Vor ein Paar Tagen, da saß ich mit vielen lieben Menschen draußen in der Abendsonne, bei Wein und Brot, fröhlich schnatternd, bis ich wie vom Blitz getroffen in mich zusammensackte, ganz kurz, und noch im selben Moment sowas wie „Scheiß bescheuerte Periode, Mistkack“ fluchte. Von der anderen Seite des Tisches flog mir sogleich ein rettendes „Habe Ibus dabei!“ entgegen, während neben mir längst mit einem Tampon gewedelt wurde: „Brauchste?“. Herrlich, dachte ich noch, absolut schön. Und: Ich liebe meine Freundinnen und Freunde bis in die Unendlichkeit. Zum Beispiel dafür, dass sie zweifelsohne im Jahr 2019 angekommen sind und gleich noch eine leidenschaftliche Debatte über die unsagbare Versteuerung von Hygiene-Produkten für Frauen hinterher schoben. Als ich das Tampon jedoch dankend ablehnte und stattdessenn von meiner neuen Einhorn-Menstruationstasse schwärmte, weil sie so wunderbar weich ist, da platze einem aus unserer illustren Runde der Kragen.
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Einem, von dem ich ganz anderes erwartete hätte, zum Beispiel Offenheit oder mindestens Interesse. Der außerdem niemals in die Situation geraten wird, sich ein Mal im Monat mit Hormonschwankungen und anderen lustigen Begleiterscheinungen herumschlagen zu müssen. Und der schon allein beim Aussprechen des Wortes „Menstruation“ trotzdem das Gesicht verzog, als hätte ein wild tobender Uterus ihm gerade erst so richtig den Garaus gemacht.
Recht harsch befand der sonst so abgebrühte Kerl, der bekanntermaßen kaum einen Sofa-Abend ohne Zombie-Apokalypse verstreichen lässt, wir könnten jetzt wirklich mal das Thema wechseln. Zwar habe er kein Problem mit Blut, aber „solche Sachen“ könne man doch Zuhause besprechen, nein: Sollte.
Ich hätte wirklich viele Erklärungen für die unübersehbare Abwehrhaltung gegenüber Perioden-Themen gelten lassen, ehrlich, keiner muss das ja spaßig finden und im Zweifel hätte aus diesem ehrlichen Bekenntnis sogar ein ernsthaftes Gespräch über Sozialisierung und Tabuisierung entspringen können, aber dieser letzte Satz machte, dass mir vor Verwunderung beinahe die Augäpfel aus ihren Höhlen sprangen. „Was hast du da gerade gesagt?“, fragte ich in höflicher, aber leicht verstörter Manier. „Nichts. Ich finde das einfach ekelhaft.“ – „Das was? Den weiblichen Körper, seine Natur, den Grund für deine Existenz?“ – „Nein, aber ist es jetzt schon so weit, dass ich mir anhören muss, was ihr euch da unten rein steckt? Irgendwelche Tassen mit Blut drin?“ Au Backe. Biologie, Frauengesundheit und dann auch noch Hygieneartikel, alles in einem Gespräch, in einem Satz sogar, Grundgütiger – was für eine unglaubliche Schweinerei.
Der spinnt doch, könnten wir jetzt meinen. Die traurige Wahrheit aber ist: Er ist ja bloß einer von vielen, die sich noch immer über eines der natürlichsten Phänomene der Welt echauffieren. Man nehme nur das jüngste Beispiel Hofer: Der österreichische Aldi-Discounter hat gerade Menstruationstassen im Sortiment und bewirbt diese mit dem harmlosen Foto eines rosafarbenen Cups, das außerdem den Schriftzug „In der Regel geht es nur mich was an“ trägt, auf Facebook. Toll und wichtig, findet die Mehrheit. Sagt sogar: Danke, Hofer. Weil: Normal halt. Und noch dazu deutlicher schonender für die Umwelt, im Vergleich zu Tampons oder Binden, ist ja klar. Weniger Müll, hurra! Was sollte Mensch also dagegen haben, gerade jetzt, im Zeitalter Greta, richtig? Na einiges:
Nicht wenige, sondern gleich etliche Arschlöcher haben besagten Hofer-Beitrag seit seiner Veröffentlichung leidenschaftlich despektierlich kommentieren – mit qualifizierten Aussagen wie „Grausig“, „Widerlich“ oder „Zum Kotzen“. Was denn eigentlich? Die Form des Cups? Seine Farbe? Die Funktion? Hm? Vielleicht ist aber auch der Name Schuld. Würde eine „Frauentasse“ womöglich weniger beschimpft werden als die „Menstruationstasse“? Und was genau ist an einem Cup, in den Periodenblut hinein fließen kann eigentlich „ekliger“ als an einem Kondom, in das hinein ejakuliert wird? Oder als an Klopapier, mit dem Mensch sich den Hintern abwischt?
Da kann man sich schon aufrichtig wundern und auch fragen, was hier genau das Problem ist. Die Periode wohl nicht. Sondern vielmehr die Gesellschaft, die aus der Periode bis heute ein Problem macht. Oder mehr noch: Ein Tabu – je nachdem, wo man hin schaut. Und wem man zuhört. Es ist demnach kein Zufall, dass der Dokumentarfilm Period. End of Sentence im Februar einen Oscar gewonnen hat. In der patriarchalen Gesellschaft Indiens gilt die Frau während ihrer Periode als unrein oder gar krank. Entstigmatisierung und Aufklärung sind unabdingbar. Aber nicht nur dort, wo Frauen während der Menstruation noch immer gemieden oder gar verstoßen werden, sondern auch hier.
„Ist das zur Verhütung während der Periode gedacht?“, fragte ein Mann unter dem Hofer-Bild. Ja, wirklich. Und erst neulich beobachtete ich wieder eine erwachsene Frau dabei, wie sie im Restaurant versuchte, möglichst unauffällig und dennoch beschämt ein Tampon aus ihrer Handtasche zu fischen. Zufall? Oder doch Überbleibsel aus Zeiten, die wir eigentlich längst hinter uns gelassen haben müssten? In denen die Menstruation als Strafe Gottes für Evas Sündenfall galt, oder dem Menstruationsblut nachgesagt wurde, es sei giftig und Frauen, die menstruieren unrein, ganz zu schweigen vom „bösen Blick“ der Menstruierenden.
In Wahrheit sollten wir doch sehr froh darüber sein, munter und privilegiert in Hofers Menstruationstassen hinein bluten zu dürfen und können. Genau das war nämlich lange keine Selbstverständlichkeit – und ist es noch immer nicht. Wie so vieles, das Menschen mit Gebärmutter betrifft.
Deshalb: HOCH DIE TASSEN. Seid laut und schämt euch nicht.
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