Am 4. Dezember ist es wieder soweit: Die British Fashion Awards werden verliehen. Zwar ließ uns diese Veranstaltung in der Vergangenheit eigentlich immer ziemlich kalt und sorgte höchstens für aufkeimendes Interesse kurz nach der Awardverleihung, in diesem Jahr wollen wir aber endlich mal die Gelegenheit nutzen, euch einen kleinen Überblick über die wichtigsten Akteur*innen der Modebranche zu geben. Eines wird beim Durchgehen der einzelnen Kategorieren und der nominierten Designer*innen schnell sichtbar: Wo bitte sind die ganzen weiblichen Player aus dem Business genau? Einfach nicht nominiert? Sicher, wir hätten hier eine Maria Grazia Chiuri für Dior und dort eine Phoebe Philo für Céline, und jo, auch eine Rejina Pyo treibt sich auch unter den nominierten Gewinnerinnen rum, aber das war es dann auch schon fast.
Quote hin oder her: Hier hätte man schon auf eine ausgewogenere Nominierung achten können, non? Das darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben: Wo stecken eigentlich die männlichen Models? Kein einziger Mann findet sich unter den Anwärtern in der Kategorie „Model of the Year“. Wie kann das denn bitte sein? Wir verstehen es nicht.
Bevor unsere Fragezeichen im Kopf allerdings weiter Purzelbäume schlagen, gibt’s hier erst einmal die Nominierten der einzelnen Kategorieren und on top auch unsere persönlichen Favoriten.
Designer of the Year
Recognises an international designer whose innovative collections have made a notable impact on the industry, defining the shape of global fashion.
- Alessandro Michele für Gucci
- Jonathan Anderson für Loewe
- Maria Grazia Chiuri für Dior
- Phoebe Philo für Céline
- Raf Simons für Calvin Klein
Für wen unsere Daumen wohl gedrückt sind? Zwar finden wir unter den fünf Nominierten keine Neuentdeckung, unser Herz schlägt an dieser Stelle aber selbstverständlich für Maria Grazia Chiuri und ihre Designs für Dior: Sie ist die erste (!) weibliche Designerin an der Spitze von Dior und hat gleich den feministischen Zeitgeist in der Kollektionen übersetzt.
Natürlich nicht ganz ohne Kritik, aber der Erfolg gibt ihr Recht! Und sie legte für den Sommer 2018 gleich nach und kramte als Inspiration den Essay „Why have there Been No Great Women Artists?“ von 1971 heraus. Sie verließ Valentino, als die Verkaufszahlen auf dem absoluten Höchststand waren und die Kritiker sich vor Lob über ihre leichte, puritanische Ästhetik nicht mehr eingekriegt haben. Unsere Daumen sind aber keineswegs nur für Grazia Chiuri gedrückt, weil es sich hier um eine weibliche Designerin handelt, sondern weil kaum ein anderes Brand derzeit so viel kopiert wird und den Zeitgeist perfekt einfängt.
Accessories Designer of the Year
Celebrates a designer that has proven instrumental in elevating accessories to the forefront of the fashion industry, demonstrating a skill for both creativity and commerce, and establishing their brand as a global fashion leader.
- Alessandro Michele für Gucci
- Anthony Vaccarello für Saint Laurent
- Demna Gvasalia für Balenciaga
- Jonathan Anderson für Loewe
- Stuart Vevers für Coach
Der Preis geht bei uns ganz klar an Demna! Zwar finden wir sicherlich selbst nicht alles gut, müssen seine Leistung für Balenciaga und Vetements aber zweifellos anerkennen: Egal ob IKEA Lookalike Frakta Taschen, knallfarbene Strumpfhosen oder winzig kleine Sonnenbrillen. Go Demna!
Business Leader
This award recognises the work of a CEO or President of a fashion business who has overseen both creative and commercial success in the past year. With a natural aptitude to nurture both creative talent and commercial growth, the ‘Business Leader’ enables creative freedom alongside financial stability, which in turn generates innovation and excitement within the industry and beyond.
- Adrian Joffe für Dover Street Market
- Guram Gvasalia für Vetements
- José Neves für Farfetch
- Marco Bizzarri für Gucci
- Ruth & Tom Chapman für Matchesfashion.com
Aus unserer Sicht ist der wirtschaftliche Erfolg natürlich ziemlich schwer zu beurteilen; also gehen wir doch einfach mal ganz selbstbewusst von unserer Meinung aus – und da kommen an dieser Stelle vor allem Marco Bizzarri in Frage, der Alessandro Michele so viele Freiheiten zu geben scheint, wie man sich es sich wohl nur von seinem Chef wünschen kann. Hier herrscht Vertrauen, aber auch eine Portion Mut. Wer hätte vor ein paar Jahren schon erahnen können, dass Micheles Größenwahn funktionieren könnte. Die Zeit wahr scheinbar reif – und Bizzarri hat’s gespürt. Auf der anderen Seite bleiben wir leider schon wieder bei den Gvasalia Brüdern, denn auch der Kopf hinter Demna, nämlich sein Bruder Gurum scheint ganz genau zu wissen, wie das Hase läuft. Ein feines Gespür für Zeitgeist trifft hier jedenfalls auf eine ordentliche Portion wirtschaftliches Know-How. Zwei Strategien, die perfekt aufgehen. Von uns bekommen beide einen Award. Und Adrian Joffe kriegt auch noch einen, weil er es seit Jahren schafft, dass der Dover Street Market zu einer festen Institution herangewachsen ist, die wir in London, New York und Co sehr schmerzlich vermissen würden.
Kollaborationspartner der vergangenen Saisons: Brioni, Schott, Levi’s, Comme des Garçons Shirt, Reebok, Canada Goose, Dr. Martens, Alpha Industries, Eastpak, Lucchesse und Manolo Blahnik
Model of the Year
Recognises the global impact of a model, male or female, who over the last 12 months has dominated the industry. With an influence that transcends the catwalk, the Model of The Year has made an outstanding contribution to the industry, garnering numerous editorial and advertising campaigns throughout the year.
- Adwoa Aboah
- Bella Hadid
- Gigi Hadid
- Kaia Gerber
- Winnie Harlow
Nach langem Hin und Her bin ich mir sicher: Adwoah Aboah sollte das Krönchen kriegen.
Es war ein Kopf an Kopf Rennen mit Kaia Gerber, allerdings steht hier „Präsenz auf dem Laufsteg“ „sozialem Engagement“ gegenüber – und da wir letzteres stärker gewichten, als den reinen Erfolg im Job, gibt’s hier eben nur eine Antwort: Adwoah engagiert sich nämlich stark für die mentale Gesundheit von Frauen und gründete mit „Gurls Talk“ 2016 eine Plattform, die sich als Initiative zur Überwindung und Verarbeitung psychischer Probleme junger Frauen einsetzt und Themen wie Feminismus und soziale Gerechtigkeit aufgreift.
Da kann die blutjunge Tochter von Cindy Crawford mit ihrem Ehrgeiz und ihrer omnipräsenten Saison leider noch nicht ganz mithalten. Macht aber nichts, macht gar nichts, immerhin ist Kaia ja gerade einmal 16 Jahre alt und hat ganz sicher auch im kommenden Jahr noch die Chance, den ersten Platz zu ergattern. Sollte sich die Jury allerdings ausschließlich auf den kommerziellen Erfolg konzentrieren, dürfte die junge Schönheit schon in diesem Jahr den Preis als Model des Jahres einheimsen.
British Emerging Talent – Womenswear
Die Nominierten:
- Faustine Steinmetz für Faustine Steimetz
- Matty Bovan für Matty Bovan
- Michael Halpern für Halpern
- Natalia Alaverdian fpr A.W.A.K.E
- Rejina Pyo für Rejina Pyo
Daumen sind gedrückt für: Rejina Pyo! Die Britin konstruiert Silhouetten, die mich immer wieder an Blumen erinnert und vermischt das Ganze mit einer ruhigen, gar zurückhaltenden Farbpalette. Eine wunderbare Erfrischung zum Prunk und Protz dieser Tage. Außerdem trifft sie wie kaum eine andere den Menocore-Trend – und allein dafür könnte ich sie knutschen!
British Designer of the Year – Womenswear
- Christopher Kane für Christopher Kane
- Erdem Moralioglu für Erdem
- Jonathan Anderson für JW Anderson
- Roksanda Ilincic für Roksanda
- Sarah Burton OBE für Alexander McQueen