Dass ich keine wahrhaftige Haar-Reise hinter mir habe, ist nach den letzten Afro Treats relativ eindeutig geworden: Sie durchlief Stationen von „etwas kürzer“, „deutlich länger“ über „kaputt“ und „raspelkurz“ bis hin zu „eindeutig wieder gesünder“ und „wachsend“. Mit einem kleinen bisschen Neid zu meinen glatthaarigen Freundinnen blickend, rasierte ich mir quasi im Alleingang den Schopf, während andere beim Spitzen-schneiden schon abwägen und rumdiskutieren. Zwar habe auch ich zwischendurch mal das Glätteisen hervorgekramt, bereute es allerdings keine zwei Stunden später mit schmerzenden Armen wieder.
Mein ganz persönlicher Endgegner war jedoch immer ein ganz anderer. Er war viel länger als mein natürliches Haar, viel aufwendiger als bloßes Abschnippeln und Teil vieler Gespräche über Natural Hair und kulturelle Aneignung: „Hattest du schon einmal….?“, „Warum machst du dir keine…?“, „Wovor hast du Angst?“. Wovon ich hier eigentlich spreche? Von künstlichen Braids. Vor zwei Wochen war es dann soweit und ich entschied mich schnurstracks, telefonisch den Termin auszumachen. Nach fünf Stunden waren Titi von Ebony & Ivory und ich am Ende – und nach drei weiteren Tagen war meine Wenigkeit um mindestens eine Erkenntnis reicher: Sich seinem Endgegner zu stellen, kann Wunder bewirken! Genauso, wie den vielen kritischen Nachfragen, die mit ihm auf dich warten.
Warum war ich eigentlich auf einmal mit einer so emotionalen Entscheidung konfrontiert? Klar, ich hatte lange gewartet und hin und her überlegt, mir mein Gesicht so oder so vorgestellt, doch am Ende siegte meistens die Angst. Und manchmal auch der Batzen Geld, der da auf einmal verschwindet, nach dem man es nicht gewohnt ist, für Friseurbesuche zu bezahlen. Vielleicht auch einfach die Befürchtung, in Zukunft noch mehr auf seine Haare angesprochen zu werden, als es ohnehin schon der Fall ist. Kurz vor dem Termin musste ich vom Rad steigen, um meine Aufregung zu kontrollieren, währenddessen konnte ich kaum still sitzen und wiederholte ständig Sätze in freudiger Erwartung auf meine neue Frisur.
Das erste Mal in meinem Leben ist mein Haar lang, die Zöpfe kitzeln mich am Rücken, hängen herunter und widersetzen sich nicht mehr der Schwerkraft. Gerade noch über weibliche Konventionen jammernd und reflektierend, erlebe ich das erste Mal eine vermeindlich feminin konnotierte Eigenschaft, die ich noch nie zu mir gehörte. Das war dann doch magisch. Genau wie das Gefühl, besagte Haare einfach wegzubinden und ganz weit oben auf dem Kopf zu tragen. Oder mal beherzt zuzubeißen in einen Zopf, in Gedanken mein ich, wenn man über der Hausarbeit grübelt. Das ging vorher nämlich ganz und gar nicht. Jetzt aber ist alles neu und furchtbar zauberhaft.
Den Afro möchte ich nicht missen, nicht dauerhaft zumindest, aber eine neue Welt hat sich mir eröffnet, die mir offenbart hat, wie viele Möglichkeiten es doch tatsächlich gibt. Das Ganze selbst zu erfahren statt nur darüber nachzudenken war befreiend schön. Genauso wie die praktischen Übungen, sich jeden Tag lustige Knoten, Tücher und Ringe in den Haaren zu zaubern. Was für ein Freude das ist!
Dass diese Veränderung etwas an mir und in mir eindeutiger macht, hätte ich am Ende allerdings rein gar nicht erwartet. Bei mixed Girls wie mir, ist das nämlich so eine Sache mit der Eindeutigkeit. Zu weiß, um schwarz zu sein, zu schwarz um weiß zu sein; das bleibt stets ein Teil meines Auftretens und meiner Identität, sowohl in der einen, als auch in der anderen Gruppe und das lerne ich noch immer zu akzeptieren. Da ploppen seit ein paar tagen Wörter wie Heritage oder Roots auf und die fühlen sich irgendwie besser an als früher. Vielleicht ja, weil Haare für mich dann immer ein ganz besonderer Knackpunkt waren, unterworfen oder diskreditiert durch westliche Standards meine ich, oder einfach als Abgrenzung vom Durchschnitt. Aber meine Haare mit so richtig tiefem Stolz, ganz hoch oben wie eine Krone zu tragen, das ist dann doch etwas ganz besonderes. Die Black Girl Crown eben noch einmal anders. Mit der Gewissheit, das eigene Haar nie wieder verstecken zu wollen.