Wir haben 5 Frauen gefragt: Wie genau nehmen wir es mit Female Empowerment wirklich?

Female, bzw. Women Empowerment wird derzeit gefühlt überall besprochen – aber wie können aus Worten noch viel häufiger Taten werden, und: Stecken wir vielleicht selbst noch allzu häufig fest in alten Mustern? Genau das haben diese Woche versucht herauszufinden – in unserer neuesten Ausgabe „5 Frauen“:

Eva, 30

Für mich ist die Female Empowerment Bewegung nicht nur auf politischer Ebene wichtig, sondern auch für mich persönlich, für meine Entwicklung als Mensch. Bevor dieses Thema zumindest in meinem Umkreis so omnipräsent wurde, hätte ich in der Theorie zwar immer behauptet, andere Frauen zu unterstützen, in der Praxis habe ich aber oft das Gegenteil praktiziert. Es war plötzlich als würde man mir einen Spiegel vorhalten. Gehe ich nicht selbst viel zu scharf mit anderen Frauen ins Gericht? Warum fällt es mir so schwer, zu gönnen? Woher rührt diese konstante Skepsis gegenüber anderen Frauen? Ich glaube, an solchen Beobachtungen sind vor allem eigenen Unsicherheiten Schuld, denn wer sich seiner Position sicher ist, kann viel offener auf andere zugehen. Es mag fürchterlich klingen und das ist es auch, aber es gab sogar eine Zeit, in der ich im ersten Moment automatisch eine Abwehrhaltung gegenüber neuen Partnerinnen im Freundeskreis entwickelt habe. Gegenüber „der Neuen“. Und je toller ich sie fand, desto negativer habe ich mich bei meinem eigenen Partner über sie geäußert und jedes Haar in der Suppe ausfindig gemacht – womöglich aus Angst, die anderen und auch mein Freund könnten sie viel großartiger finden als mich. Und das ist glaube ich genau der Punkt, der mich an der ganzen Sache so saumäßig sauer macht, vor allem auf mich selbst: Viele Kämpfe unter Frauen scheinen noch immer für oder wegen der Männer ausgetragen zu werden. Wenn sie uns nicht zuschauen würden, wären wir dann tatsächlicher viel sanfter im Umgang miteinander? Grässlich wäre das und ist das, jedenfalls manchmal. Wenn wir ganz ehrlich zu uns sind, oder? Ich denke, die meisten von uns kennen solche miesen Gefühle. Deshalb sollten wir uns aktiv gegen sie entscheiden. Und statt andere doof zu finden, viel lieber zu uns selbst sein. Female Empowerment hat seinen Ursprung nämlich vor allem im Self-Empowerment. Wenn wir es damit etwas ernster nehmen, klappt der Rest vielleicht auch irgendwann wie geschmiert. 

Mia, 27

Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass dieses Thema endlich auf dem Tisch der Öffentlichkeit gelandet ist. Damit wir Frauen untereinander auch viel mehr darüber reden. Nicht zuletzt, weil ich ein Buch darüber schreiben könnte, in welchen Momenten ich mir selbst mehr Support untereinander gewünscht hätte, ganz besonders im kreativen Universitäts- und Arbeitsumfeld. Statt aufmerksam voneinander zu lernen, gab es unter uns Frauen im Studium mehr eine heimliche Konkurrenzebene. Natürlich hat niemand darüber geredet und brav weiter gelächelt, aber wenn es wirklich um etwas ging, haben wir uns gegenseitig nur ungern an unseren Ideen teilhaben lassen, aus der Sorge heraus, jemand könnte uns ein Stückchen von unserem eigenen Kuchen wegnehmen. Ich muss mich da ganz klar auch selbst ins Visier nehmen. Nein, mich für andere Frauen zu freuen, das fiel mir gar nicht so leicht. Komisch eigentlich und so richtig bewusst wird mir das erst in der Retrospektive. Ich vermute, die Sache mit dem Kuchen und dem Teilen ist wohl einer größten Knackpunkte. Meine alte Chefin kann wohl ein Lied davon singen. Was hat sie kämpfen müssen für ihre Rolle und dafür, auch Respekt vonseiten unserer männlichen Kollegen einzuheimsen. Bloß hatte ich irgendwann das Gefühl, dass sie mehr und mehr gefangen war in dieser Rolle der starken Führungspersönlichkeit, die funktionieren und autoritär sein muss, um ernst genommen zu werden. Als Frau in dieser Position. Auch sie selbst erwähnte irgendwann einmal,  dass sie exakt deshalb mitunter Verhaltens- und Denkweisen angenommen hätte, die ihr eigentlich widersprächen. Aus einer emphatischen Kollegin ist eine überaus garstige Vorgesetzte geworden, die sich tatsächlich schwer darin tat, uns Kolleginnen zu fördern. Ich bin dann in ein anders Unternehmen gewechselt. Hier herrscht ein ganz anderer Ton. Meine Chefin ist eine starke Persönlichkeit, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt, aber gern auch die anderen mit Belag versorgt, wenn ihr versteht. Es geht also auch anders. Und natürlich sind auch männliche Chefs oft ätzend. Aber wir Frauen sollten untereinander doch ganz besonders arg darauf achten, uns mit allen erdenklichen Mitteln zu unterstützen. Und keine Angst zu haben vor den anderen. Sondern dankbar dafür zu sein, dass es sie gibt. Damit Frauen überall viel sichtbarer werden.

Luisa, 35

Für mich war Female Empowerment immer ein ganz natürlicher Teil meines Daseins und manchmal begreife ich nicht, weshalb wir so vehement dafür einstehen müssen, noch immer. Ehrlich gesagt bin ich manchmal fast ein bisschen peinlich berührt von der ganzen Diskussion. Würden Männer sie führen? Ich bezweifle das. Sie würden es immerhin anders tun und aus anderen Gründen. Was also ist das Problem? Wie kann es sein, dass es immer noch besonderer Erwähnung bedarf, wenn Frauen zusammen halten? So sehr ich mich auch dagegen wehre, so sehr weiß ich aber auch, dass das Bedürfnis danach groß ist. Und die Angelegenheit wichtig. Wenn auch nicht für mich, aber für andere. In meinem eigenen Umfeld gibt es solche Missstände nicht, da unterstützt man sich ganz unabhängig vom Geschlecht. Wenn ich aber meine Heimat besuche, fällt mir auf, wie grausam Frauen untereinander sein können und wie sehr sich permanent beäugen und beurteilen. Da wird in engsten Kreisen darüber sinniert, wie jemand sich als Mutter schlägt (und überhaupt: Mamas, seid lieb zu einander!). Darüber, ob jemand dieses oder jenes verdient hat. Ein Café-Besuch gleicht hin und wieder auch einer Sozialstudie. Es vergeht ja keine Stunde, indem nicht der Körper oder die Kleidung einer anderen Frau besprochen wird – aber nicht auf die positive Art und Weise. Tendenziell sind „andere“ eher „irgendwie daneben“. Wann ist damit endlich mal Schluss? Besser wäre es sich zu fragen, welchen Ursprung diese Gedanken wirklich haben. Oft findet man die Antwort nämlich bei sich selbst. Es gibt kein „Unvorteilhaft“ oder „Hässlich“, sollte es jedenfalls nicht. Auch solche Aussagen sind oft bloße Automatismen. Aber nicht immer: Sich selbst besser fühlen, weil andere schwächer sind – ein schrecklicher Charakterzug, der noch allzu gängig zu sein scheint. Wann habt ihr das letzte Mal andere Frauen supportet? Viel zu lange her? Dann bitte sehr, fangt sofort damit an. Am Ende lacht sich sonst nämlich nur das Patriarchat ins Fäustchen.

Zeynep, 30

Female Empowerment wird oft falsch verstanden. Es geht nicht darum, Männern den Garaus zu machen, es geht darum, in einer Gesellschaft anzukommen, in der Sozialisation, Erziehung und unterschiedlichste Strukturen sowie krude Machtverhältnisse nicht weiterhin dazu führen dürfen, dass wir Frauen aus einem Gefühl des Unbehagens oder der Sorge heraus anderen Frauen nur zaghaft mit  Stolz und Engagement gegenüber treten. Oder dass wir uns dieses und jenes nicht zutrauen, weil da stets wer ist, der uns das Gefühl gibt, nicht genug oder nicht geeignet zu sein, einzig deshalb, weil wir eine Vagina haben. Dass wir untergebuttert oder nicht für voll genommen werden. Denn das passiert noch immer! In anderen Kulturen und Ländern, eben eben auch hier. Es geht um ein neues Gefühl des Selbstbewusstseins, im Arbeitsumfeld, aber auch im Privaten. Darum, alles nur Erdenkliche möglich zu machen, damit jede von uns gleichberechtigte Möglichkeiten erfährt um Träume und Ziele verfolgen zu können – auch solche, die noch vor zwanzig oder vielleicht sogar zehn Jahren undenkbar schienen. Es geht aber auch darum, Ängste zu überwinden. Dafür braucht es natürlich nicht nur die Unterstützung untereinander, sondern auch die der Männer, die sich bewusst darüber sein sollten, dass Female Empowerment auch sie betrifft. Dass dieses Konzept auch ihr eigenes Leben schöner macht, selbst wenn das bedeutet, Macht abzugeben. Ich würde aber niemals behaupten, dass wir deshalb nett zu allen Frauen dieser Welt sein sollten. Es gibt auch Frauen, die Arschlöcher sind, das steht ja außer Frage. Bloß müssen wir an einem Punkt ankommen, an dem wir sagen können: Ich habe einen tollen Chef, der mich fördert, aber ich hatte auch mal eine schreckliche Chefin, die mich ständig unterjocht hat. Wenn es im Anschluss an diese Aussagen irgendwann nicht mehr um Männlichkeit und Weiblichkeit geht, sondern nur noch um den Menschen dahinter, dann haben wir es vielleicht geschafft. 

Jessica, 25

Da ich mich in einem sehr weiblich geprägten Arbeitsumfeld bewege, ist mir das Thema Female Empowerment auf privater Ebene vielleicht noch ein bisschen wichtiger als auf wirtschaftlicher und politischer – obgleich struktuelle Gewalt in Hinsicht auf Chancengleichheit und Gleichberechtigung grundsätzlich natürlich im Fokus der Diskussion bleiben muss. Wir können uns aber auch im Kleinen stark machen, jeden Tag. Indem wir uns immer wieder daran erinnern, unseren Freundinnen Hilfe anzubieten, aber auch Hilfe einzufordern und anzunehmen. Indem wir die Frauen, die wir schätzen, in ihrem Sein bestärken, ganz gleich ob da nun eine Mama oder eine Karrierenudel oder eine, die beides schafft, vor uns sitzt. Mir ist es wichtig, zu zeigen, dass wir in all unserer Individualität wunderbar sind. Mit unseren Körpern und Gedanken und dem, was uns wichtig ist. Mitsamt unserer Gefühle! Dass es ok ist, zu scheitern, aber auch zu gewinnen. Dass wir mehr Emotionen und Ehrlichkeit, mehr Sorgen, aber auch Erfolge miteinander teilen müssen. Dass wir füreinander da sein sollten, uns füreinander freuen können müssen, und uns auffangen oder unterstützen. Genau das fällt vielen Frauen aber noch immer schwer. Die meisten von uns haben es ja nicht anders beigebracht bekommen. In der Schule musst du hübsch sein für die Jungs, dann musst du vor deinen Professoren beweisen, dass dein Hirn nicht kleiner ist als das deiner männlichen Kommilitonen, auf Parties geht es um Aufmerksamkeit, in Hollywood um Oberflächlichkeiten und Konkurrenz. Wir müssen also viel lernen, aber auch einiges verlernen. Zum Beispiel müssen wir uns von dem Grundtenor verabschieden, dass andere Frauen potentiell eine Gefahr darstellen. Nein, das sind Verbündete. Überall! Das sind welche, die wissen, wie wir uns fühlen! Und das sollte es doch eigentlich eher leichter machen, aufeinander zu gehen. Auf die Arbeitskollegin, die neue Partnerin des Kumpels, auf die Frau, die an der Ampel steht und ein schönes Kleid trägt. Ja, auch das gehört dazu. Komplimente! Statt Abwertungen. Und Empathie. Haltet zusammen, statt euch runter zu putzen. Und putzt euch selbst nicht runter – das wohl tatsächlich Regel #1, die macht, dass alles andere leichter fällt. 

Protokolle: Nike van Dinther
Bild im Header: Ganni „Angels“ Kollektion

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2 Kommentare

  1. Elena

    Ihr Lieben, ich finde es schön, die unterschiedlichen Meinungen zum Empowerment zu lesen und bin auch ganz klar dafür, dass da noch Luft nach oben ist und es miteinander sowieso immer schöner ist. Was ich jedoch leider auch einige Male erlebt habe, sind Frauen, die mir erzählt haben, wie wichtig doch Female Empowerment ist und im selben Moment versuchten, mich auszunutzen – auf beruflicher Ebene. Dann wurde immer wieder beläufig gefragt, welche Ideen ich denn hätte, wie ich das machen würde und ob ich nicht ein paar Kontakte weitergeben könnte. Sie würden schließlich auch alles teilen, wenn man sie fragt. Anfangs habe ich das noch gemacht, weil ich prinzipiell kein Problem damit habe, etwas zu teilen. Sharing is caring! Allerdings habe ich dann schnell gemerkt, dass diese Hilfe sehr einseitig war und bei eigenen Fragen leider nichts zurückkam. Man sollte also trotz all dem Empowerment manchmal auch ein Fünkchen kritisch sein und mal horchen, ob es hier wirklich um gegenseitige Unterstützung geht.
    Aber, um zurück zum Anfang zu kommen, ich will natürlich nichts verteufeln oder irgendwie Negativität in Umlauf bringen. An sich finde ich es wirklich schön zu sehen, wo Female Empowerment im Leben möglich ist. Angefangen beim Hochtragen des Kinderwagens an der U-Bahn-Treppe bis hin zu weitgreifenden Bereichen wie dem Beruf.

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  2. Juli

    Hi, ich sehe es ganz genauso wie Luisa. Ich verstehe manchmal nicht, warum Female Empowerment noch immer soviel Raum einnimmt in unserer Gesellschaft. Für mich stellt sich diese Thematik gar nicht, da es ebenfalls wie bei Luisa ein natürlicher Teil meiner Person und meines Umfeldes ist. Wenn ich z.B. auf meine berufliche Laufbahn zurückblicke, musste ich tatsächlich oft mich für mich kämpfen und für mich einstehen, aber das ordne ich eher dem Erwerben meiner persönlichen Entwicklung in Kenntnissen und Fähigkeiten zu, als mich als Frau beweisen zu müssen. Auch denke ich über mich, das ich dieser Diskussion in meinem Verständnis voraus bin. So lebe ich nach dem Motto „Leben und Leben lassen“ und konnte bis dato alles tun wonach mir der Sinn stand und gestehe das auch jedem anderen zu. Eben jeder ganz nach seinem Gusto. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich mich z.B. nicht in bestimmten Situationen befinde, in denen es Empowerment zwingend benötigt, denken wir da nur an die Debatte der männerdominierenden Vorstände in Deutschland. Daher kann ich verstehen, dass es dieser Diskussion bedarf und das diese auch weiterhin zwingend notwendig ist, bis wir in der Gesellschaft wirklich da sind, wo ich für mich schon längst angekommen bin. (und das Kommentar ist nur an der Oberfläche dieser Thematik gekratzt:))

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