Seit dem Start der Petition #wasfürnSpahn, die sich gegen das Vorhaben unseres selbst für einen CDU-Politiker überdurchschnittlich häufig wahnwitzig agierenden Gesundheitsministers richtet, satte 5 Millonen Euro für eine frauenfeindliche Studie über die psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen aufzuwenden, werde ich immer wieder gefragt, ob es denn tatsächlich nötig sei, so vehement an einem scheinbar harmlosen Vorhaben wie diesem zu rütteln. Realpolitisch betrachtet gäbe es schließlich keine Probleme, ganz im Gegenteil, Abtreibungen blieben unter bestimmten Voraussetzungen doch weiterhin straffrei, was unterm Strich soviel wie (fast) Freiheit bedeutete.
In solchen Momenten frage ich meist zurück: Was glaubt ihr denn, wie die gesetzliche Lage 2019 aussähe, könnten cis-Männer ebenfalls schwanger werden? Dann folgt für gewöhnlich ein langes Schweigen und Begreifen.
Tatsächlich fällt es mir zunehmend schwer, angesichts besagter Relativierungstaktik an die Besonnenheit einer Isabel Schayani heranzureichen, die sogar mit Rechten und Sexisten reden kann, als seien sie Freund und nicht Feind. Es ist mir beinahe zuwider, gebetsmühlenartig erklären zu müssen, was längst Konsens sein sollte: Das Recht auf Sexuelle Selbstbestimmung. Dass es mir im Kern der noch immer laufenden Petition, auf die Jens Spahn übrigens seit Monaten keine Antwort finden will, natürlich nicht ausschließlich um irgendeine herabwürdigende und hanebüchene Studie geht, sondern vielmehr um die potenzielle Tragweite und Symbolkraft ebenjener, aber eben auch nicht minder um die Stärkung der (Nazi-)Paragraphen 218 und 219a im Deckmantel vorgegaukelter Empathie, sollte spätestens mit den Geschehnissen der vergangenen Tage überdeutlich geworden sein.
Kein Mann, der Schwangerschaftsabbrüche 2019 noch kriminalisiert oder auch nur davon träumt, sorgt sich ernsthaft um den Schutz irgendeines Lebens. Es bleiben, ganz im Gegenteil, Abtreibungs-Verbote, durch die Menschen sterben und starben. Hunderttausende. So viel muss aufgrund fehlender (wissenschaftlich fundierter) Argumente gegen Abbrüche bitte endlich klar sein. Es geht in dieser von mächtigen Entscheidungsträgern geführten Debatte ausschließlich um Populismus, um Macht, um Kontrolle, darum, den „Aufstand der Frauen“ zu zerschlagen, mit allen Mitteln, um ein letztes Aufbäumen all jener, die sich als Pro-Life-Saubermännlein selbst beweihräuchern, am Ende jedoch nicht mehr sind als wieder nur Fundamentalisten, die Menschen mit Uterus diskriminieren. Wer genau hinsieht, ahnt außerdem, dass eine weitere Intention hinter derartigen Angriffen auf unsere Menschenrechte und die Würde tausender Frauen stecken muss: Der Wille, uns Stück für Stück zu entmündigen und wieder dorthin zurück zu drängen, wo beinahe dreitausend Jahre lang unser zugewiesener Platz gewesen ist:
Irgendwo zu Füßen des Patriarchats – das dem eigenen Sterben mit der vierten Welle des Feminismus aktuell deutlicher denn je in die Augen blicken muss. Die weißen alten Männer bekommen es mit der Angst zu tun. Nicht aber vor der Trump-Methode, die sich gegen die Wissenschaft stellt, dem Rechtsruck oder toten Kindern und Müttern, die Kleiderbügel nicht aus der schicken Anzug-Garderobe kennen. Sondern vor einem ebenso harmlosen wie selbstverständlichen Grundbedürfnis, das sich Gleichberechtigung nennt. Es schmerzt sie, für mehr Gerechtigkeit von der eigenen Macht abgeben, ja am Ende sogar teilen zu müssen. Mit uns.
Als Folge schließen sie sich zusammen, um potenziell jeder Person, die schwanger werden kann, weh zu tun. Wenn es sein muss, mithilfe von selbst gemachten, perfiden Gesetzen. Nur so geht es wohl, wenn die eigenen Vorstellungen jedem Verstand entbehren und keiner echten Demokratie standhalten könnten. Dass es überhaupt möglich ist, die private Rückwärtsgewandtheit auf öffentlicher, politischer Ebene zu manifestieren und obendrein salonfähig zu machen, ist nur ein weiteres Armutszeugnis einer Zeit, in der die Gleichstellung der Geschlechter noch immer Utopie bleibt.
So kam es jedenfalls, dass der Senat des US-Bundesstaates Alabama jüngst einen zu Recht von etlichen Medien als „drakonisch“ betitelten Beschluss zu Schwangerschaftsabbrüchen verabschieden konnte, der die eigentliche Dystopie von Margaret Atwood „The Handmaid`s“ Tale sogar mit wenig Phantasie sehr denkbar wirken lässt:
Ärzt*innen in Alabama droht ab sofort eine Gefängnisstrafe von bis zu 99 Jahren. Keineswegs für barbarische Verbrechen, die fernab jeder Vorstellungskraft liegen. Sondern für jeden medizinischen Eingriff, der eine ungewollte Schwangerschaft beendet. Der Leben rettet, auf unterschiedlichste Weise, der ein Menschenrecht sein muss und sollte, in jedem Land der Welt. Von den 35 Mitgliedern des Senats stimmten die einzigen vier Frauen gegen die restriktive Gesetzesänderung, die fortan auch das Abbrechen inzestuöser Schwangerschaften und solcher, die auf Vergewaltigungen zurückzuführen sind, verbieten und unter Strafe stellen will. Die verbleibenden 25 Männer stimmten einstimmig und unter Anführung des Abgeordneten Terri Collins dafür, Ärzt*innen und auch die Schwangeren selbst künftig belangen und bestrafen zu können.
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Das Gesetz werde aktuell jedoch noch ausgebremst, wissen unsere Kolleginnen von Edition F: „Alabama untersteht wie alle anderen Bundesstaaten dem obersten Gerichtshof und der hat 1973 beschlossen, dass Abbrüche bis zu dem Zeitpunkt erlaubt sind, an dem der Fötus lebensfähig wird – und dieses Gesetz gilt auch noch heute.“
In einem Interview mit der Washington Post erkläre Collins zudem, dass mit dem Beschluss in Alabama die damalige Entscheidung des obersten Gerichtshofs in Frage gestellt werden wolle und dass man sich eine landesweite Debatte über Schwangerschaftsabbrüche erhoffe – mit dem Ziel, Abtreibungen in den gesamten USA zu verbieten.
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Während ich mich indes frage, ob es einer neuen Petition bedarf, die sich dafür einsetzt, dass Männer nie wieder über den weiblichen Körper entscheiden oder Gesetze, die ausschließlich Frauen betreffen, verabschieden dürfen sollten, informiert The Cut darüber, wie wir uns mit den betroffenen Frauen in Alabama solidarisieren können.
So der so gilt: Jetzt ist nicht die Zeit, sich bedeckt zu halten. Es ist unsere Pflicht, egal ob Mann* oder Frau*, aufzustehen und uns gegen das Unrecht zu wehren, das unseren Schwestern, Müttern, Freundinnen und Töchtern angetan wird. Es war noch nie eine Ausrede anzunehmen, man selbst sei nicht betroffen. Dinge ändern sich, Umstände ändern sich, Menschen ändern sich – und Gesetze leider auch.
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