Wie ich herausfand, dass es gesund ist, überhaupt keine Lust auf den Jahresanfang zu haben.

10.01.2019 box2, Kolumne, Leben

Vorsätze sind, wenn man denn überhaupt welche hat, etwas Feines. Weil sie motivieren, aber vor allem, weil man sie hemmungslos vergessen und brechen darf. Ich zum Beispiel habe mir zum Ende des Jahres fest vorgenommen, mein gnadenloses Motivationstief, das mich ehrlich gesagt schon seit Oktober begleitete und schließlich in einer Google-Suche mit dem Titel „Habe ich Anspruch auf Frührente?“ gipfelte, in den Griff zu kriegen. Erstmal Faulsein, dachte ich mir deshalb, am besten in den Bergen. Also los. Handy weg, Bürste weg, Alltag weg, Zweifel weg. Die beste Idee seit Langem, würde ich behaupten. Wie gelöst ich plötzlich war, merkte ich spätestens, als ich eines verschneiten Tages blökend wie eine Ziege in der Küche den Abwasch erledigte. Eine ganze halbe Stunde lang. Meine Freunde taten es mir gleich oder vielleicht hat auch jemand anderes mit dem ganzen Spaß angefangen, aber darum geht es gar nicht, sondern darum, dass kollektives Doofsein manchmal Wunder wirkt. Böööhh. Bäääh. Määäh immerzu. Hatte ich zuvor noch mit dem Gedanken gespielt, nicht sterben zu wollen, ohne mir zumindest ein Mal im Leben die Lämpchen mit LSD auszuknipsen, wurde mir mit einem Mal klar, dass dieses einfach mal die Ziege machen möglicherweise die bessere Alternative ist. Um nicht zu sagen: Ihr solltet es mal ausprobieren. In trauter Runde. Orgiastisch, zügellos und laut. Die einzige Gefahr: Dass man sich vor lauter Lachen übergeben muss. Wäre mir auch beinahe passiert, aber ich konnte alles noch in letzter Sekunde wieder runterschlucken. Was ich außerdem während dieser Tage im herrlichen Hinterland lernte: Dass es auf magische Weise befreiend ist, nackt Tischtennnis zu spielen. Und besser noch: Rundlauf! Gerade weil man dabei so unerträglich ulkig aussieht. Wie ein Mensch eben. Das erdet ungemein. Ich habe natürlich trotzdem manchmal Hose getragen und auch einen Pullover, aber, und jetzt ekelt euch nicht noch mehr: Immer den gleichen. Obwohl ich ganze drei dabei hatte. Die brauchte ich aber nicht. Weil man ohnehin sehr wenig braucht, wenn man so fidel ist. Nur Astrid Kuby und Michael Mosaro hätten wohl erahnen können, wie ich mich fühlte, dort drüben zwischen Brezn und Butter – die kennen das ja:

Jede Zelle meines Körpers ist glücklich,
jede Körperzelle fühlt sich wohl,
Jede Zelle meines Körpers ist glücklich,
jede Körperzelle fühlt sich wohl,
jede Zelle, an jeder Stelle, jede Zelle ist voll gut drauf!

So weit, so frei. Bis plötzlich der allerletzte Abend vor dem allerersten Büromorgen nahte und ich nur noch eines hatte: Keinen Bock. Aber wirklich überhaupt gar kein klitzekleines bisschen. Hätte mich in der Zwischenzeit jemand in die hohe Kunst der Sennerei eingeführt, ich wäre einfach geblieben, dort, zwischen Eutern und Gipfeln, wo ich in der Silvesternacht vor lauter Nebel keine einzige Rakete sah und trotzdem weinen musste vor lauter Schönheit, ganz ohne PMS. Also tat ich schließlich, was ich meistens tue, wenn ich nicht mehr weiter weiß. 

Ich habe da nämlich einen guten Freund, den ich schon seit Schulzeiten kenne und dieser Freund gibt vor allem beim Genuss von Zigaretten und Wein die Tollsten Dinge von sich, nämlich Kluges, das gleichzeitig so logisch und simpel daher kommt, dass ich von selbst niemals darauf kommen würde. Und so saß ich an besagtem Abend also wieder wenig reflektiert und jammernd dort, ob des nahenden ersten Arbeitstages meine ich, weil ich eben noch immer keinen einzigen Funken Lust und noch nicht einmal eine Spur Vorfreude in mir trug. Ungewöhnlich sei das, fast schon besorgniserregend, wo ich doch für gewöhnlich schon nach sehr kurzer Zeit der Abstinenz voller Sehnsucht nach meinem Schreibtisch bin. Nur diesmal eben nicht. Als ich gerade dabei war, laut darüber zu grübeln, wie ich es in dieser Verfassung überhaupt noch unter die Dusche oder in irgendein Meeting schaffen soll, wurde ich harsch unterbrochen. Sag mal spinnst du, sagte der Freund. Und: Du weißt aber schon, dass du vielleicht zum allerersten Mal seit Wochen oder Monaten oder sogar Jahren sauber tickst, oder? So sollte das ja sein. Dass man Urlaub mit Freunden in den Bergen schärfer findet als Berlin im Winter. Herzlichen Glückwunsch also zum Abschied vom Drama! Da ist endlich eins geiles Life neben all dem Ablenkungs-Work! Es sei folglich eher bedenklich gewesen, hätte ich nach einer Woche im Paradies beim Aufschließen meiner Neuköllner Wohnungstür gejauchzt vor Glück. Man mag es ja kaum glauben, aber diese wenigen Worte halfen mir binnen weniger Sekunden aus dem Neujahrs-Tief heraus. Haben was gerade gerückt, was in meinem Hirn bisweilen schief lief. Achja, dachte ich. Und plötzlich wurde mir ganz warm ums Herz. Mach es morgen wie Brigitte Bardot, sagte er zum Abschied noch: 

Hingehen, machen, weggehen. Dann kommt der Rest von ganz allein.

Mehr von

5 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related