Wir haben 5 getrennte Mütter nach den größten Herausforderungen gefragt

14.08.2019 Leben, Gesellschaft, box3

Ich erinnere mich noch gut daran, was meine Familie maßgeblich von der meiner Freundinnen unterschieden hat: Meine Mutter und ich waren zu zweit, während die anderen meist in einer heilen Welt samt Haus, Hund und Mutter-Vater-Kind-Idylle groß wurden. Damals habe ich mich vor allem nach den Ritualen gesehnt und nach all dem furchtbar lebendigen Familienalltag mit Geschwistern und gemeinsamen Abendessen und allem drum und dran. Heute hinterfrage ich vor allem die unglaubliche Belastung, die meiner Mutter zuteil wurde und wie furchtbar beeindruckend es eigentlich ist, dass sie uns beide durchgebracht hat. Was für eine wahnsinnige Leistung – das war mir lange Zeit nicht bewusst. Ich ziehe meinen Hut vor ihr und allen anderen, die ihre Kinder überwiegend alleine versorgen. Wir haben fünf Mütter nach den größten Herausforderungen gefragt.

Joelle, 27 aus Duisburg

Mutter von Olivia, 2 Jahre alt

Die Sache ist, dass ich mich niemals in einer klassischen Familienkonstellation gesehen habe. Als es dann doch so kam und ich mich von meinem damaligen Freund getrennt habe, mitten in der Schwangerschaft, haben mich alle für vollkommen verrückt erklärt. Es ging da schlichtweg um mich und um die Tatsache, dass ich unsere Familie so nicht ertragen hätte, gewusst hätte, dass ich so keine gute Mutter sein kann und eine Trennung vielleicht der einzige Weg ist, meiner Tochter eine Art Familie anzubieten, die sich abseits von einer Norm Mutter-Vater-Kind-Situation unglaublich lieb hat. Ich hasse es, dass die Gesellschaft mich als grundsätzlich schwach identifiziert. Damals, bei der Trennung, haben mir alle geraten, doch noch ein bisschen zu warten. Sonst würde ich die ersten Monate mit Baby nicht aushalten. Heute ist Olivia zwei Jahre alt und noch immer wird mir konstant unterstellt, dass ich mit irgendeiner Form von heteronormativer Beziehung in meinem Leben besser dran wäre. Ich weiß wie es gemeint ist, ich weiß auch, wie hoch mein Pensum zeitweise ist. Was ich nicht weiß, ist wie Menschen mir konstante Überforderung unterstellen können, obwohl keiner meinen Alltag so gut kennt wie meine Tochter und ich. Natürlich ist er fordernd. Manchmal so sehr, dass ich nicht weiß, wohin mit mir oder um 20:00 Uhr neben ihr ins Bett falle, aber das sind für mich keine Dinge, die innerhalb eines Dreipersonenhaushalts nicht auch passieren könnten.

Ich bin unheimlich glücklich, Olivia und ihr Vater sind es auch, weil wir so total gut funktionieren. Viel besser, als wenn wir uns an einer inszenierten Familienvision festgehalten hätten und es ewig Streit geben würde. Ich wünsche mir so sehr, dass die Gesellschaft und mein Umfeld weniger mit einem mitleidigen Blick oder höflichen Nachfragen reagieren würden, sondern mir mit konkreten, lösungsorientierten Angeboten oder Maßnahmen entgegenkommen würden. Weniger Wartezeit auf einen Kitaplatz zum Beispiel, oder mir anbieten dass sie Olivia nach der Kita mit zum Spielen nach Hause nehmen würden, weil unsere Kinder doch ohnehin so gut befreundet sind und wir uns Jahre kennen. Das ewige „bei dir ist auch viel los“, und höfliches Interesse bekunden geht mir ehrlich gesagt auf die Nerven und macht mich mürbe. Bis ich mit dem Master fertig bin, werden wir zu zweit noch eine große Reise machen, auf die ich schon seit Ewigkeiten spare. Ich kann mir vorstellen, dass diese letzte Freiheit kurz vor dem Berufsalltag und all seinen Konventionen uns noch einmal richtig guttun wird.

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Marie, 35 aus Erlangen / Mutter von Louis, 4 und Johan, 6 Jahre alt

Ich fühle mich trotz meiner Kinder einsam. Den ganzen Tag ist die Hölle los, wenn Kita und Schule vorbei sind, rotiere ich und habe unglaublich Freude daran, den Familienalltag mitzugestalten und die beiden wachsen zu sehen. Was wirklich schlimm ist, sind die Abende, die gelegentlichen freien Vormittage und die Wochenenden, wenn beide Jungs bei Oma oder Papa sind. Ich bin seit kurzer Zeit als Juniorprofessorin fest angestellt und liebe meinen Beruf, bin also eigentlich ausgelastet. Nur fällt es mir unglaublich schwer, zu daten. Jemanden kennenlernen könnte ich schon hier und da und gelegentlich ergeben sich auch kleine Flirts. Was mich hemmt, ist diese unglaubliche Angst vor Veränderung. Wir sind zu dritt gerade ein so gutes Team, dass ich, sofern etwas in Richtung wirklich treffen oder es ernster angehen geht, sofort den Schwanz einziehe und mich panisch zurück in meine sicheren vier Wände verkrieche. Bis der nächste einsame Freitagabend kommt,

an dem ich mir nichts lieber vorstellen könnte, als gemeinsam zuhause zu kochen und sich bei einer Flasche Wein gegenseitig vorzulesen. Oder auf dem Balkon oder vor dem Fernseher zu versacken. Das wirklich Komische ist, dass ich nicht das Bedürfnis nach Bestätigung oder Sicherheit verspüre, nicht einmal Support will, ob nun zuhause oder finanziell. Ich will meine freie Zeit teilen, weil es zwischendurch wirklich einsam sein kann und ich die Nase voll habe, nur deshalb unglücklich zu sein. Es ist so komisch, weil diese Lücke ja theoretisch auch von einer anderen Person gefüllt werden könnte. Einer Person, die ich nicht zwangsläufig liebe, sondern die einfach Zeit mir verbringt, wenn ihr danach ist, gegebenenfalls auch bei uns wohnt und wir ein Leben teilen ganz ohne romantische Gefühle. Lange Zeit habe ich deshalb schon über eine Familien-WG nachgedacht, am Ende erschien es mir dann doch zu unruhig oder ich hatte einfach nur Schiss, wer weiß.

[typedjs]Das wirklich komische ist, dass ich nicht das Bedürfnis nach Bestätigung oder Sicherheit verspüre, nicht einmal Support will zuhause oder finanziell.[/typedjs]

Aalyia, 30 aus Berlin

Mutter von Ana, 3 Jahre alt

Ich war die ersten drei Jahre alleinerziehend und haben jetzt das erste Mal seit der letzten Trennung wieder einen Partner. Das hat vieles unglaublich erleichtert und ich bin in vielen Dingen viel entspannter geworden. Als Ana geboren wurde, haben mein damaliger Partner und ich es noch drei Monate ausgehalten und dann war es vorbei. Ich war damals im Begriff, mein Studium wieder aufzunehmen, und hatte große berufliche Pläne. Ich habe mich sehr alleingelassen gefühlt, hatte Probleme einen Kitaplatz zu finden und unser Leben zu finanzieren und überhaupt: Warum werden Bedürfnisse und Rechte von Alleinerziehenden so wenig gehört oder ernstgenommen? Eine Ganztagsbetreuung war für mich im letzten Studienjahr total wichtig. Als Feedback beim Jugendamt hieß es dann, dass ich mir mehr Gedanken um Mutterschaft hätte machen müssen, wenn ich mein Kind doch nur den ganzen Tag weggeben will. Als ich sie dann seltene Male mit in der Uni hatte, wurde ich von vielen Seiten entgeistert angeschaut, obwohl sie im gesamten Seminar geschlafen hatte. Es ist unglaublich, was uns damals widerfahren ist, weil ich einen direkten Vergleich mit einem männlichen Kommilitonen hatte, um den sich selbst die Dozenten fast geprügelt hatten, als er seinen kleinen Sohn dabei hatte. Es war eine wirklich schlimme Zeit, bis ich endlich einen Kita Platz hatte und ich selbst bin so froh, dass all das jetzt der Vergangenheit angehört.

Ich will unbedingt, dass sich perspektivisch für junge Mütter etwas ändert, damit auch eine Schwangerschaft während der Lehre kein Problem ist, ihnen geholfen wird und es stets Fachpersonal gibt, das sich um die kleinen kümmert. Ana ist heute in einer Elterninitiative-Kita, die aus fast ausschließlich Müttern besteht, die einige Zeit alleinerziehend waren oder es noch immer sind. Bei der Aufnahme neuer Kinder ist es uns super wichtig, diejenigen zu bevorzugen, die aufgrund ihrer familiären Situation besonders dringend einen Platz brauchen. Jetzt wo ich wieder in einer Beziehung bin, wird mir besonders deutlich, wie viel einfacher viele Dinge sind, wenn du einen Mann an deiner Seite hast. Vor Kurzem haben wir die Zusage für unsere Traumwohnung bekommen. Es tut total weh zu realisieren, dass ich und meine Tochter den Zuschlag zu zweit auch mit einem guten Gehalt wahrscheinlich nicht bekommen hätten.

https://www.instagram.com/p/BwZ7nDVlS2T/

 

Emma, 41 aus Hamburg / Mutter von Anton, 11 Jahre alt

Anton und ich sind aus dem Gröbsten raus. Es ist verrückt, zu merken, dass dein Kind irgendwann ganz viele Sachen selbstständig macht, die dich tatsächlich entlasten. Sein Vater und ich haben uns getrennt, als er gerade fünf war. Das war eine ziemlich schwere Zeit für uns beide und ich wünsche mir heute noch oft, dass es anders gekommen wäre. Antons Vater hat dann zeitweise keinen Unterhalt gezahlt und das war dann wirklich ein Problem. Den Schmerz ertragen, Antons Schmerz auffangen, aber gleichzeitig noch finanzielle Sorgen haben, war zu viel des Guten. Ich hatte dann über zwei Jahre einen Therapieplatz, den ich ganz dringend zur Kompensation brauchte, um nicht alles bei meinem Sohn abzuladen. Noch heute würde ich behaupten, dass ich ohne meine Therapeutin nicht so gut durchgehalten hätte. Gerade zu Beginn der Grundschulzeit war es aus finanzieller Sicht am schlimmsten. Die ganze Ausstattung, Geschenke zur Einschulung, die erste Mini-Klassenfahrt aufs Land und es gab so gut wie keine Unterstützung.

Damals hieß es, dass diese Kosten durch den Unterhalt gedeckt werden können, ich dann nachträglich mehr Geld hätte und sich alles ausgleichen würde. Im Endeffekt hat aber niemand etwas dafür getan, dass ich das Geld bekam, das uns zustand und ich musste mir privat etwas leihen. Heute sieht es zum Glück wieder anders aus, aber diese wiederkehrenden finanziellen Unsicherheiten, die aufkommen, wenn es nur einen Verdiener in der Familie gibt, sind wirklich schlimm und haben mich lange Zeit mitgenommen. Ich wünsche es keinem und weiß gleichzeitig, dass es viele Familien gibt, die mit noch viel weniger Geld und viel größeren Unsicherheiten zu kämpfen haben, als wir. Anton habe ich ganz bewusst auf einer Gesamtschule einschulen lassen, um eine soziale Durchmischung zu gewährleisten und sowohl mich als auch ihn mit anderen Lebensstandards und Welten zu konfrontieren. Auf dem Gymnasium, das wir uns zuerst angeschaut haben, wurde damit geworben, dass mehr als 60% der Haushalte der Kinder einen akademischen Hintergrund haben. Die Entscheidung ist mir also nicht besonders schwergefallen.

[typedjs]Ich merke schon jetzt, dass ich mit so vielen grundlegenden Fragen so unheimlich alleine dastehe. [/typedjs]

Elena, 26 aus Berlin

Wird im Dezember zum ersten Mal Mutter

Ich merke schon jetzt, dass ich mit so vielen grundlegenden Fragen so unheimlich alleine dastehe. Das sind nicht nur finanzielle Ängste, auch Entscheidungen, ganz simple zum Teil, kosten mich unglaublich viel Kraft. Die Sache mit dem Kinderwagen zum Beispiel, die Auswahl von einem richtigen Bett − das sind alles Dinge, die ich schon jetzt irgendwie alleine entscheiden muss und die mich total verängstigen. Alle sagen, dass ich aus dem Bauch heraus ohnehin die richtige Entscheidung treffen werde und das mag sein. Aber wie sieht es erst aus, wenn ich mein Kind alleine erziehe, alleine eine Schule auswähle, alleine etwas verbiete oder erlaube. Mir sagt am Ende niemand, was gut oder schlecht war. Ich habe niemanden, mit dem ich mich abstimmen kann oder will. Ich bereite mich auf Überforderung vor, bereite mich darauf vor, ganz viel Liebe zu geben und mein Leben zu teilen. Doch die größte Herausforderung stelle ich mir zur Zeit darin vor, meinen Fähigkeiten als Mutter so sehr zu vertrauen oder mein Selbstbewusstsein so aufzubauen, dass ich in den kommenden Jahren nicht die ganze Zeit anzweifele, was ich zuletzt gesagt habe.

Ich bin alleine mit meinem Vater aufgewachsen und habe meine Mutter nur selten gesehen. Wir hatten damals eine tolle Hausgemeinschaft mit vielen Kindern. In dieser Art Kommune hat er sich viel ausgetauscht und ich hatte andere Erwachsene, an denen ich mich orientieren konnte, denen er vertraut hat und denen auch ich mich immer mehr anvertraut habe. Er hat mir vor Kurzem erst gesagt wie unglaublich wertvoll dieser Austausch für ihn war und ich war so glücklich, in einer vergleichbaren Perspektive etwas Hoffnung schöpfen zu können. Ich bin mir so sicher, dass es absolut keine romantische Beziehung zwischen zwei Menschen benötigt, um ein Kind großzuziehen und eine Familie zu gründen. Ich glaube nur fest daran, dass es so ungemein hilfreich ist, nicht mit allem auf sich alleine gestellt zu sein. Klar schaffe ich das, schaffen wir das, aber wenn ich jetzt schon unbedingt jemanden brauche, der ab und an meine Hand hält, wer soll sie denn bitte halten, wenn mein Kind die Welt entdeckt, mich Dinge fragt und zu einem richtigen Menschen wird?

Bild in der Collage via Collina Strada AW 2019

10 Kommentare

  1. Judith

    Ich verstehe nicht, warum hier alleinerziehend gleichbedeutend ist mit getrennte lebende Single Eltern sein?! Die Belastung ist einfach nicht die gleiche und die Hürden die alleinerziehende Elternteile zu meistern haben auch nicht. Die letzten Texte fand ich sehr berührend und zutreffend, die ersten allerdings eher fehl am Platz.

    Antworten
    1. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hallo Judith,
      Vielen Dank für deinen wichtigen Hinweis. Ich gebe dir recht und möchte mich dafür entschuldigen, hier nicht ausreichend differenziert zu haben. Die Verwendung des Begriffs erlebe ich in meiner Lebenswelt relativ hybrid was natürlich nicht weniger problematisch ist. Ich hatte zudem den Anspruch, dass die Protagonistinnen abgesehen von ihrem jetzigen Status vor allem über die Probleme des „auf sich allein gestellt seins“ in verschiedenen Kontexten besprechen, was sie meines Erachtens alle erfüllen. Trotzdem ist „Alleinerziehend“ als Überbegriff hier nicht passend.

      Ich bin mir der Unterschiede durchaus bewusst und bedanke mich bei allen aufmerksamen Leser*innen. Meine Intention war keineswegs ein Gleichzeichen zu ziehen.

      Antworten
  2. Peter Kreher

    Hallo! Es ist ein sehr interessanter Artikel dem ich nur zustimmen ksnn.
    Warum wurden aber nur Alleinerziehende Mütter danach gefragt, was die größten Herausforderungen sind im alltäglichen Leben? Ist in unserer Gesellschaft noch immer nicht angekommen das es auch alleinerziehende Väter gibt? Auch diese haben die gleichen HerrAufforderungen im Alltag zu meistern. Leider wird diese Gruppe von manchen Zeitgenossen mitleidig belächelt und nicht akzeptiert in unserer Zeit.
    Ich bin alleinerziehender Papa und habe eine 8 jährige Tochter.
    Von Seiten meiner Mitmenschen konnte ich sehr viel Unterstützung erfahren, gerade vom Arbeitgeber, als es im Teilzeit ging zum arbeiten und das in einem Betrieb wo rund um die Uhr im Schichtdienst gearbeitet wird.
    Wenig Verständnis erfuhr ich dafür von den Kollegen, fiel sich aber wieder beruhigt haben UND einsehen mussten, das sich die Zeit geändert hat.
    In Zukunft würde ich es sehr begrüßen, solche Artikel auf ALLEINERZIEHENDE MÜTTER UND VÄTER auszuweiten.
    Mit Freundlichen Grüßen
    Peter Kreher

    Antworten
    1. Anna

      Hallo Peter, ich verstehe deinen Ansatz. Man muss aber auch sehen, dass alleinerziehende Väter die sehr seltene Ausnahme sind (9% soweit ich weiß). Daher verstehe ich auch, dass hier die Mütter eher zu Wort kommen und denke auch, dass diese mit anderen Problemen kämpfen.

      Antworten
      1. Caro

        Ich finde das Thema des Artikels total gut und wichtig, verstehe aber auch Peters Kommentar und teile seine Sicht. Die Anmerkungen von Anna und Fabienne finde ich nicht überzeugend. Besonders da dieser Blog sich doch sonst auch sehr für die Sichtweisen von Minderheiten (egal, in welchem Bereich und Kontext) einsetzt, finde ich es schade, dass das hier nicht der Fall ist. Gerade alleinerziehende Väter, die den Großteil der Erziehung wuppen, haben es schwer in unserer Gesellschaft, weil unter Konservativen noch Konsens ist „Ein Kind gehört zur Mutter“. Man hätte diesen Aspekt vielleicht mit wenigstens einem männlichen Beispiel illustrieren können. Exkludieren ist m.E. nie gut.

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    2. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hallo Peter,

      Danke für deinen Kommentar. Ich habe mich ganz bewusst entschieden ausschließlich Frauen zu Wort kommen zu lassen und sehe nicht was daran problematisch ist. Mir war es hier besonders wichtig diese Seite der Medaille aufzuzeigen, was im Umkehrschluss natürlich keineswegs bedeutet, dass männliche alleinerziehende, getrenntlebende Elternteile nicht auch einen unglaublich „guten Job“ machen bzw. mit Probleme zu kämpfen haben. Ich sehe jetzt davon ab die Unterschiede in der Rezeption verschiedener Geschlechter in der Gesellschaft aufzuzählen, finde aber, dass abgesehen davon manchmal auch einfach ok sein muss über eine bestimmte marginalisierte Gruppe zu sprechen ohne dabei den anderen irgendetwas abzusprechen. Das steht hier ja auch in keinem Wort.
      Ich finde es sehr wichtig auch alleinerziehenden Vätern Raum für Geschichten aus ihren Realitäten zu geben.

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  3. Esmeralda

    Ich stimme Peter zu und auch sollte man die Tatsache berücksichtigen, dass nur ein Teil der sogenannten „Alleinerziehenden“ das wirklich ist. Der Begriff wird sehr schwammig gebraucht. Es gibt sehr viele Getrennterziehende, gerade in Berlin und anderen Großstädten, die sich die Verantwortung teilen, immer mehr zu 50%, aber auch zu anderen Anteilen wie 30/70% und ähnliches. Leider wird gar nicht erwähnt, inwie weit die Väter in die Erziehung und Betreuung eingebunden sind. Natürlich gibt es auch „echte“ Alleinerziehende, wo der andere Elternteil tot ist, am anderen Ende der Welt lebt oder sich nicht kümmern möchte oder darf. Es wäre schön gewesen, diese Aspekte differenzierter zu beleuchten.

    Antworten
  4. Ellen

    Ich bin alleinerziehende Mutter einer 4 jährigen Tochter.
    Zuerst möchte ich sagen, das Alleinerziehende die wirklich allein sind, deutlich mehr zu stämmen haben.
    Ich persönlich habe erfahren, das man als alleinerziehend immer kämpfen muss und kaum bzw. keine Hilfe vom Staat bekommt und man erkennt auch, wer wahre Freunde sind.
    Das fing an mit dem Krippenplatz, den ich unbedingt brauchte um wieder arbeiten zu gehen(Ende des Erziehungsgeldes und Beginn des Arbeitsvertrages). Weiter ging es mit der Betreeuung meiner Tochter, als die Krippe komplett geschlossen hatte. Zum Glück hab ich einen Platz bei einer Tagesmutter erhalten, womit ich persönlich nicht wirklich glücklich war. Dann kam das Problem mit dem Kindergartenplatz, um den ich über ein Jahr gekämpft habe( Angst den Job zu verlieren, da die Betreuung nicht gesichert war).
    Dann dazu ständig die Anträge und alles offenzulegen beim Amt.
    Aufgrund der Trennung vom Kindsvater(der sich nicht kümmern darf und auch nicht zahlt) brauchten wir auch eine neue Wohnung. Hilfe dazu gab es auch nicht. Warteliste bis zu 5-6Jahre. Im Ernst?
    Ein Angebot von der Behörde war in ein Obdachlosenheim zu ziehen. Ich war geschockt. Meine Tochter war da 2 Jahre. Unverschämt….
    Es war alles so kräftezerrend und ich bin echt an meine Grenzen gekommen. Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt was nicht glatt läuft.
    Mittlerweile leide ich an Depressionen und werde in eine Tagesklinik gehen. Natürlich nur, wenn die Betreuung meiner Tochter gesichert ist.
    Und zwischen alleinerziehenden Vätern und Müttern gibt es für mich kein Unterschied!

    Antworten
    1. Tülay

      Liebe Ellen, Frauen wie du sind meiner Meinung nach die wahren Helden dieser Gesellschaft (ich schreibe bewusst nicht Heldinnen, weil ich alle Geschlechter meine)! Ich kenne solche Situationen und wünsche dir von Herzen Kraft und alles Glück der Welt!
      Und den anderen, die hier kommentieren: Seid doch nicht zu streng mit den Autorinnen- die Textreihe „…wir haben X Frauen gefragt…“ beinhaltet ja auch viel Fiktives, was sich aber so zutragen könnte.

      Antworten
  5. juli

    Tatsächlich sind die Frauen, die hier porträtiert werden zum Thema Alleinerziehend sehr undifferenziert dargestellt, das stimmt. Die Situation für Menschen und ja, in der Regel und prozentual gesehen, sind es im allermeisten Falle Frauen, ist mehr als belastend. Als ich vor 15 Jahren allein schwanger und allein ein Kind zur Welt gebracht habe, bin ich die soziale Leiter komplett hinten runter gefallen. Das System sieht nicht vor, das eine Frau alleingestellt ein Kind auf die Welt bringt. Der Ernährer fehlt. Ich saß also zu Beginn des Mutterschutzes dem Sozialamt gegenüber, später begann ich ergänzende H4-Bezüge. Was ich mit Jugendamt und Behörden damals erlebt habe, hat mich nachhaltig erschüttert. Die Entscheidung, das Kind, was ich durch eine unbedachte Situation empfangen habe, nicht abzutreiben, sondern auf die Welt zu bringen, hatte uinglaubliche Konsequenzen für mich. Das „Erzeuger“ wollte das Kind nicht, drängte mit aller Macht und auch Aggression zur Abtreibung und hat die Entscheidung, die ihn ja auch betrifft, nicht akzeptiert. Natürlich konnte ich damals sein Sicht verstehen, es zerriss mich – und ja, ich fühlte mich sogar lange lange Zeit schuldig – aber, ihm zu liebe abzutreiben konnte ich nicht. Ein Konflikt also, der aus meiner Sicht nicht aufzulösen war. Und es wurde mir nicht leichtgemacht von dieser nach wie vor patriarchal konstruierten Gesellschaft – bis heute im Übrigen nicht. Jetzt mit zweitem Kind und immer noch alleinverantwortlich für alles, sehe ich die dahinter stehenden ungerechten Strukturen deutlicher. Erst neulich las ich in einem Beitrag, wie nach und nach in den letzten Jahren der Einfluss der Frauen, die in der Regel die Hauptverantwortung übernehmen und die Hauptlast tragen (siehe Einkommen, Rente etc), sukzessive verringert wurde.
    Der Vater meine jüngeren Tochter schiebt seinen Job vor, behält sich jedoch Kontrolle und Macht vor. Dass ich auch arbeite und den Lebensunterhalt als Freiberuflerin mitlerweile ohne jedwede Unterstützung erwirtschafte, fällt gern mal hinten runter, wenn er seine Ansprüche anmeldet. Und ja, auch wenn es einen „Papa“ bei meiner jüngeren Tochter gibt, der sich, wenn es sein Job erlaubt, einen Tag in der Woche Zeit für sein Kind nimmt, bin ich diejenige, die den Alltag bestreitet, das Kind erzieht und versorgt. zu 99,9 Prozent. Der Vater möchte seine Zeit mit dem Kind möglichst konfliktfrei und in Harmonie verbringen. Und da ich in der Kommunikation ja in seinen Augen „schwierig“ sei, haben wir im vergangenen Jahr eine Mediation absolviert – danach habe ich ihm deutlich gemacht, dass wenn ich die vergangenen acht Jahre nun ja sowieso alles allein gemeistert habe, er seine Tochter, wenn es die Zeit und unsere Pläne erlauben, jederzeit sehen kann, immer frisch, adrett und sauber gekleidet und erzogen sowieso, dann behalte ich mir auch vor, meine Pläne über seine zu stellen! Und es ist ja so, dass, wenn er doch nicht kann wie abgesprochen, ich flexibel sein muss und auch bin. Wurde ich schon einmal gefragt, ob und wie ich Job und KInder vereinbare? Nein! Und von den steuerlichen Ungerechtigkeiten mal ganz abesehen…. Irgendwann dreht frau sich im Kreis. Ich bin es leid, mich rechtfertigen zu müssen, warum wieso weshalb… Mittlerweile stelle ich mich hin sage, was ich möchte und dass ich bestimme! Nicht immer, aber immer öfter! Dazwischen gab es Krisen ohne Ende, wie oft dachte ich in den letzten Jahren, ich drehe durch, ich schaffe das alles nicht – immer mit einer Existenzangst im Nacken… und ohne, wirklich ohne irgendeine Unterstützung seitens der Gesellschaft! Und das schreibe ich bewusst, denn ich erziehe hier keine „Klimarisiken“, sondern Menschen, die unserer Gesellchaft auch wieder etwas zurückgeben werden, vor allem da ich alles dafür tue, dass sie sich gut entfalten, sich bilden und interessieren, was um sie herum geschieht.

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