Es geht sowieso immer schlimmer, aber ganz subjektiv betrachtet habe ich während meines bisher etwa 16 Jahre andauernden Liebeslebens schon ziemlich super viel Scheiße gefressen, riesengroße Löffel davon. Retrospektiv betrachtet kommt mir daran eine Sache besonders ineffizient vor – und zwar das Fazit, dass ich nun wirklich nicht behaupten kann, aus meinen und allen anderen Fehlern sonderlich viel gelernt haben zu dürfen. Ein bisschen natürlich schon, aber universell anwendbar ist nur wenig davon. Denn kein Ei gleicht ja dem anderen, im wahrsten Sinne des Wortes. Oder besser: In der Liebe gibt es (fast) keine Regeln. Was die eine Partnerschaft erhellt, vermag der anderen das Licht auszuknipsen. So viele Dynamiken und Persönlichkeiten, die da in Zweisamkeit aufeinander treffen. So viele Erfahrungen, Erinnerungen und Päckchen, die zu tragen sind, wenn etwas Altes geht und das Neue kommt.
Als ich zum Beispiel noch viel kleiner war und doch gerade erst verkraftet hatte, dass McGyver wirklich kein Stück in mich verknallt ist, sondern dass das nur der Röhrenfernseher war, der da beim Lippen aufdrücken geknistert hat, verließ mich Anton mit den Worten: Ich finde dich voll witzig, aber gar nicht hübsch. Also bat ich meine Mutter darum, mir zu erklären, was mich denn wohl schöner machen könne. Die aber antwortete nur: Nettere Freunde. Und deshalb ging ich irgendwann mit dem sportlichen Thomas, den ich dann echt nett, aber selbst kein bisschen hübsch fand. Geholfen hat das wenig. Ich war unglücklich bis die schnelle Britta kam – weg waren sie, gemeinsam, und ich einsam, aber immerhin nicht mehr mit dem Falschen liiert. Womöglich kennzeichnete diese Erfahrung den Beginn der Dauerwurst meines ganz persönlichen Beziehungs-Dramas. Keine Kompromisse mehr, schwor ich. Nur noch volle Pulle. Volle Pulle verlieben und leiden, immer abwechselnd. Mein erster richtiger fester Freund, an den ich (wie so viele junge Mädchen) nicht aus Lust sondern aus vorgegaukelter Abgeklärtheit meine Jungfräulichkeit verlor, knutschte zeitgleich mit seiner Stiefschwester und schlief regelmäßig mit Susanne, mit der ich jeden Mittwoch auf dem Tennisplatz stand. Er holte dann immer uns beide ab, mit seinem schnellen Auto, und setzte, naja, erst mich Zuhause ab und Susanne dann eben gar nicht. Als ich am Computer meines nächsten Freundes, mit dem ich fast fünf Jahre zusammen bleiben sollte, ein Erdkundereferat zusammen kopierte, schickte mir die süße Luise aus der Parallelklasse Kussmünder und Herzen per ICQ, woraufhin ich mich zum ersten Mal von zu viel Asti-Sekt übergab. Es folgte, na klar, das klassische On-Off-Debakel. Und weil mein Herz auch viele Semester später noch in Fetzen an dieser ersten Liebe hing, führte ich während des restlichen Studiums bloß eine tragische Affäre mit einem, der zwar Lily Allen mochte, aber trotzdem keine Ahnung von Frauen hatte – und schon gar nicht von meiner Liebe. Als ich dann endlich einen traf, dem ich fast so sehr vertrauen konnte wie meinem schlechten Geschmack, brannte ich vor lauter Panik mit einem Musiker durch, der zwar singen, aber nicht lieben konnte und mir eines Tages per Skype vom anderen Ende der Welt aus erklärte, dass er leider mehr Gefühle für seine Gitarre als für mich in petto, aber immerhin einen Song darüber geschrieben habe. Das war dann wohl das Karma-Tier, das mir diesen verdienten Haufen legte. Der bis heute unendlich wunderbare Vater meines Sohnes und ich trennten uns trotz größter Verknalltheit einvernehmlich noch vor dem ersten Geburtstag des Kindes, woraufhin die Jugendliebe von damals sich im Schafspelz versteckte, in Berlin aufkreuzte und erst eine Verlobung später offenbarte, dass unter dem wohligen Kuschelfell nichts als ein ewig einsamer Wolf mit fettem Fernweh steckte. Über Nacht war er plötzlich spurlos verschwunden, wie vom Winde verweht eben, genau wie die Klimmzugstange in unserem gemeinsamen Flur, an der ich mich schon fünf spontane Reißaus-Manöver zuvor kopfüber hängend davon überzeugt hatte, dass durchaus noch warmes Blut durch meine Adern fließt. Dass ich immer noch am Leben bin.
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Nie wieder wollte ich ein Pärchen sein, das schwor ich mir, schon gar kein festes, keine Tränen mehr vergießen, nie mehr mein Essen teilen und auch kein Doppelbett, höchstens kurz und dann wieder Ciao Kakao. Heute, zwei Jahre später, bin ich für all das, was mich fast meine komplette Zurechnungsfähigkeit gekostet hätte, vor allem dankbar. Weil ich jetzt weiß, was es bedeutet, bis zum Hals in einer toxischen Beziehung zu stecken, ohne zu merken, dass man kurz davor ist, zu ersaufen. Ich weiß genau, was ich nicht mehr will. Nie wieder – und trage vielleicht genau deshalb plötzlich so schamlos und unglaublich gern die gleiche Regenjacke wie der, der ohne jeden Zweifel das Gegenteil von allem ist, was mir je weh getan hat. Der sogar alles ist, was mich glücklich macht. Und mehr mein Freund als alle anderen zuvor. Aber eben nicht der erste. Genau so wenig bin ich seine erste Freundin – macht demnach doppelt so viele Erfahrungen, Erinnerungen und Päckchen, die zu tragen sind, von uns beiden, gemeinsam. Genau das ist, in manchen Momenten, sagen wir mal: verwirrend. Weil ich gelegentlich nicht weiß, wie man so viel Vergangenheit verkraften und kapieren soll. 31 Jahre plus 39 Jahre. Machen zusammen ja 70 Jahre Leben, in denen ganz schön viel Gutes, aber eben auch hin und wieder Schlechtes passiert ist.
Vor ein paar Tagen, als wir selig auf dem Sofa lagen und uns selbst genug waren, dachte ich wieder: Was für ein verrücktes, schönes Leben. Und dass doch wirklich nichts auf der Welt besser wäre, als wenn es jetzt ganz genau so bleiben würde, für immer. Die Hörner sind abgestoßen, das Drama ist durch. Und trotzdem ist jede Beziehung ja irgendwie: Viel.
Da kam mir Dr. Amalfi in den Sinn, ihr wisst schon. Die Paar-Therapeutin von Charlotte Roche und ihrem Ehemann Martin, die ganz schön schlau und hilfreich zu sein scheint, wie der reinste Segen. Seither frage ich mich: Wann fängt man damit an? Mit dieser dritten Person, die bestimmt selbst dort etwas zu glätten hätte, wo man das Verknautschte noch gar nicht richtig sehen kann. Vielleicht ja besser viel zu früh, in unregelmäßigen, großen Abständen, als reichlich spät? Zu verlieren gibt es schließlich überhaupt nichts. Außer Ballast und ein paar Ängste. Selbst der Worst Case ist richtig spitze – das weiß ich, seit ein befreundetes Paar neulich kurz gedacht hat, es stecke in einer mittelgroßen Krise. Deren Dr, sagen wir einfach „Bora Bora“, sagte nach 50 Minuten aber nur: „Leute, geht nach Hause, redet, macht Liebe und weiter bisher. Wir sehen uns dann in ein paar Jahren wieder.“ Kein Ende in Sicht also. Und nicht alles gut. Aber trotzdem total normal. Genau wie die Therapie als solche, die es langsam aber sicher schafft, aus der dunklen, heimlichen Ecke rein ins rechte Licht gerückt zu werden. Hurra! Auf die Liebe – die gelegentlich einen kleinen Stupser braucht.
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