Die Optimierung unseres Äußeren ist ein allgegenwärtiges Thema – nicht zuletzt, weil Hochglanzmagazine, Werbeplakate und Instagram ordentlich an dieser verquerten Welt, die aus Perfektion und glattpolierten Schönheitsidealen genährt wird, herumschrauben. Lange, makellos wellige Mähnen, seidig schimmernde Puppen-Haut, zarte Stupsnasen, großen Augen und volle Lippen, Wangenknochen, die Schatten werfen: Wohin ich auch blicke, überall entdecke ich Attribute, die als bildschön gelten, meiner eigenen Realität aber fern scheinen. Auf mich wirkte all das vor allem in meiner Jugend einschüchtern: Gerade im Teenie-Alter suchen wir doch nach Vorbildern und Identifikationsflächen, nach Menschen, an denen wir uns orientieren. Nur geht das nicht selten nach hinten los. Die Wünsche werden größer, das eigene Selbstbewusstsein kleiner. Auch, aufgrund fehlender Transparenz: Von den immensen Ausmaßen der Photoshop-Bearbeitung weiß ich im Grunde erst, seit ich selbst bei Shooting mitwirke – und das Davor kenne, das Echte, die Realität.
Der ganz große Wandel innerhalb der Mode- und Beauty-Branche lässt zwar noch auf dich warten, die ersten Schritte sind aber immerhin gemacht: Immer mehr Magazine und Labels setzen auf Diversität, Body Positivity & Neutralism und beginnen langsam, wahre Individualität und Persönlichkeiten sichtbar zu machen und zu schätzen. Aus Imagegründen? Mag sein. Aber das heißt eben auch, dass wir als Konsumentinnen am Ende ja vielleicht doch gehört werden. Dass der Zeitgeist sich endlich wandelt, wenn auch nur in Babyschritten. Das Credo: Adieu scheinheilige und normierte Schönheitsideale, Salut Realität!
Und dennoch: In der Beauty, und dieser Fakt schmerzt mich sehr, tickt die Uhr allerdings deutlich langsamer als in der Mode und Kampagnen, wie ebenjene grandiose von Gucci, bleiben vorerst rar gesät. Stattdessen sehen wir Frauen mit vermeintlich perfekter Haut, endlos langen Wimpern und schneeweißen Zähnen auf Verpackungen, Plakaten oder in Zeitschriften. Mich schüchtern solche Bilder heute zwar nicht mehr so ein wie damals mit 15, weil ich gelernt habe, mich durch Wissen zu distanzieren. Aber das Unterbewusste lässt sich trotzdem nur schwer abschalten und belehren. Zweifel kommen immer wieder auf. Aber deshalb niemals ungeschminkt aus dem Haus gehen? Als Teenie hätte ich tatsächlich gesagt: Niemals! Heute ist es sogar andersherum: Ich bin ständig ohne unterwegs, denn im Fokus meiner Beauty-Routine steht inzwischen die Pflege – heute ist es also die Creme auf dem Gesicht, ohne die ich das Haus nicht verlasse. Ich weiß aber, dass das vielen nicht genügt. Und ich kann es so, so sehr verstehen. Auch ich habe schließlich Jahre gebraucht. Moment, wofür überhaupt? Muss es überhaupt das Ziel sein, „ohne“ aus dem Haus zu gehen? Natürlich nicht. Unterschiedliche Köpfe, unterschiedliche Vorlieben.
Ich frage ich mich dennoch ganz ehrlich und ohne blöde Gedanken im Kopf, warum es so viele Menschen gibt, die niemals ohne Make-up das Haus verlassen würden. Was hemmt sie und was sind ihre Beweggründe? Wieso fühlen sie sich ohne die kleinen Helfer unwohl? Geht es darum überhaupt? Oder kann das eigene Aussehen einfach eine herrliche Spielwiese sein? Wir haben fünf Frauen gefragt: Warum geht ihr nicht ungeschminkt auf die Straße?
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Lisa
Für mich gibt es viele Gründe, nicht ungeschminkt aus dem Haus zu gehen. Es ist die eigene Eitelkeit, die mich dazu treibt, aber ich möchte auch von den Nachbarn nicht so “nackt“ erwischt werden, auf gar keinen Fall. Es ist verstrickt bei mir: Ich möchte immer geliebt werden und wenn ich mich schminke, finde ich mich schöner, das wiederum erhöht meine Chancen auch von anderen geliebt zu werden. Ja, so funktioniert mein Kopf. Angefangen hat alles mit etwa vierzehn Jahren und einem blauen Lidschatten. Damals habe ich mich nur für mich selbst geschminkt. Je älter ich wurde, desto unsicherer bin ich mit meinem Aussehen geworden und mit Make-up habe ich mich einfach immer besser gefühlt. Bei vielen mag das wohl genau andersrum rein, sie haben sich in ihrer Jugend stark geschminkt und dann ist es weniger geworden. Bei mir nicht. Die Unsicherheiten haben sich nach und nach erst entwickelt und waren nicht immer ein Teil von meiner Persönlichkeit. Mein Make-up gehört zu den Konstanzen in meinem Leben. Es ein Teil von meinem Morgenritual geworden, mich zu schminken. Wie der Kaffee kurz nach dem Aufstehen eben. Ich tue es für mich und für andere, um mich schöner und selbstbewusster zu fühlen. Und das tue ich dann auch tatsächlich, ich fühle mich mehr wie ich selbst und stärker in meiner Haut. Die Frage, die ich mir also stelle, ist: Muss ich dagegen angehen? Muss es das Ziel sein, ungeschminkt „Hurra“ zu rufen? Ist es den schmerzhaften Prozess, das Lernen überhaupt wert? Oder ist genau das mein Weg, ich zu sein? Weil Ich, das bin ich nunmal (auch) mit Schminke.
Viktoria
In der Pubertät habe ich mir meine Augenbrauen viel zu dünn gezupft. Das Resultat war leider, dass sie nicht mehr nachgewachsen sind und ein paar Jahre später, so mit siebzehn Jahren, habe ich mit der Erlaubnis meiner Mutter, meine „neuen“ Augenbrauen tätowieren lassen. Ich glaube allerdings bis heute, dass meine Augenbrauen auch meine größte Unsicherheit ist. Bloß ist das merkwürdigerweise trotzdem nicht Grund, warum ich mich jeden Tag schminke. Ich habe eine exzentrische Ader und Make-up ist ein Ausdruck meiner Persönlichkeit. So, wie ich jeden Tag meine Outfits plane, plane ich eben auch mein Make-up und meine Frisur. Es gehört zu meinem Gesamtkonzept. Manche mögen das extrem finden, aber für mich gehört das zum Alltag und ist ein Teil meines Charakters. Ich würde sogar sagen, dass schminken zu meinen Hobbys gehört. Ich male mir gerne mein Gesicht an. Es gibt auch Momente, in denen ich mich nicht schminke, und genau dann mangelt es mir keinesfalls an Selbstbewusstsein – nur das passiert eher selten. Ich stelle mich von Kopf bis Fuß selbst dar – und dazu gehört auch mein Make-up Look. Ich tue es für mich selbst und die Außenwelt darf es dann bewundern. Weil ich Farben liebe und all die Möglichkeiten! Andere stecken sich eine Spange ins Haar, passend zum Kleid vielleicht. Und ich schminke mich – passend zur Stimmung, zu den Schuhen oder der Inspiration, mit der ich aufgewacht bin. Sich nicht allzu ernst nehmen, das gehört für mich dazu. Ich will Freude an und mit mir haben, Spaß! Ist das nicht schön?
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Sophie
Während der Schulzeit hatte ich starke Akne. Ich wurde deswegen zwar nicht gehänselt, dennoch hatte ich immer das Gefühl, dass meine Pickel immer im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, man kann ja auch so schlecht wegschauen, wenn jemandem etwas aus dem Gesicht wächst, leider. Ich habe damals alles mögliche versucht, um die Pickel und deren Male abzudecken. Später dann die Narben, die natürlich geblieben sind. Und das tue ich bis heute. Ohne eine solide Grundierung verlasse ich das Haus nie. Dazu gehört für mich: Foundation, Abdeckstift, Concealer und fixierendes Puder. Augen und Lippen schminke ich kaum. Mir ist bewusst, dass ich es dadurch nicht besser mache, aber ich kann nicht anders. Ich brauche das Make-up, um mich selbst wohlzufühlen. Ich glaube auch nicht, dass ich das jemals ablegen werde. Es geht nämlich nicht darum, jemand anderes zu sein, oder wie jemand anderes auszusehen. Sondern darum, ich sein zu können und aussehen zu können wie ich selbst – vor der Akne und vor den Narben. Die zwar ein Teil von mir sind, aber dennoch irgendwie fremd. Denn nein, ich finde nicht, dass wir mit allem im Reinen sein müssen. Ich bewundere all jene, die das können, keine Frage. Aber ich fühle mich nun auch wirklich nicht schlechter, weil ich gefallen daran finde, meine Haut etwas ebenmäßiger wirken zu lassen. Im Sommer ist getönte Sonnencreme übrigens mein A&O.
Ann-Kathrin
Mascara ist für mich wie für andere das Zähneputzen am Morgen! Ohne habe ich kleine Augen und fühle mich nicht frisch, sondern müde, zumindest optisch. Ich brauche ja wirklich nicht viel, aber ohne Mascara gehe ich nicht aus dem Haus. Ich fühle mich wacher, vitaler und schöner. Das ist quasi wie ein schneller Push für mein Selbstvertrauen, der mich kaum Zeit kostet. So habe ich einen guten Start in den Tag. Oder zumindest einen besseren.
Angefangen hat das so: Als ich noch jünger war, habe ich mich stark geschminkt, um älter auszusehen. Funktioniert hat das natürlich nur bedingt, denn die Türsteher wurden leider immer cleverer und irgendwann kam ich trotzdem nicht mehr in den Club rein. Man könnte jetzt meinen, dass sich das Ganze inzwischen umgedreht habe. Aber nein, eigentlich ist alles beim Alten: Noch heute schminke ich mich relativ doll – denn ich finde, ich habe ein sehr junges Gesicht. Das macht es mir gefühlt manchmal schwer, ernst genommen zu werden, vor allem im Job. Um kompetenter und reifer zu wirken, lege ich gerne Make-up auf. Und es klappt ja auch; Ich werde ernster genommen. Schade ist es dennoch, schließlich sollte das Alter nichts über die Fähigkeiten eines Menschen aussagen. Gut möglich natürlich, dass sich vieles von dem nur in meinem Kopf abspielt. Fakt ist aber, dass mir das Schminken hilft. Make-up gibt mir ein gewissen Aussehen, vielleicht auch Seriosität und diese Mischung bestärkt mich dann in meinem Handeln. Wie ein selbst gemalter Selbstbewussteins-Kick, würde ich sagen.
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Shakespeare sagte: Wie es euch gefällt! Und da ist viel Wahres dran. Ihr ganz allein, entscheidet, ob und wie ihr euch schminkt. Wir sollten weder und selbst noch andere verurteilen oder beurteilen, das ist Klar wie Kloßbrühe. Denn ich glaube fest, je größer die Akzeptanz bei jeder von uns für ihr eigenes Äußeres ist, desto Größer wird sie auch untereinander. Niemand ist lässiger, weil er/sie sich nicht schminkt. Niemand blöder, weil der Lippenstift pink leuchtet. Und so weiter, wir wisst schon. Und: Vergleiche sind Gift, vor allem für die Seele.
Ich habe mir auf jeden Fall fest vorgenommen, endlich damit anzufangen meinen Mitmenschen mehr Komplimente zu machen. Natürlich nur ehrlich gemeinte, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das hilft! Selbst an einem schlechten Tag, muntert einen ein ehrlich gemeintes Kompliment auf.
Trotzdem will ich wissen: