„Ist der Typ da drüben heiß?“ -„Whää, nee. Viel zu glatt.“
Ein typisches Szenario im Leben einer jungen Frau, die ab und an mal um sich schaut. Beim Bäcker: Männer. In der Stadt: Männer. Auf dem Konzert: Männer so weit das Auge reicht. Schöne Männer, aalglatt und perfekt, an den Füßen schneeweiße Sneaker. Interesse? Nein. Denn Männer dürfen nicht schön sein, jedenfalls nicht Abziehbild-schön. Eher unterschwellig schön und irgendwie sexy – die Babypo-Fraktion mit ihren perfekten Gesichtern und den kleinen Näschen fristet ein relativ sexappealloses Leben, zieht an uns vorbei wie eine ultraviolette Ameisenkaravane – gänzlich unbemerkt. Ein richtiger Mann, der muss im Wald überleben können, in der Natur zu Hause sein. Zumindest wollen wir uns diese Traumsvorstellung in Anbetracht seines Aussehens herbeispinnen können. Ein Dreibeiner, der nach Stadtluft duftet und entsprechende Attitüden an den Tag legt, ist in etwa so attraktiv wie König Triton.
Natürlich, der junge Herr an meiner Seite ist der Schönste von allen. Komisch, denn genau das behauptet meine Mutter auch von meinem Vater, und meine Freundinnen haben, nach eigener Aussage, allesamt Traummänner an Land gezogen. In eine Modelkartei passt allerdings kein einziger von ihnen. Gott sei Dank. Genau das sollte uns nämlich Mut machen. Die mediale Verkackeierung unsere Hirne ist eben machtlos, wenn’s um Hormone und Herzkram wie Liebe geht. Ein Mann in rosa Polohemd erfüllt glücklicherweis nur die wenigsten Frauenträume. Ebenso wie das „Male Model Face“, das sich tageintagaus mit Seetang einschmiert. Ein Mann kann auf den ersten Blick durchaus unhübsch sein und dann, wenn man ein zweites Mal hinschaut, entdeckt man das Besondere.
Das Schöne liegt im Unperfekten. In kleinen Makeln, die jeden einzelnen von uns liebenswert und einzigartig machen. Ein Sixpack kann nicht kuscheln, ein Abziehbild nicht denken. Optischer Perfektionismus ist ein Trugschluss, ein Irrtum der Gesellschaft. Denn Angucken und Gernhaben-Müssen sind zweierlei Schuhe. Schön ist, was keiner sieht, der dich nicht kennt. Mich zum Beispiel erinnert meine Nase an eine eigenartig dreinschauende Vogelart. Mein Mitbewohner pflegt allerdings zu sagen: “ Deine Nase gehört zu dir, genau so wie sie ist. Sie macht dich schön, macht dich zu dir, denn wäre sie anders, könnte ich dich nicht mehr vom Rest der Welt unterscheiden.“
Fehler sind da, um geliebt zu werden. Und um aus einem Menschen eine Persönlichkeit zu machen.