Die Mode ist schön und spaßig und manchmal auch ganz schön umwerfend. Weil sie Gefühle in uns auslöst, Erinnerungen weckt, Einstellungen nach außen trägt und uns in eine positive Stimmung versetzen kann. Sie sorgt dafür, dass wir uns ausdrücken können, auch wenn wir das vielleicht gar nicht immer beabsichtigen. Ich selbst vergesse das viel zu oft, weil ich dann eben glaube, dass sie den Konsum in den Vordergrund stellt, ja meist sogar reichlich oberflächlich ist. Eigentlich aber, ist es ja gar nicht die Mode selbst, die Schuld daran ist, dass so vieles falsch läuft. Betrachtet man sie nämlich losgelöst von allen Konsumgedanken, Trendwellen und Vorstellungen, dann steckt doch so viel mehr in ihr.
Sie ist Kunst, etwa wenn sie in Form von Haute Couture auftritt und feinstes Handwerk präsentiert oder so abstrakt ist, dass sie niemals wirklich tragbar wäre und doch zu berühren weiß. Nämlich dann, wenn sie so voller Ideen und Arbeit einer oder mehrerer Personen steckt, die ihre Visionen, ja ihr ganzes Herz, in dieses Stück investiert haben. Mode spiegelt Kulturen und Bräuche wider, wie man etwa es beim traditionellen, aus Perlen gearbeiteten Kopfschmuck der Massai oder den teils opulent verzierten Turbanen der indischen Nihang sehen kann.
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Oder sie vermittelt gleich ein Zugehörigkeitsgefühl, das uns durch Zeiten begleitet, in denen wir jenes Gefühl am meisten brauchen. So hat etwa – und da mag man von halten, was man will – die Jugendströmung der Emos einer Reihe an Menschen zu einer ziemlich guten Zeit verholfen, einer Zeit, in der man irgendwie wusste, wo man hingehört und keine Angst haben musste, alleine zu sein. Haarspangen von Emily the Strange oder Shirts der liebsten Screamo-Bands waren wie eine Art globaler Code, der uns vermittelte überall Freundschaften zu haben, die wir, wenn nicht im Leben außerhalb des Internets, zumindest über Plattformen wie Myspace pflegen konnten. Sich durch Äußerlichkeiten von der Norm oder von Erwartungen abzugrenzen führt natürlich auch zu Bewegungen, die sich ganz bewusst gegen Schönheitsideale lehnen und ihren ganz eigenen Kosmos begründen.
So zelebriert die japanische Frauengruppe Black Diamonds statt blasser Haut bewusst stark gebräunte Haut, bunt gefärbte Haare, knallige Kleidung, starkes Make-up und ellenlange, künstliche Fingernägel, um gegen gängige Ideale zu rebellieren und noch dazu eine untrennbare Einheit zu bilden.
Mode kann Gefühle vermitteln, etwa, wenn wir uns gut fühlen, weil etwas furchtbar bequem ist oder im Licht so stark funkelt, dass es tausend kleine Sterne an die Wand wirft, an denen man sich nicht sattsehen kann, weil sie so in ihren Bann ziehen, dass man für einen Moment tatsächlich alles andere vergisst. Sie erschafft Erinnerungen an Menschen und Momente, immer dann, wenn wir ein Erbstück an uns tragen oder das Kleidungsstück aus dem Schrank ziehen, das wir beim allerersten Date mit der großen Liebe getragen haben oder im letzten Sommerurlaub, als wir uns so richtig frei fühlten. Und manchmal, da ist die Mode einfach nur schön anzusehen, vielleicht nicht tragbar, aber eben doch wie ein wundervolles Gemälde, das man am liebsten jeden Tag betrachten würde.
Ja, wenn ich es mir genau überlege, sind all diese Aspekte gemeinsam der Grund dafür, weshalb ich meist ganz aufgeregt und voller Vorfreude bin, wenn ich mir Modenschauen ansehe, über Kollektionen schreiben darf, sehe, was manche Menschen auf der Straße tragen oder wie Kleidung inszeniert wird. Es löst ein Kribbeln aus, ein wohliges Gefühl und oft genug formen sich meine Lippen zu einem leichten Lächeln, während mein Blick ein bisschen glasig wird – ein klein wenig ist es mir auch peinlich, so zu schwärmen, weil es am Ende eben doch „nur“ die Mode ist und die Liebe zu ihr meist verschrien ist, ja sogar belächelt wird. Und dann wiederum ist es doch irgendwie faszinierend oder gar merkwürdig, dass mich während meines Lobgesangs ein solches Schamgefühl beschleicht, obwohl es doch um so etwas Schönes geht.
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Denn im Grunde genommen soll man Gefühle nicht leugnen, wenn sie da sind, und schon gar nicht die Liebe, denn was wären wir nur ohne sie? Sie löst Glücksgefühle und Freude und Kribbeln aus, ist manchmal gar wie ein Rausch, in dessen Hoch wir uns von den weniger schönen Momenten ablenken können. Und das alleine sollte doch genügen, um ganz bewusst Herzen in die Luft zu blasen, zur eigenen Leidenschaft zu stehen, statt sich Meinungen anderer zu beugen und die Freuden, das Glück, herunterzuspielen oder gar gänzlich aufzugeben.
Bild in der Collage via Vogue Runway (Adut Akech), Valentino Couture Fall 19