„Fashion Changers – Wie wir mit fairer Mode die Welt verändern können“ – Das Buch

Nina Lorenzen, Vreni Jäckle und Jana Braumüller haben sich 2017 als geballte Ladung zusammengetan und das Fair Fashion Kollektiv Fashion Changers gegründet, um uns in Sachen „Nachhaltigkeit“ nicht nur aufzuklären, sondern auch den Finger in die Wunde zu legen und an unseren Gewohnheiten zu rütteln. Längst engagieren sich die Gründerinnen aber auch offline und bringen Medienschaffende zusammen, um nachhaltige Themen und soziale Verantwortung auf unsere Agenda zu bringen. Wer jetzt allerdings ausschließlich an mahnende Worte und Verbotshinweise denkt, ist ganz verkehrt unterwegs, denn die Fashion Changers verstehen es seit jeher, die kritische Auseinandersetzung mit der Industrie eben auch mit dem Spaß an der Mode zu verbinden. Das eine muss das andere nämlich längst nicht mehr ausschließen, wie die Drei nahezu tagtäglich auf ihren Accounts und ihrem Meinungsmedium teilen.

Seit gestern nun ist ihr erstes Printwerk Fashion Changers – Wie wir mit fairer Mode die Welt verändern können auf dem Markt: Ein Buch, das sowohl als Ratgeber, Inspirationsquelle, Nachschlagewerk und Impulsgeber verstanden werden kann und mit seinen 256 Seiten ab sofort auch in unseren Bücherregalen stehen sollte. Warum genau, das haben wir die Ladies pünktlich zum Verkaufsstart selbst gefragt:

1. Ihr Drei seid die „Fashion Changers“ – für alle, die euch nicht kennen: Wer seid ihr, was macht ihr – und welches Ziel liegt euch mit eurer Plattform dabei am Herzen?

Wir sind Nina, Jana und Vreni und haben 2018 die Fashion Changers gegründet. Eine Community Plattform, mit der wir Themen rund Slow Fashion und Nachhaltigkeit medial sichtbarer machen wollen. Uns ist es wichtig, gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir die Modeindustrie gerechter, nachhaltiger und inklusiver gestalten können. Das machen wir offline mit eigenen Veranstaltungen oder als Speakerinnen. Und online im Fashion Changers Magazin, für das großartige Autorinnen schreiben. Außerdem besteht ein Großteil unserer Arbeit aus Modeaktivismus. Für uns ist es wichtig, dass wir uns über unsere redaktionelle Arbeit hinaus gesellschaftlich einbringen, politische Forderungen stellen und auch andere mobilisieren, Veränderungen einzufordern.

 

 
 
 
 
 
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2. Aus der digitalen Welt in den Printbereich: Wie kam die Idee zu einem Buch und wie unterscheidet sich das Printwerk von euren Online Geschichten?

Tatsächlich haben wir jede für sich den Traum gehegt, irgendwann mal ein Buch zu schreiben. Und vor etwas über einem Jahr hatten wir dann eine E-Mail vom Knesebeck Verlag im Postfach, ob wir uns vorstellen könnten, einen Fair-Fashion-Guide zu schreiben. Konnten wir uns natürlich! Das Buch fasst unser Wissen zusammen, das wir uns im Laufe der letzten Jahre angeeignet haben. Wir schreiben aber nicht nur über die Missstände in der Modeindustrie, sondern zeigen auch, wie man es besser machen kann. Dafür haben wir 20 Menschen interviewt und porträtiert, die allesamt mit ihrem Handeln einen Paradigmenwechsel wollen.

Das Buch ist insofern anders, als dass wir noch nie so eine umfassende Sammlung an Wissen und Themen zusammengebracht haben. Dadurch ist es auch kein klassischer Guide geworden, sondern einer, der durch viele Texte zu Feminismus, Klima, Diversität und Inklusion ergänzt wird. So reflektieren wir Privilegien in einem Buch, das auch Modestrecken beinhaltet. Wir finden, das schließt sich nicht aus und sollte viel öfter alles zusammen gedacht werden.

3. Das Buch agiert als Ratgeber, Inspirationsgeber und Nachschlagewerk: Was war euch besonders wichtig bei diesem Buch und was durfte unter keinen Umständen fehlen?

Uns war wichtig, dass das Buch ein Einstieg ins Thema sein kann, aber auch für Leser*innen interessant ist, die sich schon intensiver mit fairer und nachhaltiger Mode beschäftigt haben. Deswegen finden sich nicht nur Tipps und Inspiration im Buch, sondern eben auch viele Texte dazu, wie Mode in Bezug auf Klima eingeordnet werden kann oder was sie konkret dazu beitragen kann, Menschen verschiedener Gruppen sichtbar zu machen.

4. Hat jede von euch ihren speziellen Themenbereich oder wie können wir uns eure Zusammenarbeit vorstellen? Ist es wie ein Puzzle, das sich irgendwann zusammensetzt?

Wir entscheiden bei unserer Arbeit immer sehr vieles zusammen – also schon eher ein Puzzle als abgegrenzte Bereiche. Das ist manchmal nicht so einfach, weil wir ja trotz tausender Gemeinsamkeiten auch sehr unterschiedlich sind. Aber wir merken immer wieder: genau das macht es spannend und gut, wir können uns gegenseitig motivieren, ausbalancieren und unterstützen. Das war während der Buchproduktion so wertvoll, weil man bei Schreibblockaden irgendwo im Chaos immer noch eine Hand findet, die man greifen kann. Das Konzept fürs Buch haben wir uns zusammen überlegt. Und die Interviews haben wir auch meistens zusammengeführt, wobei da immer eine den Hut aufhatte. Jede von uns hat dann eines der vier Hauptkapitel hauptverantwortlich übernommen und da die Fäden zusammengehalten. Und irgendwann hatten wir dann 256 Seiten.

5. Ihr setzt euch seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit, für besseren Konsum und für Verantwortung ein: Was aber macht euch nach all den Jahren so richtig wütend? Wofür gibt es keine Rechtfertigung mehr und was muss sich endlich ändern?

Inzwischen haben viele Unternehmen zwar verstanden, dass man am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbeikommt, so richtig ernst meinen es viele aber trotzdem nicht. Wie kann es sein, dass wir es im Jahr 2020 textilproduzierenden Unternehmen immer noch durchgehen lassen, dass sie ihren Profit auf die Ausbeutung von Menschen (im Textilbereich meist Frauen*) stützen? Uns macht es wütend, dass viele Textilarbeiter*innen sexueller Gewalt ausgesetzt sind, dass sie für einen besseren, aber immer noch viel zu niedrigen Lohn auf die Straße gehen müssen und nicht gehört werden, oder dass sie einfach gekündigt werden, wenn sie schwanger sind, und gewerkschaftliche Organisationen, die in solchen Momenten mehr als nötig wären, oftmals unterdrückt werden. Und hier in Deutschland sagen wir dann: die Unternehmen müssen sich freiwillig selbst dazu verpflichten, es besser zu machen – und die Konsument*innen müssen es mit ihrem Konsum richten. Erst jetzt hat das Wirtschaftsministerium verkündet, dass es für ein Lieferkettengesetz aus wirtschaftlicher Sicht zu früh wäre.

Wir fragen uns: Kann es zu früh für Menschenrechte sein? Das macht uns immer wieder wütend, genauso natürlich, wenn wir uns die Folgen der Modeindustrie auf die Umwelt ansehen. Manchmal lähmt das, meistens treibt es uns aber an. Wenn man wütend ist, hat man gleichzeitig ja auch den Drang, noch mehr für eine Veränderung einzustehen. Und zu wissen, dass es viele Gleichgesinnte gibt, kann auch ermächtigend sein.

6. Gibt es dagegen so richtige Glücksmomente in Sachen „Weiterentwicklung“, seitdem ihr an einer etwas besseren Welt arbeitet?

All die Menschen, die wir für unser Buch interviewt haben, haben uns sehr inspiriert und uns gezeigt, wie das mit einer besseren Modewelt aussehen kann. Es gibt inzwischen schon so viele tolle Personen, die an Lösungen arbeiten und ein Bild zeichnen, bei dem man sagt: Ja! So kann das mit der Mode sein!

Was außerdem gerade eine spannende Entwicklung ist, die uns Mut macht: Es gibt inzwischen einige Unternehmen, die sich ebenfalls für ein Lieferkettengesetz einsetzen und sich öffentlich dazu bekennen. Das finden wir sehr wichtig, weil es auch das Argument, dass man alles mit freiwilligen Selbstverpflichtungen lösen kann, entkräftet. Dass es mit der Freiwilligkeit allein einfach nicht vorangeht, haben wir nämlich schon in den letzten Jahrzehnten gesehen und wir sind mehr als bereit für ein Gesetz.

[typedjs]Das Richtige zu tun bleibt richtig auch wenn es die Welt nicht rettet.[/typedjs]

7. Manchmal haben wir als Konsument*innen das Gefühl, das eigene Handeln ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein – ähnlich wie bei Flugverzicht, Einweg-Verzicht, Fleischverzicht oder Plastikreduktion. Wisst ihr, was ich meine? Wir sollen und müssen gewiss Verantwortung übernehmen, aber die Verantwortlichen von Umweltverschmutzung und Ausbeutung scheinen wenig belangt zu werden – oder kriegen wir Konsument*innen das bloß alles gar nicht mit?

Jan Lenarz von @klimaangst sagt so schön: „Das Richtige zu tun bleibt richtig, auch wenn es die Welt nicht rettet.“ Das beschreibt es ziemlich gut. Natürlich wird es nicht direkt die Modewelt verändern, nur weil ihr oder wir nur noch nachhaltige Mode konsumieren. Das macht es aber nicht weniger richtig. Gleichzeitig plädieren wir aber auch immer dafür, dass wir alle uns nicht nur als Konsument*innen verstehen sollten, sondern vor allem auch als Bürger*innen, die Forderungen stellen können. Die Frage, die du stellst, ist dabei auch genau die Richtige: Warum wird die Verantwortung auf Einzelpersonen abgeladen, warum wird so wenig an den großen Hebeln gedreht?

8. Das macht total Sinn. Was muss sich für euch außerdem dringend ändern?

Die gesamte Branche muss sich grundlegend ändern. Die dahinterliegenden Systeme, vornehmlich patriarchalisch geprägte Strukturen, müssen neu gedacht werden. Das heißt im Klartext, Lieferketten müssen transparent werden und menschenrechtliche und umweltschädliches Vorgehen aufgedeckt werden. Und dann sollten wir alle, also sowohl Modemachende als auch -konsumierende, auch krass reduzieren und neue Wege finden, Mode zu feiern und uns auszudrücken.

9. Und warum ändert sich nichts – oder nur wahnsinnig langsam?

Das liegt, wie gesagt, an den eingefahrenen Strukturen. Viele Modekonzerne haben über die letzten Jahrzehnte weit verzweigte Lieferketten aufgebaut, in denen es schwer ist, den Überblick zu behalten. Solange es keine gesetzliche Regulierung gibt und freiwillige Selbstverpflichtung das Mantra von Politik und Wirtschaft ist, wird sich daran auch nichts ändern. Die Macht der Konsument*innen ist eben nur begrenzt.

10. Konsumverzicht ist wohl die nachhaltigste Form des Konsum, aber das ist gesamtgesellschaftlich ganz und gar unrealistisch: Wie mache ich es denn am besten?

Das stimmt, für die breite Masse ist Verzicht nicht die Lösung. Wir setzen auf eine neue Wertschätzung von Kleidung, die auch die Schnelligkeit der Branche rausnimmt und auf neue Modelle, die trotzdem Lust machen, Mode zu entdecken.

Zum Beispiel das Tauschen von Kleidung mit Freund*innen oder auch bei Kleidertauschpartys. Kleidung mieten und sich jeden Monat über neue Lieblingsstücke freuen oder auch das Entdecken von gut kuratierten Vintageshops, die richtig Lust auf Trends vergangener Jahre machen, die ja sowieso alle wiederkommen.

11. Fair Fashion hat in den vergangenen Jahren einen unfassbaren Image-Sprung hingelegt: Was fehlt euch dennoch nach wie vor bei nachhaltiger Mode? Ich, zum Beispiel, vermisse manchmal den Mut, über Basics hinauszugehen. Mir fehlt oft das Verspielte, das Verrückte – wisst ihr, was ich meine?

Wir wissen total, was du meinst. Aber auch das hat sich mittlerweile stark gewandelt. Es gibt viele Labels, die viel mutiger geworden sind und in kleinen, nachhaltig produzierten Kollektionen echte Schmuckstücke anbieten. In unserem Buch haben wir sehr viele Labels aufgeführt, von denen viele beweisen, dass Fair Fashion nicht öde ist. Eines unserer Kapitel heißt sogar – Achtung – Mode & Stil.

12. Welche drei Labels sollten wir uns auf alle Fälle genauer anschauen?

Nur drei? Haha. Buki Akomolafe ist eine Designerin aus Berlin mit dem gleichnamigen Label. Sie ist nicht nur unsere Coverlady, sondern macht auch richtig gute zeitgenössische High-End-Womenswear mit androgynem Touch und höchster Schneiderkunst. Margarete & Hermione ist das Label von Barbara Gölles aus Wien. Sie zeigt, wie Sportswear richtig empowernd sein kann und hat jedes Mal wunderschöne Kampagnen. Jeanne de Kroon von Zazi Vintage hat uns schon bei unserem ersten Zusammentreffen total beeindruckt. Zusammen mit dem Saheli Women Kollektiv fertigt sie wunderschöne Kleider aus alten, traditionellen Stoffen.

13. Thema „Weiterbildung“: Welche Bücher helfen dabei, das Bewusstsein in Sachen Nachhaltigkeit zu erweitern und gehören sozusagen zur Pflichtlektüre?

In Sachen Nachhaltigkeit ist das Buch von Jonathan Safran Foer Wir sind das Klima! sehr gut, vor allem um die Zusammenhänge in Sachen Klimawandel und unsere damit verbundene Vorstellungskrise zu verstehen. Für den Modebereich können wir Clare Press’ Wardrobe Crisis: How We Went From Sunday Best to Fast Fashion und Tansy E. Hoskins’ Das antikapitalistische Buch der Mode empfehlen. In unserem Buch findet man im Verzeichnis auch noch mehr Empfehlungen.

14. Oft fehlen uns die Vorbilder: Könnt ihr uns drei Instagramme*innen nennen, denen wir unbedingt unser Like schenken sollten?

Da gibt es definitiv mehr als drei. Aber wenn wir uns festlegen müssen für den Moment, dann auf jeden Fall Anna und Esther von Die Konsumentin, Sydney, der sich eher als Künstler verortet (@sydney_space) und Jenni von Mehr als Grünzeug, die nicht nur Fair Fashion zeigt, sondern generell auch viele gesellschaftspolitische und nachhaltige Inhalte zeigt (@mehralsgruenzeug).

 

 
 
 
 
 
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16. Wir freuen uns riesig auf das Buch. 1000 Dank für eure Zeit und Chapeu für eure Arbeit! Wir sind natürlich ganz gespannt, worauf wir uns bei den „Fashion Changern“ in diesem Jahr außerdem freuen dürfen?

Wir planen derzeit eine Konferenz für den Herbst, die sich rund um das Thema Mode und Verantwortung drehen wird. Die Konferenz richtet sich vor allem an Professionals, die sich in Richtung nachhaltige und faire Mode noch weiterbilden wollen und Netzwerke suchen, um ihr Know-how zu erweitern. Außerdem werden wir natürlich zur Fashion Week wieder eigene Veranstaltungen machen und immer wieder versuchen, wichtige Themen zu setzen. Wir haben letztes Jahr einen Think Tank zu Diversität in der Modebranche veranstaltet und tragen dazu aktuell die Inhalte für ein E-Book zusammen. Das wird auch noch kommen. Es bleibt auf jeden Fall spannend.

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