Der Modekosmos ist faszinierend, glamourös und schön anzusehen – und manchmal da ist er eben einfach nur verdammt blöd – aus vielerlei Hinsicht. Zuletzt vor allem aufgrund vermehrter Rassismus-Vorwürfe, die durch verschiedenste Aktionen befeuert wurden und einen faden Beigeschmack hinterließen. Da wäre zum Beispiel die Sache mit Pradas Schlüsselanhänger aus dem vergangenen Jahr: Was eine affenartige Fantasiefigur darstellen sollte, erinnerte vielmehr an Blackfacing und wurde von Diet Prada mit dem Kinderbuchcharakter „Little Sambo“ aus dem Jahr 1899 verglichen. Er gilt als Exemplar für den sogenannten „Pickaninny“-Stil, einer Karikatur, die schwarze Kinder etwa mit hervorquellenden Augen, ungekämmten Haaren, breiten Mündern und roten Lippen darstellte. Auch von zahlreichen anderen Nutzer*innen folgten Äußerungen auf Twitter und Instagram, auf Prada prasselte ein regelrechter Shitstorm nieder. Das italienische Designerlabel reagierte kurz darauf mit einer öffentlichen Entschuldigung und nahm die Figur vom Markt.
Ein weiterer Fall des Blackfacing-Vorwurfs trat im vergangenen Februar auf, als Gucci einen schwarzen „Balaclava“-Pullover aus der Herbst/Winter 2018 Kollektion präsentierte. Der Kragen ließ sich, ähnlich wie bei einer Sturmhaube, bis über die Nase ziehen, während eine rot umrandete Öffnung den Mund freilegte. Auch hier ließ eine Welle der Wut und Empörung, die durch das Internet rollte, nicht lange auf sich warten. Als Konsequenz folgten eine öffentliche Entschuldigung Guccis und die sofortige Rückziehung der besagten Pullover. Reaktion par Excellence, sozusagen.
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In einem solchen Fall sollte eine Entschuldigung der Marke also als selbstverständlich gelten, doch nicht immer tritt scheinbar Einsicht ein. So ist mir der Fall aus dem Hause Dolce & Gabbana aus dem vergangenen Jahr besonders aufgrund des Verhaltens von Stefano Gabbana im Gedächtnis geblieben. In einer Videokampagne, die anlässlich einer Modenschau in Shanghai produziert wurde, scheint ein chinesisches Model vergeblich zu versuchen, Cannelloni und Pizza mit Stäbchen zu essen, während ein chinesischer Erzähler aus dem Off kommentiert. Nun lösten die kurzen Clips alleine bereits Fassungslosigkeit aus, die an die Öffentlichkeit gelangten Screenshots, die Kommentare von Stefano Gabbana zeigten, ließen aber wohl jeden vom Glauben abfallen. Nicht nur verteidigte er die Videokampagne vehement, auch beleidigte er sowohl das Land China als auch Chinesen mehrfach. Zurecht brach ein wütender Shitstorm aus, sämtliche chinesische Stars und Konsumenten boykottierten die geplante Show sowie die Marke selbst, bis diese zuletzt von Dolce & Gabbana abgesagt wurde. Die Kirsche aber setzte sich D&G zum Schluss noch selbst auf den Shitstorm-Kopf: Sie behaupteten, man hätte beide Instagram-Kanäle gehackt und wäre gar nicht für den rassistischen Output auf den Sozialen Medien verantwortlich. Au man.
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Natürlich wäre es am schönsten, wenn Vorfälle wie diese gar keinen Platz mehr fänden und überhaupt nicht mehr vorkommen würden. Aber Fehler passieren – ob aus vermeintlich humoristischen Gründen, aus Ignoranz oder einfach aus kulturellen Distanzen – das wissen wir selbst, bloß hat sich in Zeiten von Social Media längst eine ganze Menge getan: Denn wir Konsument*innen agieren längst als nötige Gewalt, um in gewisser Weise zu richten, als Korrektiv, um Marken auf Missstände aufmerksam zu machen und als wichtigste Opposition, um Veränderungen zu bewirken. Wir, die Stimmen der Öffentlichkeit, sind für Marken mittlerweile deutlich wichtiger als verabschiedete Gesetze, an die es sich zu halten gilt: Denn, wenn wir etwas entdecken oder den Finger in die Wunde legen, dann droht ein medialer Kampf, der schleunigst wieder ausgebügelt werden muss – bevor sich das ganze zu einer wirtschaftlichen Katastrophe wie bei Dolce & Gabbana entwickelt. Missachtete Gesetze werden mit Geldstrafen korrigiert, aber unser Urteil kann das Aus bedeuten. (Aus einem Talk mit MINI, 2018)
Gucci und Prada haben reagiert – und man glaubt ihnen den Fehltritt, die Entschuldigung. Wer aber noch mal nachtreten will (wie Stefano), der zieht am Ende des Tages den Kürzeren: Denn Watchblogs wie Diet_Prada sind den Missständen längst auf der Spur – und wir, die Masse, wird mit der eigenen Meinung am Ende des Tages schonungslos richten.
Das bedeutet: Wir als Konsument*innen können sehr wohl etwas bewegen – auch, wenn wir im ersten Moment oftmals das Gefühl haben, nur hilflos und wütend auf all das starren zu können, das sich vor einem – selbst im Jahr 2019 noch – entfaltet. Die Macht der Konsument*innen ist seit dem virtuellen Zeitalter immens – und wir können aus eigener Erfahrung sagen, dass ihr gehört werdet: Egal, ob es um Nachhaltigkeit, bessere Produktionsbedingungen oder eben Rassismus geht. Es ist ein langer Weg, das wissen wir, aber er wird nicht ohne Veränderungen bestritten, wie die jüngsten Reaktionen zeigen,
Seid laut, seid kritisch, seid reflektiert. Hier fängt eure Macht bereits an – und sie geht weiter, indem ihr Produkte von Brands, die keine Entschuldigung für nötig erachten (ja, auch True Fruits ist damit gemeint) erst gar nicht mehr zu kaufen.
Wir alle haben eine Stimme, die wir nutzen können, um auf Probleme aufmerksam zu machen, Inhalte zu teilen und gegen Rassismus vorzugehen – eben oder vor allem auch in der Mode. Wir sollten reden, statt stillschweigend zuzusehen und zu glauben, dass sich bereits genügend andere Menschen geäußert haben. Denn erst, indem wir uns zusammenschließen und Marken gemeinsam für Themen sensibilisieren, können wir tatsächlich etwas ausrichten – und genau das hat die Vergangenheit bereits wunderbar gezeigt.