Ungefähr 70 Prozent unserer Erde werden von Wasser bedeckt und dieses Wasser wird, das wissen wir längst, zunehmend mit Müll verdreckt. In jedem Quadratkilometer etlicher Ozeane dümpeln hunderttausende Teile Plastikmüll umher, die von Fischen, Walen, Schildkröten oder Quallen, angelockt durch den vermeintlich herrlichen Duft, jedoch immer wieder für köstliches Plankton gehalten werden. Die Tiere verenden schließlich qualvoll, vollgestopft mit Flaschenresten und Handyüberbleibseln, verseucht von Weichmachern und Flammschutzmitteln, von unserem Abfall. Das niederländische Newcomer-Label Botter rückte diese schwerwiegende Umweltkatastrophe heute Morgen mit seinem Gastauftritt zum Auftakt der Fashion Week Berlin erneut in das Bewusstsein der Modebranche, die, auch das ist kein Geheimnis, viel häufiger hinsehen und zuhören sollte. Und so saßen wir also da, ganz vorn und gespannt, als das erste Model mit Plastikmüll verziert über den Laufsteg schritt.
Die mehrfach ausgezeichnete Kollektion „Fish or Fight“ zeigt, und das ist heute wichtiger denn je, dass Mode politisch sein kann, nein, muss. Aber auch, dass sie es vermag, Geschichten zu erzählen, die am Ende im besten Fall erst zum Denken anstiften und dann zum Handeln aufrufen. Rushemy Botter und Lisi Herrebrugh etwa berühren die, deren Blicke sich zwischen wunderschönen Unisex-Kleidern und provozierenden Abfallresten verlieren, in vielerlei Hinsicht, denn neben den Fischen, die verrecken, thematisieren sie auch den ständigen Kampf gegen die Diskriminierung all jener, die aus unterschiedlichsten Kulturkreisen stammend eine neue Heimat suchen. „Fish or Fight“ etwa ist zweifelsohne der karribischen Herkunft des Designerduos gewidmet und als Ode an die Kleidungskultur genau jener Inseln und Inselgruppen auf dem mittelamerikanischen Subkontinent gewidmet, die mitunter darauf ausgelegt ist, vor Vorurteilen und Entwürdigung zu schützen:
Und so wird aus „Shell“ eben ganz schnell „Hell“ – Weil Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen wie diese es einheimischen Familien durch das rigorose Zerstören von Ökosystemen unmöglich machen, weiterhin vom Fischfang zu überleben, auch in der Karibik. Botter wäre aber nicht Botter, hätten die beiden Designer nicht noch mehr Referenzen zwischen stoffgewordenen Geisteshaltungen und dem echten Leben zu ziehen, nämlich mithilfe ihrer neuesten Kollektion „Al Fombra“, die obendrein und ganz wie selbstverständlich rundum unisex daher kommt:
Ein Dank gilt an dieser Stelle übrigens dem Fashion Week Team von Mercedes-Benz, das die Show auf der MBFW im Rahmen des konzerneigenen Nachwuchsförderungsprogramms International Designer Exchange Program ermöglichte und das Label Botter, das während des 33rd International Festival of Fashion, Photography and Fashion Accessories in Hyères völlig verdient den Grand Prix du Jury Première Vision gewonnen hatte, erstmals hier bei uns präsentierte. Ich sage nur: Zusammen geht’s immer besser, liebes Europa.