Im Februar diesen Jahres hat die Autorin Mareike Nieberding mit ihrem Artikel „Behaltet eure Nachnamen!„, in dem sie nunmal genau das fordert, für viel Diskussionsstoff, Hasskommentare, heftiges Kopfnicken und Empörung gesorgt, kurzum: Es war alles dabei. Applaus und Häme. Wie das eben immer ist, wenn man versucht, an einem Konstrukt zu rütteln, das seit Jahrzehnten besteht, das ja aber möglicherweise längst obsolet ist. Vielleicht sollte ich gleich zu Beginn erwähnen, dass der Einstieg zwar journalistisch einbahnfrei (da lesen wir natürlich weiter!), aber zugleich überaus provokant ausfiel. Er lautete: „Ich hasse meine Freundinnen. Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag.“
Sagen wir es mal so: Ich verstehe die Aussage. Ich weiß, was selbige ausagen will. Nur dürfen in einer solchen Debatte natürlich nicht persönliche Empfindlichkeiten und Empfindungen Überhand gewinnen, das ist ja klar. Wenn Nieberding also erzürnt davon erzählt, dass nur zwei ihrer insgesamt zehn mehr oder weniger frisch vermählten Freundinnen den eigenen Familiennamen behalten haben, dann mag das zunächst natürlich nicht in das Bild eines aufgeklärten und emanzipierten Freundeskreises passen. Schon klar. Bloß heißt feministisches Handeln ja nicht, aus Trotz zu handeln. Oder gegen den eigenen Willen. Wenn eine Frau also gern so heißen würde wie ihr Partner, warum auch immer (die Gründe reichen vom einheitlichen Familiennamen für Partner*innen und Kinder, um zum Beispiel etlichen bürokratischen Verkomplizierungen aus dem Wege zu gehen, bis hin zum hübscheren Klang), dann steht es wohl keinem Menschen der Welt zu, wie wild zu urteilen. Das tut die Autorin auch nicht, nein, sie argumentiert sehr klar und reflektiert. Aber wir wissen auch, dass wir (alle) mitunter in der Lage sind, genau das zu lesen, was wir lesen wollen. „Lesen“ kann hier selbstredend auch durch „verstehen“ ausgetauscht werden.
Was hier jedenfalls nachklingen muss, ist eine gar nicht so unwichtige Frage: Wieso bin ich denn unter Umständen überhaupt bereit dazu, meinen Nachnamen zu ändern? Leuchten die Gründe ein – geschenkt. Nur ein „das macht man eben so“ oder „mir eigentlich egal“ möchte auch ich nicht gutheißen, dazu ist die patriarchale Geschichte bis heute zu allgegenwärtig. Merke: Erst seit 1991 ist es uns Frauen überhaupt erst erlaubt, den Namen des Mannes auszuschlagen, um den eigenen durchs Leben zu tragen. Jedes Verschmähen dieser relativ jungen Freiheit sollte demnach logischerweise auf starken Argumentationssäulen stehen, einleuchtend. Oder? Was heißt denn eigentlich „stark“?
So, Hand aufs Herz: Sollte ich es schaffen, bis nächstes Jahr verlobt zu bleiben (man weiß ja nie, was passiert), dann werde ich zwar nicht vor Gott, aber vor einem Standesbeamten oder einer Standesbeamtin „ja“ zu meinem Partner, aber „nein“ zu seinem Nachnamen sagen, den künftig keiner von uns beiden mehr benutzen wird, weil wir uns nicht gemeinsam, sondern jeder für sich allein für „van Dinther“ entschieden haben. Warum? Das war ganz leicht:
Ich schreibe seit Jahren unter genau jenem Namen, alle meine beruflichen Kontakte setzen auf selbigen und außerdem – und das ist beinahe ausschlaggebend gewesen – verträgt sich der rheinische Zuname des Mannes kein bisschen mit „Berenike“. Das hätte dann in etwa wie „Berenike Müller“ geklungen und da muss man nunmal ganz objektiv betrachtet zugeben, dass „Berenike van Dinther“ gewinnt. Max van Dinther ist aber auch irgendwie netter als „Max Müller“. Wir haben es hier demnach mit einem überaus eitlen Grund zu tun. Einer Entscheidung im Zeichen der Ästhetik. Trüge der Mann nämlich einen Nachnamen wie „von Frittenbude zu Majoburg“ wären es mir all die Mühen wert gewesen. Die Mühen, die es kostet, Dritten beizubringen, dass man jetzt plötzlich anders heißt und auch jene, die aufgewendet werden müssen, wenn man ein Kind hat, das seinerseits nicht auf den gleichen Nachnamen hört wie man selbst (das gilt, je nach Namensvergabe nach der Geburt des Sprösslings selbstverständlich nicht automatisch für die Mama, sondern eben entweder für die (andere) Mutter oder den (anderen) Vater). Am Flughafen, beim Arzt oder im Angesicht der Schulleiterin. Egoistisch? Schon. Aber Egoismus ist ja nicht durchweg verkehrt. An diesem Punkt sei übrigens erwähnt, dass der Text „Behaltet eure Namen!“ von einer anderen Autorin geschrieben sicher auch hätte lauten können: „Schluss mit dem Alleingang, ihr komischen Eltern, nennt euch allesamt wie eure Kinder!“. Weil man es bekanntlich nie allen gleichzeitig Recht machen kann. Was bleibt uns also anderes übrig, als wieder nur einzig auf uns allein zu hören, um am Ende selig zu strahlen, wann immer es Unterschriften oder Postkram regnet.
Wie dem auch sei, nach allem Hin und Her frage ich mich nun ganz aufrichtig: Wieso entscheiden wir uns nicht einfach geschlossen uns wie selbstverständlich für den „schöneren“ Namen? Oder den ulkigsten? Falls wir denn überhaupt den gleichen Familientragen wollen, das sei hier erneut sehr deutlich unterstrichen. Dann gäbe es ja kein Machtgefälle mehr, sondern nur noch einen Streit der Geschmäcker. Gut, so einfach ist es nicht. Natürlich nicht! Ich blicke die Romantik dahinter, das Wir-Gefühl, das Aufregende und Neue! Und auch die beteiligten Emotionen sind mir nicht fremd. Wenn der oder die eine seine oder ihre Familie richtig Banane findet, dann gibt es sicher keinen Grund, sich für ein „schöner“ zu begeistern. Verbindet uns hingegen ein ganzer Sumpf an Herzblut mit der Sippe, gibt es keinen Anlass „Adieu“ zu flöten. „Stopp“ sagen, das sollten wir Frauen allerdings doppelt und mit Nachdruck, wenn es denn sein muss. Nämlich dann, wenn der werte Herr tatsächlich keine anderen Gründe vorzuweisen hat als Stolz, Eitelkeit, Prinzipien oder (das ist mir ja am allerliebsten) „Tradition“. Nein, Freundinnen. Das geht so nicht. Ich persönlich würde sogar so weit gehen, meine Liebe zu jemandem vehement zu hinterfragen, der derart altbacken und frauenfeindlich argumentiert, der nicht in der Lage ist, sich vom eingemoderten Rollenbild zu lösen. Ist schwer, ich weiß.
Aber einer meiner Freundinnen konnte ich neulich leider trotzdem nichts anderes raten, als die Denke einfach mal umzukehren: „Bist du tatsächlich gewillt, einem Mann, der dir noch nicht einmal deinen Namen lassen will, so viel (von dir) zu geben?“ Seinen eigenen darf er ja auch behalten, so oder so (siehe oben). Nein, wer schon diesen Furz Freiheit nicht gutheißen und dessen Wichtigkeit kapieren kann, der muss vor dem großen Tag vielleicht erst nochmal ein wenig darüber sinnieren, was wahre Liebe denn überhaupt bedeutet. Kleiner Tipp: Unterdrückung ist es nicht.
Stickerei oben im Bild: Stitches of Anarchy