Ich bin ganz eindeutig ein Mensch und weil Menschen oft Dummes tun, passiert mir auch häufig Dummes. Ich rolle dann zum Beispiel zähneputzend durch meinen Instagram Account und denke: Warum stehen die Köpfe von vielen Frauen da eigentlich immer so vom Hals ab, als würde sich eine Giraffe gen Baumwipfel strecken? Sieht ja weder sympathisch aus, noch gesund. Wohl aber künstlerisch vielleicht, vermutlich. Und dann ist es eigentlich ein Wunder, dass mir die elektrische Bürste nicht jedes Mal im eigenen Rachen stecken bleibt, als Karma-Keule. Wer im Glashaus sitzt und so. Es gibt nämlich eine Frage, vor der ich mich womöglich schon seit Jahren drücke und die da lautet: Was denken die Leute eigentlich, wenn sie mein Profil betrachten? Bitte, liebes Universum, ich will es nicht wissen. Wirklich nicht. Trotzdem kann ich es mir aber denken. Weil meine Freunde mich manchmal auslachen zum Beispiel, auf die liebevolle Art und Weise, richtig laut, und mir dabei giggelnd auf den Oberschenkel klopfen, das Handy mit einem Foto von @nikejane in der Hand. „Wenn die wüssten, wie du in echt bist“, prusten sie dann, während sie zeitgleich versuchen ein Rülps-Geräusch nachzuahmen. Was so viel bedeuten soll wie: In Wahrheit bist du doch gar nicht so etepetete, sondern ein kleines Ferkel! Nun kann man ja aber natürlich schlecht ein Geräusch fotografieren und schön anzusehen ist so ein Bäuerchen-verzerrtes Gesicht ebenfalls nicht. Trotzdem weiter im Text. Mein Freund meckert nämlich auch immer wieder: Man könnte fast meinen, dir stecke ein Stock im Po, richtig tief drin! Sei doch nicht so eitel. Sei doch mal real (er benutzt dabei dann auch diese Rapper-Gestik und fuchteln mit seinen Armen und Fingern herum, zu Untermauerung seines Anliegens).
Schön. Das habe ich gestern versucht, kurz vor dem Schlafengehen, sogar ohne Filter. Da hat besagter Freund kurz Instagram-Husband gespielt (macht er sonst nie) und gesagt: Bleib stehen! Ich mache jetzt ein Foto! So! DAS ist gut! Ich sagte „GEH WEG“ und da wars auch schon passiert. Woraufhin ich sogar die ersten bescheuerten Hashtags unter besagten Post setzte, die mir in den Sinn kamen, anstatt lange über ein nettes Zitat zu sinnieren: #yellowyolo und #schlaftgutihrsüßen. Geschämt habe ich mich auch, ein bisschen. Aber ich dachte: Lustig auch!
Was aber hat mir dieses spontane Stelldichein mit der Realness gebracht? Freude, zugegeben. Und Schadenfreude, mir selbst gegenüber. Ich habe jedenfalls laut gelacht, schon allein über den Prozess der Entstehung. Die vermeintliche Aussage(n) dahinter:
- Guckt mal, wie uneitel ich bin.
- Guckt mal, wie schön der Schlafanzug ist.
- Guckt mal, ich bin so sehr mit mir im Reinen, dass es mir nichts ausmacht, dass meine Augen in zwei verschienden Richtung schauen.
- Guckt mal, mein buntes Chaos im Hintergrund.
Was man mit so einem Foto im Feed vermutlich bezwecken will, ist klar. Man möchte gern als „nett“ empfunden werden. Sympathisch wirken. Also so, wie man sich selbst sieht. Deshalb postet man sich ja genau so, wie man ist. Oder wie man meint, zu sein. Ihr wisst schon.
Gestern habe ich also Realitätsblut geleckt, weshalb ich heute wieder ohne Filter auskommen wollte, was man aber überhaupt nicht sieht, vielleicht wegen des pinken Rahmens. Am Ende lag ich nämlich noch bis halb 5 heute Morgen wach, wegen einer nervigen aber überhaupt nicht schlimmen Nervenkrankheit im Bein, die macht, dass manchmal alles zuckt, stundenlang (Vielleicht habe ich deshalb Zeit für solche Gedanken). Nach dem Posten eben habe ich dann gedacht: Da sehen deine Augen gar nicht so rot und müde aus wie im Spiegel. Schade, dabei wollte ich doch mordsmäßig „echt“ sein. Makel zeigen. Aber das kann ja nun wirklich auch nicht die Lösung sein: Dass wir jetzt plötzlich alle versuchen, betont heruntergekommen weil ungekünstelt rüberzukommen. Denn die Frage ist ja: Was bringt uns denn die pure Wahrheit. Hier mal ein Beispiel, kurz nach zu wenig Schlaf, kurz vor dem pinken Blusenbild (wo sich mein Gesicht dann schließlich wieder entknittert hatte):
Wollen wir sowas denn wirklich sehen, so eine Kartoffelnase mit Würsten unter den Augen? Ja? JA?!
Ich spule nochmal zurück. Da, das Bild mit der Blume. Angestrengt künstlerisch, könnte man meinen. Im Büro entstanden, tatsächlich ganz ohne Firlefanz, irgendwie nebenbei. Sieht aber viel unechter aus, als das davor. Es will ja auch nicht viel, nur relativ schön anzusehen sein. Hätte dieses Bild jemand gepostet, den ich blöde finde, hätte ich womöglich gedacht: Der/die macht jetzt also auf total artsy, aha. Ich stelle also vorerst fest: Man kann es weder richtig richtig, noch richtig falsch machen. Es kommt nämlich offenbar nicht nur auf den Absender oder die Absenderin eines solchen Bildes, sondern auch auf die jeweiligen Betrachtenden an. Und die sehen am Ende irgendwie einfach das, was sie sehen wollen. Schuldig, oder? Wahrscheinlich wir alle.
Das Ich-bin-nicht-nur-Fashion-sondern-auch-voll-Outdoor-Bild.
Das Mein-fliehendes-Kinn-und-ich-sind-Freunde-Bild
Das Hallo-hier-guckt-mal-ich-bin-nicht-süß-sondern-super-sexy-Bild
Zurück zur Kernfrage: Spiegelt mein Instagram-Feed meine Persönlichkeit wieder? Hin und wieder. Ja. Nein. Keine Ahnung. Schwierig zu sagen, als persönlich Involvierte. Vielleicht haben meine Freunde recht, vielleicht bin ich ich in Wahrheit wirklich ein bisschen scheeler als mein meinen würde, vielleicht ist es auch anders herum. Vielleicht bin ich witziger als manch einer vermuten würde, vielleicht aber auch nicht. Ein Bild bleibt nunmal ein Bild bleibt ein Bild.
Muss denn sowas Banales wie Instagram überhaupt ein Abbild der Realität sein? Wohl kaum, das nicht. Schade ist es trotzdem, wenn ich Menschen neben mir im Café abfällig über bekannte Instagrammer*innen reden höre. Es hieß neulich zum Beispiel: „Boah, ist Blondie eingebildet und tussig.“ Ich habe „Blondie“ schon oft getroffen und weiß: Diese kluge junge Frau ist gebildet, charmant, lustig und vor allem schweinenett. Und dann tut es mir fast ein bisschen leid, dass man so schnell den Überblick verliert. Über die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Dass Instagram-Feeds inzwischen vielmehr durchgeplante Inszenierungen oder Mammut-Image-Projekte als heitere Foto-Sammlungen aus der Kategorie „Diverses“ sind. Und dass sie oft ein ganz falsches Bild der Person dahinter vermittelt, auch anders herum: Da wirkt manch eine*r so herrlich beschwingt und selbstbewusst, dass man beim Aufeinandertreffen in der echten Welt manchmal ganz verblüfft zurück bleibt, vor lauter unerwarteter Unsicherheit.
Und was heißt das jetzt? Eine berechtigte Frage. Denn so ein Feed ist inzwischen ja beinahe als Persönlichkeits-Portfolio zu betrachten und das muss nunmal jede*r nach eigenem Ermessen gestalten dürfen. Auch ich werde also vermutlich weitermachen wie zuvor. Einfach posten. Aber vielleicht auch viel häufiger genau jene Fotos, die keine Schokoladenseiten zeigen, aber dafür irgendwie Charakter haben. Mich fragen: Erkenne ich mich da eigentlich selbst wieder? Damit ich nicht Gefahr laufe, neuen Menschen in meinem Leben meine Instagram-Präsenz sogar auf Nachfrage zu verschweigen, aus Scham. Ist mir neulich nämlich passiert. Ich bescheuerte Selfie-Queen, dachte ich da. Bis ich feststellte: Was solls, so bin ich ja VIELLEICHT WIRKLICH, egal. Nur insgesamt, da wünsche ich mir von der (professionellen) Instagram-Welt wieder ein größeres Lächeln und weniger Giraffenhälse mit Nasen, die in die Wolken zeigen.