18 Pflichtlektüren & Doku-Tipps gegen rassistische Machtstrukturen

24.01.2020 Gesellschaft

In regelmäßigen Abständen beantworte ich mittlerweile eure Fragen über Rassismus, Diskriminierung oder kulturelle Aneignung – und stelle fest, dass es noch unwahrscheinlich viel Redebedarf gibt. Seitdem ich hier auf diesem Blogazine, aber auch in anderen Outlets, Texte zu diesen Themen publizieren konnte, wirkt es auf den ersten Blick fast so, als hätte sich das Interesse der Medienschaffenden fast ganz und gar in Bezug auf diese Kontexte geändert. Der Grund dafür? Schwarze Menschen, Indigenous People und People of Colour sind und waren international die treibenden Kräfte antirassistischer Bewegungen und lassen uns an ihren Lebenswelten und Gedanken teilhaben. 

Doch: Wie fängt man eigentlich an, sich im vermeintlichen Minenfeld antirassistischer Diskussionen und Positionen zurechtzufinden?

Wir reden hier nicht über ein Trendthema, noch über die Notwendigkeit von Political Correctness. Wir reden darüber, dass auch 2020 Rassismus Menschen tötet. Wir neigen dazu, genau das zu vergessen und scheinen nicht darüber nachzudenken, was für eine unglaubliche Gefahr rassistische Ideologien tagtäglich auf nicht-weiße Menschen ausüben.

Niemand darf zulassen, dass Gräueltaten, Morde und alltägliche Formen von Diskriminierung vergessen oder ignoriert werden. Wir alle sind für eine Geschichtsschreibung verantwortlich, in der es darum geht internalisierte Verhaltensweisen abzulegen und ein Miteinander neu zu lernen. Auch wenn es für viele weiße Menschen scheint, als gäbe es nur alle Schaltjahre ein Problem: Rassismus steckt in uns, in unserer Gesellschaft. Profitiert von den großen Geschenken Schwarzer Menschen und IPOC, deren Traumata und harte Arbeit sich in dieser Sammlung relevanter Quellen zu einem Agglomerat an Wissen und Diskursen zusammengefügt hat.

„Die Aussage: „Ich sehe keine Hautfarben“ beweist nicht die Unfähigkeit, rassistisch zu sein, sondern die Unfähigkeit, Rassismus zu erkennen. Wer keine Hautfarben sieht, sieht auch keinen Rassismus. Wer mir sagt, er oder sie sehe keine Hautfarben, sagt eigentlich: „Ich weigere mich, deine Perspektive anzuerkennen. Ich weigere mich, anzuerkennen, dass Jahrhunderte der Kolonialisierung und Versklavung die Welt geprägt und strukturelle Ungleichheit geschaffen haben. Ich weigere mich, Verantwortung dafür zu übernehmen, diese Ungleichheit abzuschaffen.““

-Alice Hasters, 2020 / Deutschlandfunk

BÜCHER

Deutschland Schwarz-Weiß – Noah Sow

Noah Sows Klassiker „Deutschland Schwarz Weiß“ ist ein absoluter Klassiker in der deutschen rassismuskritischen Literatur und ist in der Erstauflage 2008 erschienen. Ohne Umschweife, Beschönigungen oder Relativierungen schildert sie rassistische Machtstrukturen in ihrem Heimatland und spricht offen über Verletzungen, die ihr in der Vergangenheit und in ihrer aktuellen Lebenswelt widerfahren (sind). Kein wenn und aber, kein Wohlfühl-Geplänkel: Schonunglos geht es gegebenen Machtstrukturen für eine umfassende Bestandsaufnahme an den Kragen mit ausführlichen Erläuterungen.

 
 
 
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Dieses Buch ist für alle wichtig, die sich bisweilen als weiße Menschen noch keine Gedanken über eigene Privilegien und gesellschaftliche Problematiken gemacht haben. Für solche, die dafür plädieren „dass für sie alle Menschen gleich sind“ und nun verstehen müssen, warum dieser Satz in der Realität tatsächlich ein gesellschaftliches Diaverhältnis manifestiert. Es ist gemacht für jene, die sich erstmalig mit dem eigens erlebten Rassismus auseinandersetzen wollen und nun versuchen möchten, Erlebtes besser nachvollziehen zu können. Deutschland Schwarz-Weiß fasst die weiße Mehrheitsbevölkerung nicht mit Samthandschuhen an, sondern ist viel eher ein unbequemer Realitycheck. Für mich beim ersten Lesen Balsam für die Seele und ein solidarisches Meisterwerk.

„Ja es ist schade, wenn gleich zu Anfang eines Buches die Welt in weiß und schwarz eingeteilt wird. Zum einen ist es aber leider nicht möglich Rassismus zu überwinden ohne seine Konstrukte Schwarz und Weiß während dieses Prozesses zu benennen, mit dem leeren Ziel, dass wir das alles eines Tages nicht mehr nötig haben (…)“

  • – Noah Sow, Deutschland Schwarz Weiss

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Noah Sow im Interview mit der TAZ

Exit Racism – Tupoka Ogette

Tupoka Ogette setzt sich in ihrer Arbeit verstärkt mit Alltagsrassismus auseinander. Für Eltern von Schwarzen Kindern entwickelte sie einen Workshop, um mit Alltagsdiskriminierung und Rassismus umzugehen, in dem sie viele ihrer eigenen Erfahrungen und persönliche Learnings einfließen ließ und heute auch unabhängig von Eltern-Kind Beziehungen angeboten wird. In ihrem Workshop, aber auch in ihrem Buch, gibt Tupoka klare Strategien rassistischen Habiti zu entkommen, das eigene Verhalten umzulernen und dabei vor allem Empathie und Rücksichtnahme im Kontext von Machtstrukturen neu zu erlernen. Praxisorientiert sind es also ganz klare Schemata, die durch dieses Buch weitergegeben werden.

„Die Auseinandersetzung mit den bewussten und vor allem unbewussten Wirkmechanismen von Rassismus eröffnen einen neuen Blick auf uns selbst, auf die Menschen, mit denen wir leben, und auf unsere Welt. Die neu gewonnenen Perspektiven ermöglichen nicht nur neue Wahrnehmungen und echte Begegnungen, sondern geben uns vor allem Handlungsspielräume, unsere Welt aktiv mit- und umzugestalten. Zu einer gerechteren Welt für uns alle.“

Tupoka Ogette – Exit Racism

 
 
 
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Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen müssen – Alice Hasters

Alice Hasters ist einigen vielleicht schon durch ihre Stimme im Podcast „Feuer und Brot“ oder ihre vorangegangene journalistische Arbeit bei der Tagesschau ein Begriff. Im letzten Jahr veröffentlichte Alice, die ihr hier im Interview noch einmal näher kennenlernen könnt, ihr erstes Buch, welches der perfekte Einstieg für die erste rassimuskritische Auseinandersetzung bietet. Anhand von persönlichen Ereignissen auf Augenhöhe, angefügten wissenschaftlichen Zitaten und einer sozialwissenschaftlichen Einordnung, bekommen Lesende Einblicke in die Lebenswelt einer Schwarzen Person, lernen Alltagserlebnisse neu zu interpretieren und sind in der Lag, Verständnis und Empathie für entsprechende Sachverhalte zu entwickeln. Obwohl die Auseinandersetzung auf derart persönlicher Ebene stattfindet, ist die Argumentation unglaublich sachlich und Präzise ohne sprachlich zu anspruchsvoll zu sein. Alice ist der Wahnsinn und dieses Buch eine absolute Pflicht für jedes Bücherregal.

 
 
 
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DOKUS UND REPORTAGEN 

Triggerwarnung für BIPOC: Rassistische Sprache & Gewalt

„Die Wilden in den Menschenzoos“ //
ARTE 2017, 92 Minuten // TW

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Der Dokumentarfilm von 2017 ist noch bis zum 15.03. in der Arte Mediathek verfügbar und erzählt gut recherchiert die Geschichte sogenannter „Menschenzoos“ die in Europa noch bis hin in die 50er Jahre existierten. Es sind die Geschichten von Entmenschlichung, Menschenhandel und Mord, die in ihrer Zusammenfassung so absurd klingen, dass die Aktualität im Kontext der Fortschreibung neokolonialer Strukturen erschreckend ist. Weltausstellungen und Co. gehörten für große Teile der europäischen Bevölkerung schlichtweg zu einem normalen Zeitvertreib. Noch heute sind bekannte deutsche Zoogärten wie zum Beispiel der Tierpark Hagenbeck in Hamburg durch kolonialistische Missetaten der Vergangenheit beschattet.

„Was kann ich gegen Rassismus und Diskriminierung tun“

 Lisa Sophie Laurent im Gespräch mit Arpana Berndt und Maja Bogojevic

Maja (hier im Interview mit TIJW von 2019) und Arpana haben im vergangenen Jahr mit dem Workshop „How To Be An Ally“ für antirassistische Solidarität mobilisiert. An Universitäten oder auf Festivals sprechen sie darüber, wie Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, handeln können, um Situationen und Lebensrealitäten für BIPOC erträglicher zu machen und solidarisch füreinander einzustehen. In diesem Video bietet die Youtuberin und Moderatorin Lisa Sophie Laurent ihre Plattform, um im Gespräch mit beiden antirassistische Handlungsoptionen zu formulieren und mit ihrer Community zu teilen.

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Über neue Workshops, Termine und Veranstaltungen informieren Maja und Arpana auf ihren Instagram Kanälen:

@a_aischa

@yugodeinesvertrauens

„Afro.Deutschland“ Jana Pareigis, Deutsche Welle

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Jana Pareigis gibt zusammen mit der Deutschen Welle Schwarzen deutschen Identitäten Raum für ihre Geschichten. Dieses wichtige und vielschichtig Projekt wagt den Versuch die verschiedenen Dimensionen Schwarzer Deutscher aufzuzeigen.

Andere empfehlenswerte Medien die ich gerne empfehle:

„I Am not your Negro“

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„Why are Black Woman so Angry?“

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„Interracial Couples“

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ONLINE LESEN & HÖREN

Bundeszentrale für politische Bildung 

 
 
 
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Wer Einführungen in Themengebiete braucht, sich einem Kontext annähern möchte oder auf der Suche nach frei zugänglicher, gesellschaftswissenschaftlicher Literatur ist, wird online bei der BpB fündig. Hier finden sich Erläuterungen und Einstiegstexte über Rassismus, Erklärungen zum N-Wort oder ein Abriss über die Entstehung von rassistischen Vorteilen. Die Texte sind sehr ausführlich, teilweise komplex aber gut verständlich und bieten in den Fußnoten ausführliche Literaturlisten die zum Weiterlesen anregen.

Essay & Diskurs / Deutschlandfunk

In der Rubrik Essay & Diskurs, werden auf Deutschlandfunk Gedanken, Arbeiten und Positionen geteilt. In der Sendereihe Identitäten handelt es sich um Beiträge von Menschen wie James Baldwin, Chimananda Ngozi Adiche, Alice Hasters, Teju Cole und vielen mehr, die sich im Kontext ihrer eigenen Identitäten mit gesellschaftlichen Machtstrukturen und rassistischen Ideologien auseinandersetzten. Unglaublich wertvolle Gedanken, keine leichte Kost und auch textlich anspruchsvoll! Alle sieben lassen sich über die DlF Auditothek im Podcast-Format abrufen oder online nachlesen. Nehmt euch Zeit und Raum für diese großartig kuratierte Arbeit. Sie ist es wert.

 
 
 
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Bild in der Collage: Gucci

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10 Kommentare

  1. marion

    Das ist toll. Ich habe mich gestern mit einer Freundin unterhalten und gemerkt dass wir beide ziemlich weiß daher kommen…

    Von Noah sie gibt es jetzt auch einen „afrodeutschen Heimatkrimi“ sehr unterhaltsam und gibt auch Einblicke in das Leben einer Schwarzen Mutter die in Bayern aufgewachsen ist.

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  2. sally Kremer

    Hallo, danke für diese Empfehlungen. Könnten Sie auch einige Kinderbücher zum Thema empfehlen?

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  3. Linda

    Vielen herzlichen Dank für diese Zusammenstellung. Ich bin vor ein paar Jahren aus meiner weißen Bubble aufgemacht – seit dem ich einen nicht weißen Mann liebe, setze ich mich mehr mit Rassismus auseinander. Seitdem ich wieder in Deutschland lebe, noch viel mehr. Denn in Neuseeland und Kanada war es nicht so präsent, da beide Länder im Vergleich doch multikultureller sind. Und jetzt in Deutschland wurde mir das erste Mal der Begriff interracial couple bewusst. Nach Hanau habe ich Alice Hasters Buch gelesen – und war geschockt, wie tief Rassismus in unseren Strukturen und der Gesellschaft verwurzelt ist. Wenn ich im Freundeskreis – hier natürlich mehrheitlich weiß – über meine Ängste spreche was meinen Mann betrifft, fühle ich mich nicht verstanden und nicht ernst genommen denn …“hier gäbe es ja keinen Rassismus“ und „so ein Quatsch, er wird hier keine Probleme haben“.
    Genau in diesem Freundeskreis rede ich nun darüber, versuche zu sensibilisieren. Beiträge wie Eure helfen.

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  4. Selma

    Vielen lieben Dank für die Pflichtlektüre- und Doku-Tipps. Einiges davon habe ich schon gelesen und kann es nur jedem ans Herz legen. Als türkischstämmige, muslimisch gelesene Frau bin ich fast tagtäglich Alltagsrassismus, Mikro- und Makroaggressionen sowie den rassistischen Strukturen unserer Gesellschaft ausgesetzt. Es ist so kräfteraubend sich dagegen zu behaupten und seinen Weg zu gehen. Genauso anstrengend ist es, Menschen über diese Missstände aufzuklären. Als Betroffene wird es einem untersagt und einem unterstellt, man sei ja zu empfindlich. Umso besser finde ich es, dass es viele Verbündete in der Aufklärungsarbeit gibt, so wie dich! Danke aus ganzem Herzen für dein Engagement!!! Liebe Grüße aus Frankfurt. Selma

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