Ich könnte Bücher fressen, so gern habe ich sie und meistens kann ich gar nicht so viel lesen, wie ich wissen will. Zum Beispiel, weil meine permanente Müdigkeit mir am Abend dazwischen grätscht – denn tagsüber, da gibt es anderes zu tun. Nun sind wir ja aber ohnehin zuhause festgetackert und ich bin schwer dafür, den Optimismus (noch) nicht von dannen ziehen zu lassen. Schön ist gerade doch zumindest das bisschen Mehr-Zeit, das viele von uns dank der aktuellen Misere für all die Dinge haben, die normalerweise viel zu kurz kommen. Zumindest in der blumigen Theorie.
Diese aktuelle Bücherliste, die vollgepackt ist mit wahren Perlen (das könnt ihr mir glauben), habe ich ehrlich gesagt schon vor den großen Corona-Einschränkungen erstellt, sonst hätte ich gleich noch zwanzig weitere Werke dazu gepackt. Egal, dachte ich mir heute morgen: So bleibt noch Platz für viel, viel mehr Beiträge dieser Art. Auch via Instagram werde ich euch in den kommenden Wochen folglich vermehrt mit meinen Lieblingsautor*innen den Bauch pinseln. Entschuldigt diesmal aber bitte die fehlenden persönlichen Zeilen zu den besten Büchern der Woche – das Kind, das nicht zur Kita geht, möchte an seinem ersten Ingenieurs-Projekt zum Zugbau weiter basteln. In solchen Zeiten machen Klappentexte doch gleich doppelt was her:
Drei Frauen von Lisa Taddeo
– übersetzt von Maria Hummitzsch
„Wie kann es sein, dass Linas Mann sie schon seit Jahren nicht mehr küsst? Wie kann es sein, dass Maggies Lehrer nicht verurteilt wird, obwohl er die Siebzehnjährige verführt hat? Wie kann es sein, dass Sloane Nacht für Nacht mit einem anderen schläft, nur weil ihr Mann ihr gern dabei zusieht? Lina, Maggie und Sloane begehren auf. Sie entdecken ihre eigene Lust und erfahren, was es bedeutet, wahrhaft zu lieben.
Die amerikanische Schriftstellerin Lisa Taddeo hat diese drei Frauen über Jahre hinweg begleitet, hat sich mit ihren Ängsten und Sehnsüchten konfrontiert. Literarisch brillant verdichtet sie ihre Erfahrungen zu einem unerwarteten Bild des weiblichen Begehrens in all seinen Facetten – anziehend und verstörend, vielschichtig, gewaltig und schön.“ Erschienen bei Piper, hier erhältlich.
„Ein erstaunlicher Akt imaginierter Empathie und ein Geschenk an alle Frauen dieser Welt, die das Gefühl haben, dass ihr Begehren ignoriert und ihre Stimmen nicht gehört werden. Ein Buch, das einen hinwegfegt, das schimmert und glitzert und ins Herz dessen trifft, was wir sind.“ The Sunday Times |
How To Be A Feminist von Marta Breen
– übersetzt von Nora Pröfrock
„Gleiche Bezahlung? Quoten? Männer in Elternzeit? Alles kein Thema? Was bei uns weiter diskutiert wird, ist in Skandinavien längst Realität. Keine Region weltweit hat sich so früh und vehement für Frauenrechte eingesetzt, und nirgendwo geht es Frauen so gut wie dort. Kein Wunder also, dass wir von ihnen lernen können, wie Gleichstellung geht.
Marta Breen (#womeninbattle), Norwegens bekannteste Feministin, räumt in ihrer Streitschrift mit vielen Mythen über den Feminismus auf und macht deutlich, warum wir alle davon profitieren, in einer gleichberechtigten Gesellschaft zu leben.“
Erschienen im Elisabeth Sandmann Verlag, hier erhältlich mit Illustrationen von Jenny Jordahl und einem Vorwort von Teresa Bücker.
„Eine der großen feministischen Fragen für mich ist, wie wir leben wollen und dabei groß zu denken. Wir brauchen einen Feminismus mit Utopien. Welche ist deine?“ Teresa Bücker |
Dad von Nora Gantenbrink
„«Dad» ist ein Roman über einen Hippie-Vater, aber auch eine Reise in das Deutschland der 60er, 70er, 80er, 90er und Nullerjahre, in die Maghreb-Staaten und in viele Winkel Asiens. Die Wurstwarendynastie, die Ehe der Eltern, den Vater – die Eckpfeiler dieser Erzählung gibt es nicht mehr. Geblieben sind Geschichten von Drogentrips. Oder wie «Dad» als Student angeschossen wurde. Von großen Abenteuern. Und dem einen, das kein happy end hat, der HIV-Infektion, die er von einer seiner Reisen mitgebracht hat. «Mein Vater ist seit zehn Jahren tot, als ich ein blassblaues Notizbuch nehme und DAD vorne drauf schreibe. Das ist der Anfang.» Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Liebe, Sucht und Sehnsucht und über eine junge Frau, die versucht zu verzeihen.“
Erschienen Rowohlt, hier erhältlich.
„Ein Glücksfall für die deutsche Gegenwartsliteratur, möchte man fast sagen, eine solche Stimme zwischen Verzweiflung, Selbstmitleid und Selbstironie vernehmen zu dürfen.“ Literaturkritik.de |
x Trigger-Warnung: Das nachfolgende Buch beinhaltet explizite Erzählungen, die von (sexuellen) Gewalterfahrungen handeln x
AktenEinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt von Christina Clemm
„Gewalt gegen Frauen ist ein alltägliches Phänomen, auch wenn sie nur selten öffentlich wird. »AktenEinsicht« erzählt Geschichten von Frauen, die körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, und vermittelt überraschende, teils erschreckende Einsichten in die Arbeit von Justiz und Polizei. Nach den neuesten Zahlen des BKA ist jede dritte Frau in Deutschland von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Welche Lebensgeschichten sich hinter dieser erschreckenden Zahl verbergen, davon erzählt die Strafrechtsanwältin Christina Clemm, empathisch und unpathetisch.
Alina ist nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen. Sie wusste, dass sie wahrscheinlich nur als Prostituierte wird arbeiten können, und kommt gut damit zurecht. Mit Vielem hat sie gerechnet, aber nicht damit, dass ein Bekannter ihres Bruders ihr nachstellt und – als sie ihn abweist – versucht, sie auf offener Straße zu töten.“
Eva verlässt ihren Freund, der sie in den Bauch tritt, als sie schwanger ist. Er verfolgt sie, schickt Morddrohungen. Siebzehn Mal hatte sie ihn vergeblich bei der Polizei angezeigt, als ihre Tochter sie tot in ihrer Wohnung findet. Faizah wird von ihrem deutschen Ehemann schwer misshandelt. Einmal gelingt es ihr, sich nach draußen zu retten. Er folgt ihr, prügelt weiter, würgt sie, bis Passanten ihn festhalten und die Polizei holen.
Wie gewinnt man nach einer Gewalterfahrung die Selbstachtung zurück, die Selbstbestimmung über das eigene Leben? Wie geht man damit um, dass die Polizei einen angekündigten Mord nicht ernst nimmt? Dass man einem Richter gegenübersteht, der auf dem rechten Auge blind ist? Was macht es mit den Betroffenen, die Täter wiedersehen zu müssen und sich bohrenden Fragen zur Tat zu stellen?“ Erschienen beim Anja Kunstmann Verlag, hier erhältlich.
Zur Autorin:Christina Clemm arbeitet als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt. Sie ist Fachanwältin für Strafrecht und Familienrecht in Berlin und war Mitglied der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts des BMJV. |
Sie hat Bock von Katja Lewina
„Was ist sexistisch an unserem Sex? Katja Lewina hat Bock, und sie schreibt darüber. Wäre sie ein Mann, wäre das kein Ding. So aber ist sie: »Schlampe«, »Nutte«, »Fotze«, »Hoe« …
Seit #metoo werden die Rufe nach der potenten Frau laut und lauter. Aber hat eine, die ihr sexuelles Potenzial jenseits von »stets glatt rasiert und gefügig« lebt, in unserer Gesellschaft tatsächlich einen Platz?
Lewina führt die Debatte über weibliches Begehren fort und erforscht entlang ihrer eigenen erotischen Biografie, wie viel Sexismus in unserem Sex steckt. Kindliche Masturbation, Gynäkolog*innenbesuche, Porno-Vorlieben oder Fake-Orgasmen: Kein Thema ist ihr zu intim. Und nichts davon so individuell, wie wir gern glauben. Aber die Krusten unserer Sozialisation lassen sich abkratzen! Und so ist Sie hat Bock mehr Empowerment als Anprangern, mehr Anleitung zur Potenz als Opferdenke. Denn nach der Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten und Tabus ist es an der Zeit, den Weg zur Selbstermächtigung einzuschlagen.“ Erschienen bei Dumont, hier erhältlich.
„Das Buch ist die ›Bibel‹ für sexuelle Selbstbestimmung und sollte bei jeder*m im Schrank stehen, der*die Sexualität neu definieren und frei von gesellschaftlichen Grenzen leben will.“ Mandoline Rutkowski, EDITION F |
x Trigger-Warnung: Das nachfolgende Buch kann von Depressionen Betroffene triggern x
Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein von Benjamin Maack
„»Bin ich jetzt ein Leben müde?«, fragt Benjamin Maack, als er mit seinem großen, schwarzen Rollkoffer vor der Psychiatrie steht. Vier Jahre zuvor hatte er sich schon einmal eingewiesen, nach einem Nervenzusammenbruch – die Diagnose: Depression. Jetzt ist er wieder hier und berichtet von den letzten Nächten, die er nicht mehr im Ehebett, sondern auf dem Sofa verbringt, schlaflos, nervös, in Panik. Und dem Alltag in der Klinik, wie er mit den Mitpatienten »Alarm für Cobra 11« schaut oder im großen Aufenthaltsraum Delfine im Mondlicht puzzelt. Wie ihm statt Frau und Kindern die Pfleger zum 40. Geburtstag gratulieren und wie er in der Kreativwerkstatt lernt, zu sticken. Er erzählt von Medikamenten, ihren Nebenwirkungen, von Selbstmordgedanken und jenem Abend, an dem auch starke Beruhigungsmittel nicht mehr helfen und er auf »die Geschlossene hinter der Geschlossenen« verlegt wird – ständig schwankend zwischen Hoffnung und tiefer Verzweiflung.“ Erschienen bei Suhrkamp, hier erhältlich.
„Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein ist ein entwaffnend ehrliches Zeugnis vom Leben mit Depressionen. Benjamin Maack ringt der unbarmherzigen Krankheit tragikomische Momente ab und erzählt von ihr in so berührenden wie klaren Bildern. Seine Geschichte ist aber nicht nur Psychiatrie- und Krankenbericht, sondern auch Familiendrama und die Erzählung eines persönlichen Schicksals. Ein schonungsloses, literarisch kraftvolles Buch.“ Suhrkamp Nova |
Flexen in Miami von Joschua Groß
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„Eine Geschichte von Liebe und Technik, von Identität und Games, von Quallen, Menschen, Drohnen und Avataren – und den unzähligen Möglichkeiten, wie diese einander begegnen oder sich verfehlen können.“
Auf Einladung der Rhoxus Foundation verschlägt es den Erzähler Joshua nach Miami. Dort findet er sich in einem smarten Apartment wieder: Geld und Astronautennahrung werden von einer Drohne geliefert, die Temperatur automatisch reguliert, der Kühlschrank ist sein einziger Gesprächspartner. Das Computerspiel »Cloud Control« bietet die einzige Abwechslung, es speist sich in Echtzeit aus den Daten der Gamer. Bei einem NBA-Spiel trifft Joshua die Meeresbiologin Claire, und die beiden reisen nach wenigen Wochen nach Nassau, wo Claire ihm eröffnet, dass sie schwanger ist, jedoch offenlässt, ob das Kind von ihm ist. Flexen in Miami ist eine Liebesgeschichte, die auf vielfachen Ebenen danach fragt, woher wir wissen können, dass wir da sind, und wie wir einander begegnen können: als Menschen oder Avatare, im Leben genauso wie in der Cloud. In seinem lang erwarteten Roman erzählt Joshua Groß von den diversen Einkerbungen, Traps, Glitches und Unsicherheiten in der Realität, die wir unsere Gegenwart nennen.
Erschienen bei Matthes & Seitz, hier erhältlich.