Wir starten langsam in die neue Woche nach der Modewoche, sortieren uns und das Gesehene und holen auf, was besser nicht verpasst werden sollte. Zum Beispiel diese drei Fashion Week Highlights mitten aus Berlin:
William Fan
„Zen Garden“
Am Freitag Morgen präsentierte unser hoch verehrter WILLIAM FAN seine neue Spring/Summer 2019 Kollektion; als Setting diente eine Installation: Stoffsegel und Steinplatten symbolisierten ganz offenbar einen Weg, der schließlich in einer weißen Insel mündete: Dem Zen-Kreis, der wiederum gern als Sinnbild für den Ort der inneren Balance betrachtet wird. Es ist wie immer bei William, das Konzept sitzt und passt nicht nur zufällig zum herrschenden Zeitgeist, zu Geisteshaltung all jener, die sich jahrelang in Rastlosigkeit übten zum Beispiel und nun ankommen wollen, irgendwo, dort, wo Ruhe herrscht, zumindest hin und wieder. Oder noch besser: Sei sich selbst. Und so schickte der Berliner Designer nicht nur natürliche Materialien wie Leinen, Bast, Raffia oder Jute über die Wiese des Kronprinzenpalais, sondern stimmte, detailverliebt wie er bekanntlich ist, obendrein sämtliche Accessoires auf das punktgenaue Thema „Zen“ ab:
Tunnelzüge erinnern an Yogastunden im Morgengrauen, es gibt Taschen, in denen gewiss auch die dazugehörigen Matten Platz fänden, Sonnenhüte aus Leinen für Momente der Stille zwischen Betonbauten der Stadt und Schmuck, wie wir ihn am liebsten am Strand tragen würden. Wie fest William Fan außerdem schon jetzt mit beiden Beinen auf dem Fundament seiner eigenen Handschrift steht, bleibt nicht unentdeckt: Die ersten Looks erinnerten an die Kollektion aus der Saison davor: aus dem chinesischen Restaurant der FAN DYNASTY kommend, eröffneten dunkelblaue Looks die Show. In einem fließenden Übergang erhellte sich die Kollektion: Khaki-, Sand- und Natur-Töne folgten bis hin zu weißen, fließenden Kleidern als Finale. Und schon wieder: Der bewusst gewählte Aufbau der Farbwelten verkörpert ebenjenen Weg hin zur inneren Ruhe, zum Zen, das viele von uns so gut gebrauchen könnten.
Was wir uns besonders merken sollten:
Sommer-Anzüge und zierende Knöpfe, so groß wie die Steine, die wir als Kinder haben über den See springen lassen.
Gegen die Monotonie und trotzdem harmonisch: Schulterriemen, der mehr Schmuck als bloß funktionale Helfer sind.
Sonnenhüte wie Fischerhüte, aus Leinen.
Der Tunnelzug ist zurück, diesmal aber wirklich und zwar minus Shakira-Attitüde.
Noch ein Beweis: Tunnelzug kann hübsch aussehen. Und bitte, wir brauchen mehr Schmuck aus Bambus.
Außerdem endlos lange Trompeten-Ärmel.
Und Jumpsuits, die so tun als seien sie Kleider aus längst vergessen Zeiten oder fernen Ländern.
Die gesamte Kollektion:
Odeeh – „Endless Vacation“
Ach Odeeh, du wunderschöne Rose der deutschen Modewelt. Bei jedem Defilée des Designer Duos bestehend aus Otto Drögsler und Jörg Ehrlich kann ich nur dasitzen und staunen und träumen und schwärmen. Auch diesmal wieder. Noch bevor überhaupt ein einziges Model den Rasen beschritten hatte, wurde Mein Herz bereits erweicht, und zwar von den mondänsten Campingstühlen, die man vermutlich je zu Gesicht bekam.
Passend zum Kollektionstitel „Permanent Vacation“ verkörperten schließlich auch die später darauf Platz findenden Kleiderkreationen diesen Traum vom ewigen Urlaub, nach dem wir vermutlich alle lechzen. Um eine extrem vornehme Reise handelte es sich hierbei jedoch wohlgemerkt, versinnbildlicht durch prächtige Muster, Schärpen, viel Volumen und dieses besondere Odeeh-Layering, das nicht selten aus einem Coppola Film hätte stammen können. Und dann waren da noch Reminiszenzen an Gio Pontis Drucke aus den 50er Jahren zu erkennen, ein wenig Hawaii und eben das, was passiert, wenn Holiday-Laissez-Faire auf eine gewisse Vornehmheit trifft. Denn so richtig würden Jörg und Otto die Contenance natürlich nie verlieren – trotz Liegestühlen und Urlaub forever.
Was wir uns unbedingt merken sollten:
Utility Kordeln als Gürtel, direkt vom Berg rein in den Hosenbund.
Jetzt aber bitte wirklich: A-Linien-Kleider über Hosen tragen.
Und viel mehr Sandalen wie diese! Plus: Tücher vom Hals runter zum Knöchel verfrachten.
Blusen über Blusen stülpen.
Blusen unter Kleider stopfen.
Genau, hier nochmal.
Und außerdem die Kopfbedeckung nicht vergessen.
Die gesamte Kollektion:
Hugo – „Mixmasters“
Hugo. Nicht Boss oder Hugo Boss, nein Hugo. Die jüngere Linie des schwäbischen Unternehmens hat mich mit seiner gerade in Berlin präsentierten Kollektion „Mixmasters“ so dermaßen um den Finger gewickelt, dass ihr an dieser Stelle wohl kaum Objektivität erwarten könnt, so viel Ehrlichkeit muss sein. Es fing alles mit der Wahl der Location an, dem Motorwerk, das als Mutter des Techno gilt, wenn man so will. Gut, als eine der vielen Mütter, aber dennoch, die baumhohen Decken, die Flutlichter, die Models, alles. Alles stimmte. Hätte man jetzt noch auf mehr Diversität hinsichtlich der gezeigten Körper geachtet, wäre die Sache so rund gewesen, dass ich es nicht hätte fassen können.
Nun kann ich es aufgrund der fehlenden Rundungen aber ja doch noch halbwegs fassen und deshalb bleibe ich immerhin nachhaltig beeindruckt vom Zerschmettern sämtlicher Gendergrenzen, das zu gleichen Teilen durch die präsentierte Kleidung wie durch die Menschen, die ebenjene über den Laufsteg trugen, passierte. Als Zuschauerin wollte man bei den Männern mopsen, dann wieder trugen genau diese Männer Kleidung, die neuerdings als unisex bezeichnet werden darf und wieder ein anderes Mal sah man überhaupt kein Geschlecht mehr, sondern nur noch den Menschen und das war das Beste überhaupt. Hätte nach Abklingen des modischen Spektakels nicht urplötzlich Wiz Khalifa auf der Bühne gestanden und vom Exzess gerappt. Vom Jungsein und Fallenlassen und dem wilden Leben, das manchmal eben sein muss. Dass das sogar bei einem Traditionslabel wie diesem hier, das wir allzu lange ausschließlich mit Büromode assoziierten, angekommen ist, trieb mir fast Tränen in die Augen. Gut gemacht, ihr alle. Und Chapeau zum neuen Mut, den es in dieser Branche nunmal bedarf, um ein für alle Mal zu zeigen, dass wir alle exakt das sind: Menschen, die manchmal einfach frei sein wollen und müssen.
Was wir uns merken sollten:
Funktionskleidung. Und zwar zu jedem auch nur nur erdenklichen Anlass.
Vor allem Windbreaker machen mit Bluse darunter einiges her, wer hätte das gedacht.
Ich sagte es bereits: Die Radlerhose ist zurück!
Ach, und Ugly Sneaker dürfen meinetwegen auch gern bleiben, am liebsten zu Kleidern, die das komplette Gegenteil verkörpern:
Beim Freund klauen. Oder beim Bruder. Oder dem Besten Freund. Und bloß nicht mehr krempeln!
Genau so. Funktioniert für alle Geschlechter, inklusive Fischerhut.