Was denkt und fühlt jemand, der seit Jahren in der Mode arbeitet über die eigene Branche, über Veränderungen, Neuanfänge, Vorurteile und Phänomene? In ihren „Freigeist Texten“ wird Dora, die eigentlich einen anderen Vornamen als die sagenumwobene Muse und Mademoiselle Maar trägt, fortan regelmäßig aus ihrem Leben berichten.
Phoebe Philo hat es also tatsächlich getan. Ist einfach ausgestiegen. Ohne sich zu erklären. Ohne die nächste Karrierestufe zu erklimmen. Oder überhaupt einen neuen Job anzunehmen. Zack und weg.
Auch wenn darüber gemunkelt wurde, der Zeitpunkt ist überraschend. Dass ein plötzlicher Ausstieg allerdings immer im Bereich des Möglichen lag, müsste allen klar gewesen sein, die den Lebensweg der Britin verfolgten. Bereits 2006 legte Sie einen ähnlichen Stunt hin, als Sie bei Chloé ausstieg und sich für zwei Jahre komplett ins Privatleben zurückzog.
Für sie war das Fashion Design zwar immer Selbsterfüllung, jedoch niemals Selbstaufgabe. Und auch den Posten bei Céline nahm sie erst an, als sie LVMH-Chef Bernard Arnault die Einrichtung eines Ateliers in Ihrer Heimatstadt London abgetrotzt hatte. Hand aufs Herz: Wer von uns hätte die Chuzpe gehabt, einem Mann wie Arnault die Stirn zu bieten? So etwas nennt man Haltung – gepaart mit viel Selbstbewusstsein. Schwierig zu finden, in Zeiten wie diesen – mit all ihren Selbstdarstellern, Speichelleckern und Opportunisten. So verkörperte Philo bereits früh den Prototyp dessen, wofür die Industrie heute zumindest vorgibt, Mode zu kreieren:
Emanzipierte, intelligente Frauen, die wissen was sie wollen (und was nicht!), dabei beruflich erfolgreich sind und keineswegs auf ein Privatleben verzichten wollen. Und wäre Philo nicht 2008 angetreten, um Céline neu auszurichten und mit ihrem minimalistischen Stil die Modewelt zu revolutionieren, vielleicht würde der High Fashion-Bereich noch immer in seiner opulent entrückten Luxus-Blase leben. Mit all seinen teuer geschmückten It-Girls aka Püppchen, sponsored by (Sugar) Daddy, mit einem Rückgrat aus Knetgummi, ohne den Drang, selbst etwas auf die frisch rasierten Beine zu stellen. Dass die moderne Frau da draußen inzwischen ganz anders tickt, völlig andere Bedürfnisse hat und nicht mehr nur als sexy Anhängsel von irgendjemandem begriffen werden will – genau das ist der Verdienst von Phoebe Philo.
Es geht in der Mode eben um mehr als nur den äußerlich perfekten Schein, sie sollte immer auch Spiegel gesellschaftlicher und somit politischer Entwicklungen sein. Und Feminität ist heute eben auch feministisch koloriert.
Da können die Top-Labels auch noch so viele Bloggerinnen aus Hintertupfingen zu Ihren Fashionshows einladen, um die neusten Kreationen in die Welt hinauszuschreien.
Es langweilt mich. Ich sehne mich nach Persönlichkeit. Nach Klasse. Nach Anderssein. Nach Authentizität.
Phoebe, ich werde Dich vermissen.