„Weil Sichtbarkeit das Wichtigste ist“: Unsere Partnerseite Voue.de erkundet zusammen mit Guest Editor Kemi Fatoba in Videos, Fotostrecken und Artikeln, wie Menschen mit Rassismuserfahrungen Deutschland erleben – auch unsere Autorin Fabienne Sand kommt zu Wort. Zu allen Artikeln geht es hier entlang. Es folgt außerdem eine Erklärung von Online Chefredakteurin Alexandra Bondi di Antoni:
„Deutschland hat ein Rassismus-Problem. Menschen gehen auf die Straßen und demonstrieren für die Gleichstellung von allen Menschen, für Akzeptanz und Austausch. Und die Medienbranche? Die bleibt größtenteils still.
In den letzten Jahren haben Online-Medien und Social Media dafür gesorgt, dass Menschen, die nicht zur weißen Mehrheitsgesellschaft gehören, eine Stimme bekommen und gesehen werden. Wir alle können mittlerweile unsere eigenen Plattformen schaffen und andere Menschen finden, die sich mit unseren Ideen identifizieren. Die “neuen Medien” haben erreicht, was die “alten Medien” verpasst haben: Vielfalt abzubilden und Inklusivität radikal zu leben.
Rassismus ist etwas, das jeden Tag passiert. Wir Meinungs- und MedienmacherInnen haben die Verantwortung, darauf aufmerksam zu machen und unsere Reichweite zu nutzen, um die Welt so abzubilden, wie wir sie auch auf der Straße sehen. Das nachzuholen, was viele Medien, darunter auch Vogue, für eine lange Zeit in punkto Repräsentation versäumt haben, ist ein langer Prozess. “Weil Sichtbarkeit das Wichtigste ist” soll einen Beitrag leisten und bei Vogue.de einen Anfang machen.
Deshalb haben wir uns Ende letzten Jahres auf den Weg gemacht, uns selbst zu hinterfragen und zu überlegen, was wir tun können, um eine offene Plattform zu schaffen, auf der sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden. Dazu haben wir eine Guest Editor ins Team geholt, die mit uns an “Weil Sichtbarkeit das Wichtigste ist” und diesem Startschuss der kritischen Auseinandersetzung gearbeitet hat. Kemi Fatoba ist Journalistin und die Mitbegründerin von DADDY, einem Online-Magazin, das sich mit Humor Themen wie Inklusion, Intersektionalität und Sex-Positivität nähert. Durch den Dialog mit ihr haben wir gelernt, hinterfragt und gemerkt, dass der einzige Weg für eine gleiche Welt für alle der Weg zusammen nach vorne ist.
Wie können wir bei Vogue.de in einer Serie über People of Color (PoC) nachholen, was schon längst hätte stattfinden sollen? Wir haben mit People of Color gesprochen, die in der Modebranche arbeiten und dort für mehr Repräsentation sorgen, indem sie hinterfragen, warum Castings nicht vielfältiger sind, warum Schwarze Models ihr eigenes Make-up mitbringen sollen oder warum Modest Fashion noch keine Selbstverständlichkeit unter StylistInnen geworden ist. Die DJ Mobilegirl hat uns geschildert, wie es sich anfühlt, wenn sie von Marken immer und immer wieder angesprochen wird, um sich unbezahlt über Repräsentation zu äußern. Außerdem erzählen die Frauen von Adefradavon, wie sie in den 1980er-Jahren begannen, sich für die Verbesserung der Lebensqualität Schwarzer Frauen* und Women of Color einzusetzen.
Wie fühlt es sich an, als Man of Color in Deutschland aufzuwachsen? Dazu hat unser Kolumnist Fabian Hart einige Männer aus der Mode- und Kreativbranche befragt und startet ab heute eine Sonderedition von “Das neue Blau” mit Serhat Isik von GmbH als erstem Gast. Da Sprache in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema ist, gibt es in dieser Serie auch ein Glossar für Begriffe, auf die Sie immer wieder stoßen werden. Abschließend haben wir noch Informationen über Beauty-Treatments, Anlaufstellen, Literatur, Serien und Filme von PoC zusammengetragen. In den nächsten Tagen, Monaten und Jahren wird viel passieren. Watch this space.
Und weil Repräsentation kein Buzzword sein darf, sondern etwas, das bei Vogue.de auch gelebt wird, haben die Teams, die an den Fotostrecken und dem Video gearbeitet haben, ebenso diverse Backgrounds wie die Leute vor der Kamera. Auch hier gibt es noch viel zu tun. Als unsere Hijab tragenden Models bei einem Shooting mit dem Styling nicht zufrieden waren, hörten wir zu und versuchen, für die Zukunft daraus zu lernen und es besser zu machen.
In diesem Sinn wünsche ich viel Spaß beim Entdecken der Inhalte, die wir für euch bereitgestellt haben, und übergebe an Kemi!“
Intro von Guest Editor Kemi Fatoba:
Als Teenagerin bin ich jahrelang jeden Monat, fast schon religiös, zu den Zeitungsständen gepilgert, um High-Fashion-Magazine zu kaufen. Ich wollte alles über Designer*innen, Modehäuser, Models und Trends der Saison erfahren, bis ich irgendwann enttäuscht feststellte, dass diese Magazine nicht für mich bestimmt waren. Nicht, weil die Mode darin unerschwinglich war, sondern weil keine der Frauen aussah wie ich. Natürlich gab es Naomi Campbell und später auch Alek Wek, aber das war’s in den 90ern auch schon mit der Repräsentation Schwarzer Models – von Models anderer Herkunft ganz zu schweigen.
An Identifikationsfiguren, die mir gezeigt hätten, dass es noch etwas anderes als das weiße, europäische Schöheitsideal gibt, mangelte es damals in den deutschen Medien, und so blieb nur der Blick auf die USA. Ohne MTV und die Schwarzen TV-Serien der 90er hätte ich Wochen und Monate verbringen können, ohne Menschen zu sehen, die aussahen wie ich. Auch wenn mir damals die Worte oder das Bewusstsein für die Dinge, die um mich herum und in mir geschahen, fehlten, war mangelnde Repräsentation die Ursache dafür, dass ich so unzufrieden mit mir selbst und der Welt war.
“Representation matters” ist ein Hashtag, der heute in den Sozialen Medien immer wieder zu sehen ist. Wie wichtig diese Repräsentation für die Seele ist, wurde mir immer wieder klar, wenn ich meine Verwandten in London besuchte, deren Lebensrealität völlig anders war. People of Color waren dort nicht nur ein Teil des Stadtbildes, sie waren auch im Fernsehen, auf Plakaten und in Magazinen auf eine positive Art und Weise präsent – anstatt immer nur mit Armut und Elend in Verbindung gebracht zu werden. Menschen, die aussahen wie ich, wurden als ein ganz normaler Teil der Gesellschaft gesehen und das war, traurigerweise, für mich damals bahnbrechend.
In ihrem TED-Talk “The danger of a single story” (Die Gefahr einer einzigen Geschichte) erzählt die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie davon, wie wir alle von medialen Stereotypen geprägt sind und wie sie unser Bild der Realität verzerren. Sie spricht darüber, wie wichtig es ist, kritisch zu hinterfragen, aus welcher Perspektive Geschichten erzählt werden, wem eine Plattform gegeben wird – und vor allem wem nicht. Wir alle kennen diese Geschichten von der exotischen Schönheit im Leoparden-Look, von dem Hauptschüler mit Migrationshintergrund, der devoten Asiatin oder dem angsteinflößenden Schwarzen Mann, vor dem schon kleine Kinder lernen, wegzulaufen.
Aus all diesen Gründen fand ich es so schön, an dieser Serie zu arbeiten und einen kleinen Teil dazu beitragen zu können, das Bild, das Medien leider immer noch viel zu oft von PoC verbreiten, zu diversifizieren. Die Serie soll zeigen, dass PoC schon längst in vielen Bereichen der Gesellschaft angekommen sind und schon sehr viel dafür tun, um sie für alle Menschen gerechter zu machen – obwohl gesellschaftliche Machtstrukturen den Zugang zu vielen dieser Bereiche immer noch erschweren.
Auch wenn immer wieder gerne behauptet wird, dass es nicht genügend JournalistInnen, KünstlerInnen, FotografInnen, FilmemacherInnen und andere Kreative of Color gibt, war es alles andere als schwer, Menschen zu finden, die für diese Serie in Frage kamen. Im Gegenteil, die Schwierigkeit bestand darin, zu entscheiden, wer zu Wort kommen sollte, und wessen Geschichte erzählt werden sollte, da so viele Menschen ihre verdiente Plattform noch nicht bekommen haben. Genau aus diesem Grund kann diese Serie auch nur ein Anfang sein, auf den viele Artikel folgen werden.
Zu allen Artikeln geht es hier entlang.
Anmerkungen zum Sprachgebrauch:
Person of Color (Plural: People of Color, abgekürzt als PoC) ist eine politische Selbstbezeichnung für Menschen, die in der Mehrheitsgesellschaft als nicht-weißangesehen werden und wegen ethnischer und/oder rassistischer Zuschreibungen von Rassismus betroffen sind. Der Begriff wird in abgewandelter Form auch für Frauen (Women of Color, WoC), Männer (Men of Color, MoC) oder Berufsgruppen (z.B. Artists of Color) verwendet.
Schwarze Menschen ist ebenfalls eine Selbstbezeichnung und wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es beim Schwarzsein um die Verbundenheit aufgrund gemeinsamer Rassismuserfahrungen und der Art und Weise, wie man wahrgenommen wird, geht.
Weiß und Weißsein bezeichnen ebenso wie Schwarzsein keine biologische Eigenschaft und keine reale Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt. Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und ihnen einen privilegierten Platz in der Gesellschaft zuweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft.
Photographer
Creative Direction
Alexandra Bondi de Antoni & Tereza Mundilová
Hair & Make Up
Styling
Photo Assistant
Hair & Make Up Assistant
Djamila Rachor
Styling Assistant
Guest Editor
Executive Producer
Producer
Production Assistant
Runner