Eine kleine feine Leseleiste zum Wochenende, die gerne im Kommentarfeld ergänzt werden darf. Damit uns weder Lehrreiches und Amüsantes, noch Wichtiges entgeht:
Wie Voyuerismus salonfähig wurde
„In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, wie viel von meinem Leben die Leute da draußen eigentlich angeht. Ich habe gut 19 000 Instagram-Follower. Müssen 19 000 Menschen wirklich wissen, wie ich meinen Sonntagnachmittag verbringe? Eigentlich nicht. Die Frage, was ich von dem Leben meiner Mitmenschen teile, habe ich lange Zeit allerdings noch viel unsensibler gehandhabt. Ich postete, was ich sah und lustig fand, zum Beispiel meine Mutter beim Singen im Auto. Meine Follower fanden meine Mutter lustig. Meine Mutter fand das nicht lustig. Jedes Mal, wenn ich jetzt ein Foto von ihr mache, kommt die Warnung: „Wehe, du tust das auf Instagram!“ Die Jagd nach „Content“ hat mittlerweile Ausmaße angenommen, die mich selbst schockieren. Neulich hat mich eine Freundin dabei gefilmt, wie ich mich über irgendetwas aufregte, und das Video auf Instagram gestellt. Sie fand meine Aufregung witzig. Ich war entsetzt.“ Danke, C’est Clairette – für diesen schönen Text.
#MeTwo-Berichte zu Rassismus
„Wenn dich Menschen auf der Straße angewidert anschauen und empört den Kopf schütteln. Einfach, weil du existierst. #metwo Wenn in den Ferien auf der Alm neben dir Leute den Satz sagen: „Jetzt trinkt das Vieh auch noch“ und du siehst nach den Kühen. Aber keine von denen trinkt. Dann schaust du auf deine CapriSonne und dir fällt ein, dass du eben einen Schluck genommen hast. Als du dich zu den Leuten umdrehst und ihre Blicke siehst, wird dir klar: Sie reden von dir. Du bist 10 Jahre alt. #metwo Wenn deine Schwester zur Schwangerenvorsorge geht, nach ihrer eigenen Herkunft und der des Kindsvaters ausgefragt wird und dann gesagt wird: „Na hoffentlich wird es kein kleines Äffchen.“ #metwo“ Hier weiterlesen.
Mamasein – Verabredungen als Running Gag
„Vor der Kita-Tür schreibe ich einem Kollegen eine kurze Nachricht, der gerade einen Text von mir redigiert. Ich bin nicht mehr dazu gekommen, auf seine Kommentare zu reagieren. Währenddessen jammert mein Kind neben mir nach Eis. „Wann gehen wir endlich los?“ „Gleich“, sage ich. Ich kann nicht zählen, wie oft am Tag ich „gleich“ oder „sofort“ zu meinem Kind sage – und in den seltensten Fällen bin ich ehrlich damit. Meistens wird aus gleich oder sofort ein später. Ich finde mich dabei selbst sehr ätzend. Neben uns steht eine andere Kita-Mutter mit Kind an ihrem Fahrrad und bekommt das Schloss nicht auf. Wir versuchen seit Anfang des Sommers, uns zu verabreden. Jetzt verfärben sich langsam die Blätter an den Bäumen. Ich mag diese Frau wirklich gern, es ist mir unangenehm, dass wir es bis jetzt nicht geschafft haben. Ich überlege kurz wegzuschauen, schaue dann aber doch hin. „Es tut mir leid, ich schaffe gerade gar nichts, außer überleben“, sage ich.“ Hier entlang!
Lebensmittelverschwendung – Essen, nicht wegwerfen!
Berge von Lebensmitteln werden weggeschmissen. Es ist an der Zeit, den Wahnsinn zu beenden. Helfen kann ausgerechnet die schlechte Ernte. „In Deutschland wirft jeder Einwohner pro Jahr im Schnitt 55 Kilo Lebensmittel weg. Die Herstellung bedeute Emissionen und koste viel Wasser, „allein 820 Liter, bis ein Kilo Äpfel geerntet ist“, sagt die Ministerin. Dann fordert sie mehr Wertschätzung für Lebensmittel, „unsere Mittel zum Leben“, wie Klöckner sie nennt. Es ist ein Appell, der sich vor allem an die Verbraucher richtet. Die sollen genießbare Zutaten lieber verwerten, statt sie wegzuwerfen.“ Hier entlang!
Sorry, aber mein Job braucht mich mehr als meine Familie und meine Freunde!
„Ich mach hier nur noch schnell was fertig, dann komm ich nach Hause.“ Ich schaue auf mein Handy, es ist kurz vor 22 Uhr. Es ist dieser eine Satz, bei dem man weiß: Das wird heute nichts mehr. Er kommt von ihm, er kommt von mir, er kommt von meinen Freund*innen und er kommt, so verlässlich wie das Amen in der Kirche, mehrmals die Woche. Es ist der Satz, der Abende unter der Woche ebenso zerstückelt wie die Samstage auf der Couch, oder die Runde des Stammtischs, den wir doch genau deshalb ins Leben gerufen haben, damit wir uns endlich mal wieder alle sehen. Und zwar regelmäßig. Aber irgendwer hat immer eine Präsentation zu machen, einen „Call“ vor sich, ein wichtiges Meeting am nächsten Tag, das vorbereitet werden muss – es gibt immer was zu tun. Und sei es nur, irgendwie nicht kaputtzugehen, weil Schlaf und Ausgleich immer wieder auf morgen vertagt werden.“ Preach, liebe Silvia Follmann.
Immer am falschen Ufer
„Eigentlich müsste Bisexualität momentan als die zeitgeistgemäße sexuelle Orientierung schlechthin gefeiert werden: fluide, flexibel, grenzen-auflösend und schubladensprengend. Begehren unabhängig von Geschlecht! Liebe von allen, für alle, mit allen! Supernice eigentlich. Tatsächlich mehren sich bisexuelle Outings von Popstars und anderen Promis in der letzten Zeit. Im unglamourösen Alltag ist Bisexualität aber weiterhin alles andere als ein catchy Image.“ Weiterlesen bei Libertine.
Schlampen und andere Fabelwesen
„Schlampe, Bitch, Hure, Nutte, Flittchen, Luder. Die Liste der Schimpfwörter mit sexualisiertem Kontext, die sich gegen Frauen* richten, ist lang. Was ich daran spannend finde? Wir reden dauernd über Schlampen – und dabei gibt es diese eigentlich gar nicht.“ Hier weiterlesen.
Es reicht nicht, eine Frau zu sein
Ausnahmsweise teile ich einen Artikel, der mich fast wütend gemacht hat. Ich kann ihn zwar inhaltlich nachfühlen, empfinde ihn aber vorwiegend als unangenehm einseitig und die eigenen Privilegien vergessend, als rückschrittlich und nicht zu Ende gedacht. Schade, das hätte am Ende noch groß werden können, denn ich bin mir fast sicher, dass wir im Grunde gar nicht so verschieden. Oder doch? Auch gut. Wir leben ja glücklicherweise (noch) in einer Demokratie:
„Feministische Texte, Frauenblogs, YouTube-Kanäle, Magazinartikel stehen uns rund um die Uhr zur Verfügung, damit wir Frauen uns „stärken“, damit wir die Welt in der neuen, metaweinsteingate-geprägten Ära besser verstehen können. Und in dieser Welt fragt eine Blogautorin allen Ernstes: „Wie nenne ich meine Periode?“, eine andere teilt mir mit, was ich machen muss, wenn mein Partner mich nicht zum Orgasmus bringt: Es mir selbst machen. Danke. Über den Charakter einer Frau gibt es natürlich auch Bemerkenswertes zu berichten: Sie sei einfach zu emphatisch, zu verletzlich, weil ihr Herz für alles offen sei. Und wenn ich – in baldiger Zukunft – Fragen zum Stillen habe, kann ich auf die Erfahrung einer Autorin zurückgreifen, die als stillende Mutter „zum Volkseigentum“ geworden sei, wie sie in einer Zeitschrift schreibt.(…)“
„Falsche Feinde“: Mirna Funk über die Freundschaft zwischen Israelis und Palästinensern
„Ja eben, Mann. Mirna, so gut dass du hier bist. Du hast mir den Tag gerettet. Isso. Wirklich. Gestern hatte ich gerade einen im Auto. Der wollte wissen, woher ich komme, und ich dann so: ‚Deutschland‘ – weil, ich bin ja hier geboren, und er so, naja, nee, woher wirklich. Und ich so. ‚Libanon, aber ich bin Palästinenser‘. Und er dann voll den Film geschoben. Ah, was die Juden da mit euch machen, das ist Holocaust. Und ich so: ‚hä?'“ – Hier entlang geht es zum großartigen Text von Mirna Funk.
Der Kapitalismus ist entzaubert und bringt uns das größte Faschismusproblem seit den Dreißigern
Was im Herbst 2008 an der Wall Street geschah, hatten die allermeisten Menschen bis dahin für unmöglich gehalten, schließlich hatte man ihnen jahrelang weisgemacht, dass etwas Derartiges schlichtweg nicht passieren könnte. Es war, als ob man dabei zuguckt, wie die Sonne, kurz nachdem sie am Horizont aufgeht, komplett aus ihrer Bahn trudelt und abstürzt. Die Menschheit sah fassungslos zu. (…) Was im Herbst 2008 an der Wall Street geschah, hatten die allermeisten Menschen bis dahin für unmöglich gehalten, schließlich hatte man ihnen jahrelang weisgemacht, dass etwas Derartiges schlichtweg nicht passieren könnte. Es war, als ob man dabei zuguckt, wie die Sonne, kurz nachdem sie am Horizont aufgeht, komplett aus ihrer Bahn trudelt und abstürzt. Die Menschheit sah fassungslos zu. (…) Überrascht es da, dass Rassismus und geopolitische Spannungen in aller Welt überhandnehmen? War es nicht unvermeidlich, wie manche bereits seit 2008 warnten, dass eine nationalistische Internationale an Zustimmung gewinnen würde? Dass ihre xenophoben Parolen an die Macht gelangen würden, im Weißen Haus, in Italien, Österreich, Polen, Ungarn, in den Niederlanden und vielleicht bald auch in Deutschland, sobald Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Seite geräumt worden ist? Den gesamten Text lest ihr hier.
Auch Frauen können sexistisch sein – wir sollten es nur nicht so nennen
„Funktioniert Sexismus also in beide Richtungen? Laura Chlebos, die an der Ruhr-Universität Bochum im Bereich Gender Studies arbeitet und eine Kampagne gegen sexualisierte Gewalt auf dem Campus konzipiert, widerspricht. Sie sagt: „Sexismus ist Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Eine solche Diskriminierung geht immer auch einher mit einem Machtvorteil. Und den haben in unserer Gesellschaft nun mal immer noch Männer.“ Auch der Duden definiert Sexismus vor allem männlich besetzt: als die „Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die [daher für gerechtfertigt gehaltene] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts“.“ Hier weiterlesen.
Ehe für alle: Mindestens 10.000 Schwule und Lesben haben geheiratet
Im ersten Jahr nach Einführung der Ehe für alle haben Tausende Schwule und Lesben in Deutschland geheiratet. Mindestens 10.000 gleichgeschlechtliche Ehen wurden seit dem 1. Oktober 2017 geschlossen, wie eine bundesweite Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Standesämtern ergab. Detaillierte bundesweite Zahlen werden vom Statistischen Bundesamt bisher nicht erhoben. Seit der Gesetzesänderung können Schwule und Lesben genau wie heterosexuelle Paare heiraten. „Die Ehe für alle war ein wichtiger Schritt für ein gerechteres und offeneres Deutschland“, sagte Markus Ulrich, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), anlässlich des einjährigen Jubiläums. Probleme sieht der LSVD allerdings weiterhin bei der Anerkennung von Familienkonstellationen etwa bei lesbischen Paaren, bei denen eine Partnerin ein Kind bekommt.“ Hier weiterlesen.
Früher war es ganz bestimmt nicht besser
„it unserem Gedächtnis ist das so eine Sache. Wie war der Sommerurlaub? Natürlich super. Die Sonne schien, die Kinder waren glücklich, das Essen schmeckte – lauter schöne Erinnerungen. Dass es zwischendurch auch regnete, die Kinder quengelten und man eine Nacht mit Bauchkrämpfen auf der Campingplatztoilette verbrachte: längst vergessen. „Rosige Retrospektion“ nennen Psychologen diese Tendenz, die Vergangenheit durch die rosarote Brille zu sehen. Sie gehört in die lange Liste kognitiver Verzerrungen, die unsere Wahrnehmung, unser Denken und eben auch unsere Erinnerung systematisch verfälschen. Zahlreiche Studien zeigen: Gerade im Rückblick machen wir uns die Welt nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip: wie sie uns gefällt.“ Hier entlang.
Missbrauch in der Katholischen Kirche – Valium fürs Volk
Die katholische Kirche hat in Fulda ihren Missbrauchsbericht vorgestellt. Es ist ein 365 Seiten langes Zahlenwerk, das Aufschluss geben soll über Strukturen, die sexuelle Übergriffe auf Minderjährige in der Kirche befeuern. Die Ergebnisse zeigen: Alles, was man schon immer über sexuell übergriffige Priester gehört oder geahnt hat, ist in großen Teilen wahr. Sie planen perfide ihre Taten, nutzen ihre Machtposition aus, sie locken, drohen und schaffen es bei Entdeckung sogar noch, sich selbst zu bemitleiden und die Opfer zu diskreditieren. Weiterlesen.
Kavanaugh Anhörung – männlich, aggressiv, unantastbar
„Wäre Brett Kavanaugh eine Frau, dann hätte er sich bei am Donnerstag schon in den allerersten Momenten seiner Anhörung für das Oberste Gericht disqualifiziert. „Hysterisch“, „schrill“ und „emotional“ hätte der Chor jener befunden, die ihm jetzt zu Füßen liegen. Aber Kavanaugh ist ein Mann. Und er gehört zu einer weißen Washingtoner Elite, die ihre Privilegien und ihr Geld, ihre Seilschaften, Privatschulen und Machtpositionen für gottgegeben hält. Und er hat die Rückendeckung von Donald Trump, der in dem konservativen Richterkandidaten Kavanaugh die Möglichkeit sieht, seine eigenen politischen Ziele in das Oberste Gericht zu tragen.“ Bei der TAZ erschien dieser richtige Kommentar, hier könnt ihr die Fakten zur Verhandlung und der großartigen und starken Dr. Christine Basley Ford nachlesen.