diese bis eben noch recht solide und liebevolle Kiste mit einem einzigen Fingerschnips und Zungenschlag zu Grunde gerichtet. Wenn man denn gesteht. Man könnte natürlich auch einfach die Schotten dicht machen – Klappe zu, Ausrutscher-Affe tot und weitermachen wie zuvor? Lieber totschweigen als totreden? Na, was denn nun?“
Sarah: Du Fabi, ich brauch mal deine Meinung.
Fabienne: Na dann schieß mal los, ich habe ein sperrangelweit geöffnetes Ohr!
Sarah: (Frage für einen Freund) Nimm mal an, in der Beziehung is einer fremdgegangen. Beichten oder nicht?
Fabienne: Ganz ehrlich? Beichten! Für mich ist das fast ein bisschen wie keine richtige Frage. Sag deinem Freund, er soll alles rauslassen. Geheimnisse in Beziehungen, ich meine so richtige wie dieses hier, bedeuten ja, dass man den den Partner oder die Partnerin anlügen muss und wir wissen doch eigentlich alle, dass anlügen gar nicht geht. Die Wahrheit gewinnt. Kennste doch, den Spruch.
Sarah: Hm ja vollkommen klar, ich denk’ im Grunde doch genauso – aber muss man nicht auch die Umstände betrachten und ganz genau gucken, wie es da drum herum aussieht – zum Beispiel ob das eine verdammte scheiß Affäre war, mit allen denkbaren Abgründen oder „nur“ ein richtig mieser Ausrutscher aus der Hölle, ein einmaliger Super-Fail inklusive bereuen und Aua und so?
Fabienne: Ich frage mich dann aber immer ernsthaft: Welchen Grund gab es für diesen Höllenausrutscher? So ein psychischer und physischer Betrug zugleich, dem muss doch etwas zugrunde liegen. Auch beim ersten und letzten Mal meine ich. Und mit Rausch oder einer ach so wilden Nacht, in der es kein Halten mehr gab, braucht mir niemand kommen – das ist allerletzte Kanone.
Sarah: Guter Punkt. Wo fängt Betrügen denn überhaupt an? Wer legt das denn wann fest und liegt da im Falle eines Falles eigentlich immer was ganz Tiefes anderes zu Grunde? Und, was wenn nicht? Wenn’s echt nur diese einmalige Geilheit, Neugier, oder sonst etwas war? Und mal ehrlich: Sind wir nicht alle nur Menschen, die ständig in allen Lebensbereichen Fehler machen, hoffentlich draus lernen und dann im besten Fall nie wieder so handeln?
Fabienne: Irgendwie schon. Bei den Fehlern, die mal passieren können, gehe ich mit. 100%. Aber wenn du da so eine Geilheit in dir aufkommen spürst, die kriecht so langsam in dir hoch und steigt dir irgendwann zu Kopf, dann bist du dir der Geilheit ja bewusst und dann doch irgendwie gezwungen, damit umzugehen. Bist du es deinem Partner dann nicht schuldig, dich ihm oder ihr gegenüber diesbezüglich zu offenbaren? Das geht ja irgendwie euch beide etwas an. Die Neugier einer anderen Person gegenüber. Damit kann man ja zu zweit umgehen, oder etwa nicht? Vielleicht kann man die Beziehung in gewissen Punkten überdenken, neu denken, umdenken, umlenken, öffnen. Verstehst du? Warum nicht vielleicht diese Wollust teilen, vielleicht wird ja etwas ganz Wunderbares daraus? Oder beide bemerken, dass so etwas neues und aufregendes bitter nötig war? Oder das Gegenüber realisiert, dass es ihm oder ihr gar nicht taugt, in welche Richtung das alles gerade geht und kann einen Schlussstrich ziehen?
Sarah: Ich finde, eine Beichte nach einem Höllen-Ausrutscher, bei dem ganz klar ist, dass da nie wieder was passiert, ist nur für eine Seite heilsam – nämlich für die, die sich da grade entlasten konnte. Was bleibt, ist die derbe Last für das Gegenüber, die er oder sie im Zweifel nie wieder richtig los wird. Vertrauensbruch 4 eva – selbst wenn es wirklich absolut keine Bedeutung hatte. Wäre es dann nicht eigentlich nur fair, den Betrügenden das Gewissenspäckchen dieser einen Nacht für immer mit sich allein rumschleppen zu lassen? Vorausgesetzt es ist sowas wie Gewissen im Spiel.
Fabienne: Hmm, ich kapiere den Punkt irgendwie schon. Aber geschehen ist nun mal geschehen, der Vertrauensbruch begangen und das schlechte Gewissen im schlimmsten Falle dann bis zum bitteren Ende da. Was auch immer das Ende sein mag. Mist gebaut wurde ja schließlich schon, da ist es moralisch doch verwerflicher, den Mund zu halten und so zu tun als wäre nichts passiert. Denn da ist ja was passiert. Ich möchte der Person, die ich liebe, doch die Möglichkeit lassen wütend zu sein, mich zu verlassen oder weiß der Geier. Vielleicht bin ich da ja auch zu verbohrt, aber ich würde wissen wollen, wenn so etwas vor sich geht. Moment. Oder will ich es lieber doch nicht wissen? Himmel, das zermürbt mich jetzt. Eigentlich will ich doch alles wissen, was dieses „uns“ etwas angeht. Wie gesagt, vielleicht wächst man ja daran? Oder schrumpelt die blühende Liebe dann wegen dieses einen Fehlers ganz einfach ein als hätte jemand sie vertrocknen lasse?
Sarah: Pass uff, genau das hab’ ich mich nämlich auch gefragt: Will ich es wirklich wissen, wenn es tatsächlich nur einmalig war? Und ist es das „wert“, dass da nun alles irgendwie als Scherbenhaufen vor beiden liegt wegen eines (im Zweifel) banalen Bummbumms? Ist es ausnahmslos immer ein Ding, was beide Seiten angeht, oder kann auch nur einer mal (ganz ohne Schönfärberei) für die Beziehung bestimmen: „Es war nichts Bedeutungsvolles, es wird nie wieder etwas sein, ich habe gelernt und das Wissen darum würde unsere eigentlich doch schönes Miteinander kaputtmachen“? Oder ist das übergriffig und unfair?
Fabienne: Aber was ist, wenn wir unserem Gegenüber in dieser Hinsicht einfach immer zu wenig zugetraut haben? Ich meine klar, das Vertrauen ist dann hin, aber vielleicht ist der Partner oder die Partnerin ja auch total gewillt, das alles nachzuvollziehen. Offen für die Diskussion und bereit für den Konflikt? Blöd, dass man nie wissen kann, was passiert. Was danach passiert, meine ich. Aber um ehrlich zu sein, habe ich da ja so etwas wie eine Grundhaltung: irgendwann kommt alles raus. Ist doch echt wahr, oder? Am Ende hältst du es nach einem Jahr nicht mehr aus zu schweigen und dann platzt es mir nichts dir nichts aus dir heraus und dann hast du den Salat.
Sarah: So wahr. Irgendwie kommt es ja immer raus. Und dann is die Kacke halt schlimm am dampfen.
Fabienne: So richtig nämlich. Dann ist nämlich das Vertrauen doppelt gebrochen: Erst weil passiert und dann weil nicht gesagt. Wie willst du denn da noch in Ruhe eine Ebene finden, auf der man sich begegnen kann?
Sarah: Sehe ich auch so, dann is echt alles aus und zu spät. Nicht mehr zu kitten. Hölle. Hölle. Hölle.
Fabienne: Vielleicht ist das Problem auch ein bisschen die Beziehungskiste an sich. Dieses den andern vermeintlich zu besitzen, zu kontrollieren oder eines von beiden oder beides zu wollen. Wenn einen dann doch das Verlangen nach der Fremde packt, dann sollte man vielleicht über neue Beziehungsformen nachdenken. Für mich wäre das nichts, wirklich nicht. Aber wer weiß, vielleicht sieht es in einem Jahr ja auch anders aus. Du weißt ja eh nie was kommt.
Sarah: Voooll. Ich finde ja sowieso, die Monogamie ist uns zwar gesellschaftlich ins Mark reingeimpft, aber so richtig funktioniert das ja dann doch in den allermeisten Fällen nicht. Aber ey, ein weiiijjtes Feld – können wir da nächstes Mal drüber reden, bin nämlich sau müdi und hab einen im Tee von unserer abendlichen Session hier.
Fabienne: Ja das sehe ich auch so! Monogamie und pipapo – da machen wir ja ein fast noch viel größeres Fass auf, wenn du mich fragst. Ach je. Und beschwipst von so vielen Gehrinknoten bin ich auch.
Sarah: Aber du hast so sehr Recht: Ehrlichkeit ist das Fundament einer Beziehung. Man sollte ein Team sein und durch jede Scheiße durchwaten – auch wenn es wehtut. Hat was mit Mut zu tun. Alles andere ist Quatsch und entzweit nur. Non?
Fabienne: Si! Und genau so sagst du das auch. Dem Freund meine ich, der gefragt hat, was er machen soll.
Sarah: Ok, ich schicke ihm vielleicht einfach unseren Verlauf – und aus die Maus 😉 Schlaf gut, Puppe. Und danke.
Fabienne: Du auch. Bis bald, zur Monogamie-Debatte.