Dieser Beitrag erschien erstmals im Februar auf This is Jane Wayne.
Vor wenigen Jahren, vermutlich war ich da gerade selbst Mutter geworden, schrieb ich ein paar Zeilen über das damals schon beliebte Jonglieren mit Begriffen, mithilfe derer die Menschheit seit geraumer Zeit versucht, das Frausein in bedeutungsschwangere Hashtags zu verpacken. Überall Powerfrauen. Und Karrierefrauen! Mir kam das zunächst nur etwas komisch, aber wenig problematisch vor, dieser unbedingte Drang danach, ein Label zu finden, meine ich – für die eigene Existenz. Über Luftpumpenfrauen hätte ich mich vielleicht geärgert, aber so? Klingt doch nett. Nein, Moment: Nach Empowerment.
Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht
Irgendwann aber begriff ich, dass es tragischerweise oft Falsches mit scheinbar richtigen Beschreibungen befeuern. Der charmante Versuch, Frauen mitsamt ihren sehr individuellen Lebensrealitäten durch „Etiketten“ sichtbar(er) zu machen, führt am Ende etwa zum Verschwinden etlicher wunderschöner Zwischennuancen. Dazu, dass all jene, für die bisweilen (noch) keine hippe Schublade vorgesehen ist, verbal und emotional über die Klippe gejagt, ja ausgeschlossen werden. Auch, weil unsere Gehirne da einfach nicht mitkommen. Zuweisungen wie Powerfrau, Karrierefrau, Workingmum oder Mumpreneur sind schließlich schon allein aufgrund unserer Sozialisation wertender Natur. Sie erzählen nicht die Geschichten vielfältiger Lebensmodelle oder unterschiedlicher Frauen* mit mannigfaltigen Zielen und Träumen – sondern suggerieren: Es gibt ausschließlich solche – und den ganzen Rest. Die einen, die alles richtig und krass, also richtig krass machen, und: Alle anderen. Die, die weder Power noch eine berufliche Karriere vorzuweisen haben. Wer nicht dazugehört, wird unsichtbar. Genau wie die Wertschätzung für das, was jene leisten, die es ein bisschen oder komplett anders machen. Die beispielsweise halbtags erwerbstätig sind oder unbezahlte Care-Arbeit leisten. Aber, werden jetzt einige arbeitende Mütter unter uns sagen, wo bleibt denn die Wertschätzung dafür, dass ICH keine Zeit habe, vormittags auf dem Tennisplatz zu stehen oder Dinkelsenfknusperstangen zu backen? Es ist ja schon etwas „anderes“. Das stimmt und das darf es auch. Bloß folgt nun schon wieder ein aber.
Vom Privileg, die Wahl zu haben
In diesem Diskurs darf es nämlich zunächst einmal keine Rolle spielen, wie wir persönlich gewisse Umstände oder fremde Lebensentwürfe beurteilen. Ich zum Beispiel bin bekanntlich keine Freundin von finanzieller Abhängigkeit. Auch, weil sämtliche Ursachen von Altersarmut, die faktisch vermehrt Frauen betrifft, vor allem im klassischen Rollenbild und patriarchalen Machtstrukturen zu finden sind. Das bereitet mir natürlich Sorge. Aber es veranlasst mich nicht die Bohne dazu, mich für etwas Besseres zu halten. Im Gegenteil: Gerade weil ich arbeite, denke ich hin und wieder: Scheiße, wie schaffen Full-Time-Eltern das? Den ganzen Tag für die Kinder da zu sein, sie zu bespaßen und zu fördern? Gut möglich, dass ich aufgrund des Dauer-Spagats zwischen Familie und Job vielleicht nicht weniger erschöpft bin. Aber ich habe erstens das Privileg, überhaupt die Wahl zu haben und noch dazu gern ins Büro zu gehen und bin zweitens ernsthaft beeindruckt von Menschen, die so gut wie niemals Zeit für sich allein haben.
Wir sind alle Working Mums
Abgesehen davon, stellt sich mir eine große Frage: Wo um alles in der Welt ordnen wir aus unserer überprivilegierten Blase heraus denn all die Über-Mütter (seht ihr, jetzt mache ich es auch schon) ein, die sich tagtäglich oder auch nachts den Arsch abarbeiten, im Schichtdienst oder sonst irgendwo, die sicher keine Karriere, aber mehr am Hals haben, als die meisten hier Mitlesenden zusammen – weil sie gar keine andere Chance haben? Wie erklären wir unser stolzes Label-Gehabe Eltern, die tatsächlich schrecklich gerne mehr Zeit mit ihren Neugeborenen verbringen würden, es aber aus ökonomischen Gründen schlichtweg nicht können? Würden wir ihnen tatsächlich erhobenen Hauptes gegenübertreten (ohne dabei unsere eigene Würde und jeden Respekt zu verlieren) und Dinge sagen wie: Hi, ich bin eine stolze #WorkingMum – und du so? Oder würden wir uns, der Empathie sei dank, am Ende doch ein bisschen sehr komisch dabei vorkommen? Wie Elefantinnen im Porzellanladen? Aha.
Jetzt kann Mensch natürlich behaupten, sämtliche arbeitende Mamas wären ja wohl in den Begriff #WorkingMum inkludiert. Ich bezweifle das jedoch. Stark. Es gehört doch schon ein wenig neumodische instagramibility dazu, wage ich zu behaupten.
Aufrichtiger und reflektierter wäre es folglich, anzuerkennen, dass wir alle unser Bestes geben. Dass manch eine Mutter oder Frau überhaupt keine Wahl hat. Dass wir dennoch alle Mütter sind, die arbeiten. Oder eben keine Mütter! Aber alle Frauen. Keine besser, keine schlechter. Nur werden die einen tatsächlich besser bezahlt, andere schlechter und viele auch gar nicht. Weil Care-Arbeit bis heute lieber belächelt statt vergütet wird (mehr dazu bei Edition F). Wer kann im Angesicht dieses Kuddelmuddels also ernsthaft noch mehr Zündstoff für sogenannte „Mum-Wars“, die doch sowieso permanent wüten, wollen? Mehr Futter, das zur Abgrenzung beiträgt? Tja, die Macht der Sprache. Wir können sie gern weiter ignorieren. Oder endlich schlauer werden, um respektvoller zu handeln.
Wir sagen nicht immer, was wir meinen
Als ich meine eigene Mutter neulich fragte, ob sie sich je als WorkingMum bezeichnet hätte, antwortete sie nur sehr knapp: „Wen interessiert das? Was hat denn meine Arbeit mit meiner Familie zu tun und anders herum? Auf der Arbeit möchte ich ja auch gern mit meinem Vornamen und nicht mit Frau Mutter angesprochen werden.“ Aber ich weiß schon. Wir wollen im Grunde doch nur sagen: Ich arbeite und bin Mutter. Bloß tun wir uns selbst überhaupt keinen Gefallen damit. In Wahrheit füttern wir wieder nur marode Stereotype – das macht allein das fehlenden Pendant #WorkingDad (funktioniert übrigens auch bei Powermann) sehr deutlich. Haha, denkt man da doch. Klasse, ein Working Dad, wie neu. Was das kollektive Ohr der Gesellschaft nach 2000 Jahren Patriarchat also hört, ist: Ich bin stark, obwohl ich eine Frau bin. Ich arbeite obwohl ich Mutter bin. Ich bin eine Ausnahme. Da lacht der Sozialismus. Und es besteht, wie gesagt, kaum Zweifel daran, dass bei nicht wenigen Empfänger*innen schlicht eines ankommt: Ich bin besser als du. Ich schaffe mehr. Ich bin mehr. Eine weitere, komische Krux ergibt das folglich, denn obwohl wir uns mithilfe verschiedener Frauen*typen ja eigentlich erhobenen Hauptes platzieren und etablieren wollen, machen wir uns in Wahrheit ganz klein. Wir beugen uns mit all diesen Definitionsversuchen im Grunde nur konservativen Denkweisen, in denen zwischen Frausein und Muttersein ohnehin überhaupt kein Unterschied besteht, in denen Mütter für gewöhnlich eben keineswegs arbeiten, weshalb eine berufliche Tätigkeit unbedingt als Attribut oder Merkmal erwähnt gehört, weil: hört, hört!
Wir sind: Frauen
Führen wir den Gedanken schließlich konsequent weiter, wird „Powerfrau“ oder eben „WorkingMum“ plötzlich zum genauen Gegenteil von gut gemeint, nämlich zu einer Art Diminutiv von allen „Frauen“ (mehr dazu bei Little Years). Da mache ich nicht mit. Schon lange nicht mehr. Denn irgendwann einmal, da war es vielleicht wichtig, mithilfe eindeutiger Begrifflichkeiten am Muttermythos zu rütteln, sich als Teil von etwas Größerem betrachten zu können. Vielleicht hat das eine Zeit lang sogar ganz gut funktioniert und mit Sicherheit hat es uns Gehör verschafft, unser Bewusstsein geschärft. Aber es ist Zeit, weiter zu ziehen. Schließlich hielten wir es noch vor wenigen Jahren für wichtig, längst erwachsen gewordene Frauen mit Girl Power zu übergießen. Bis wir lernten, beobachteten und schließlich begriffen: Wir sind ja gar keine Mädchen mehr.
Heute sind wir bitte, bitte keine Powerfrauen mehr. Und auch keine Working Mums. Sondern: Frauen*. Jede mit einer ganz eigenen Geschichte. Wir brauchen nämlich keine Schubladen, sondern endlich neue Perspektiven.