Von Alexandra Bondi de Antoni & Maria Hunstig. Redaktionelle Mitarbeit: Hella Schneider, Beatrice Graf, Tereza Mundilová.
Zusammen ist man weniger allein. Deswegen haben wir DesignerInnen, SchauspielerInnen, GastronomInnen und Co. gebeten, uns ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen der Coronavirus-Krise zu schildern. Wie sie trotz allem weitermachen, solidarisch und optimistisch.
Das Coronavirus und seine Auswirkungen in Deutschland
Hätte man uns vor wenigen Wochen gefragt, wie wir uns den heutigen Tag vorstellen, so hätte wohl niemand auch nur annähernd das jetzige Szenario beschrieben. Die Ausbreitung von Covid-19 und dessen weitere Eindämmung zwingen gerade (fast) die gesamte Welt zu drastischen Maßnahmen. Unser alltägliches und öffentliches Leben hat sich in kurzer Zeit radikal verändert.
Es ist eine Zeit der Fragen und Unruhe. Aber auch Zeit, wertzuschätzen und dankbar zu sein für das, was man hat. Und Solidarität zu zeigen mit anderen – im fernen und im ganz nahen Kreis.
Wir haben das Privileg, in einem Land zu leben, in dem die Gesundheitsversorgung, Hygienestandards und Digitalisierung, die unsere umfassende Information und Organisation mit ermöglicht, extrem fortschrittlich sind – und die Chance, dass es zu existenzbedrohenden Versorgungsengpässen kommt, sehr gering ist. Das macht die derzeitigen Einschränkungen, mit denen wir uns in diesem Land konfrontiert sehen, immer noch verhältnismäßig klein.
Unser Team bei VOGUE hat das Glück, seine Arbeit auch bei geschlossenen Büros weitestgehend verrichten zu können. Doch was bedeutet die aktuelle Situation für die Kreativen rund um uns herum? Wie geht es den vielen AkteurInnen unserer Branche, bei denen das anders ist? Den DesignerInnen, die ihre Ware zum Teil nicht mehr produzieren und liefern können? Den vielen freischaffenden FotografInnen, StylistInnen, Make-up Artists und Co., denen jetzt ihre Aufträge wegbrechen? Den kleineren Boutiquen, die auf unbestimmte Zeit ihre Läden schließen müssen? Den Galeristen, den Gastronomen und Kreativschaffenden? Und was ist mit den Angestellten im öffentlichen, medizinischen und pflegenden Dienst, die ihre Arbeit nicht nach Hause verlegen können, die weitermachen und auf die diese Gesellschaft gerade fußt?
Wie überbrückt man eine Krisensituation, von der keiner weiß, wie lange sie andauern wird? Wie arbeitet man an einer Zukunft, von der keiner weiß, wie sie beginnt?
Lösungen findet man nur gemeinsam. Und mit Kreativität und Optimismus. Deswegen haben wir Menschen aus dem VOGUE-Kosmos gebeten, uns ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen der Coronavirus-Krise zu schildern. Wie sie trotz allem weitermachen und im besten Fall in den neuen Umständen auch eine Chance sehen können. Zusammen ist man bekanntlich weniger allein.
Sven Marquardt
Fotograf & Türsteher, @svenmarquardt
„Für mich als kreativer Freiberufler kommt der Shutdown nicht überraschend – die letzten Wochen über habe ich Absagen von Projekten nach und nach bekommen, zuerst aus Asien, dann aus Italien. In beiden Ländern arbeite ich häufig als Fotograf. Dadurch habe ich noch einmal deutlich gelernt, wie flexibel man in unserer Branche sein muss. Irgendwie hat sich dadurch bei mir eine neue Gelassenheit eingestellt. Wir müssen einfach von Tag zu Tag neu planen.
So zu entschleunigen, wie wir es jetzt alle gezwungenermaßen tun, hat mir aber schon Angst gemacht – es ist komisch, so vorgeschrieben zu bekommen, dass jetzt alles still steht. Ich kann aber dem Zustand, dadurch wieder bei sich selbst anzukommen, etwas Positives abgewinnen. Ich habe mir beispielsweise einen Stapel Magazine gekauft – auch die aktuelle VOGUE – und lese die nach und nach komplett durch, während ich es früher kaum geschafft habe, sie aus ihren Verpackungen zu nehmen.
Ich versuche, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Einige meiner anstehenden Projekte sind erst für den Herbst geplant, an denen kann ich in kleinen Schritten weiterarbeiten. Aber wie wir alle werde auch ich eingeholt von den täglichen News. Was in Italien los ist, bereitet mir große Sorgen, das berührt mich sehr – das ist schließlich für mich als Dozent der Polimoda in Florenz eine Art zweites Zuhause. Da herrscht auch ein Gefühl von Ohnmacht.
Dadurch, dass jetzt die Grenzen geschlossen sind und einige Supermärkte wie leer gefegt, hatte ich ein kurzes Déjà-vu an die DDR – aber das ist natürlich eine ganz andere Situation. Das jetzt muss passieren für die Gesundheit aller Menschen. Das Gemeinschaftsgefühl bringt uns zusammen. Ich war froh, dass das ‚Berghain‘ so schnell entschieden hat, dichtzumachen – lange bevor es gesetzlich vorgeschrieben wurde. Ich kann mir vorstellen, dass es eine bombastische Stimmung wird, wenn wir es überstanden haben und die Clubs wieder öffnen. Wie ein Neubeginn.“
Lena Sämann
Modeleitung VOGUE.de, @voguegermany
„Wie viele YouTube-Videos über historische Dampflokomotiven sind für einen Vierjährigen am Tag vertretbar, ohne dass man bleibende Schäden am Kind riskiert oder von der Gesellschaft geschmäht wird? Das ist die Frage, die sich mir stellt, seitdem verkündet wurde, dass in Bayern die Kindergärten für fünf Wochen schließen. Es ist nicht so, dass ich nicht damit gerechnet habe – aber an diesen langen Zeitraum habe ich nicht gedacht.
Nun ist es so, dass während der ersten zwei Wochen Kindergarten-Schließung auch mein Büro geschlossen ist und ich im Home-Office arbeiten darf/muss. Das sei doch super, sagen viele. Mutter und Kind den ganzen Tag zusammen zu Hause, ein bisschen arbeiten, ein paar Video-Meetings und ein bisschen spielen – so schön. Sagte keine Mutter niemals. Das klappt nämlich nicht. Kein Vierjähriger spielt acht Stunden lang allein zu Hause, er will eine/n SpielkameradIn, und vor allem will er auch mal aus dem Haus. Ich bin daher gespannt, wie das die nächsten Wochen laufen wird. Was überlegt sich mein Arbeitgeber für die Mütter und Väter im Unternehmen, um beim Balance-Akt zwischen Vollzeitjob im Home-Office und Kinderbetreuung zu unterstützen? Wird eine innovative, der Situation entsprechende Lösung gefunden?
Mein Freund (und Vater meines Kindes) arbeitet übrigens im Gesundheitswesen, und an eine Teilung der Betreuung ist aus diesem Grund gerade nicht zu denken. Und auch die sonst immer großartige Betreuung durch die Großeltern, die sich freuen würden, das Kind zu sich zu nehmen, ist im Falle von Corona ja leider nicht möglich. Ich werde mich nun mit anderen Müttern zusammenschließen, und wir wollen versuchen, die (gesunden) Kinder zusammen spielen zu lassen, damit immer eine mal Zeit hat, etwas anderes zu machen. Und ich überlege, ob ich nicht doch noch das YouTube-Premium-Test-Abo abschließe, damit der Kleine nicht auch noch die Werbung mitansehen muss…“
(Geschrieben mit dem Laptop auf dem Schoß neben dem Spielplatz im Hinterhof)
Matze Hielscher
Mitbegründer Mit Vergnügen, @matzehielscher / @mitvergnuegen
„Für uns bei Mit Vergnügen stellt sich natürlich die Frage, was man macht, wenn all das, wofür du stehst – rausgehen, Stadt entdecken, Freunde treffen –, plötzlich nicht mehr möglich ist. Als Geschäftsführer einer Firma mit 25 MitarbeiterInnen ist mir da schon mal kurz die Zuversicht in den Keller gerutscht. Die letzten Tage allerdings haben dann gezeigt, dass wir als Team gut mit Veränderungen können und auch dafür ausgestattet sind. Wir werden jetzt vom Freund in der Großstadt zum Freund für zu Hause. Ich versuche nicht, daran zu denken, was in fünf Monaten ist, denn das weiß ja niemand. Ich bleibe ab jetzt im Jetzt. Und da sehe ich gerade viele neue Ideen, eine stabile Internetverbindung und die Sonne, die draußen scheint.“
Thibaud Guyonnet
Head of Buying beim Voo Store Berlin, @vooberlin
„Die oberste Priorität ist natürlich die Sicherheit unserer Mitarbeiter und KundInnen, deshalb haben wir beschlossen, sowohl die physischen Geschäfte als auch das Büro bis zu weiteren Anweisungen der Regierung zu schließen.
Circa 70% unserer Geschäfte machen wir im stationären Laden, und das ist der Business-Bereich, der am meisten von der Krise betroffen ist. Üblicherweise zählen hier BesucherInnen aus Südkorea, Japan und den USA zu unseren größten KundInnengruppen – dass diese fehlen, merken wir schon seit ca. drei Wochen.
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Wir haben von vielen Brands bereits Nachrichten bekommen, dass ihre Lieferungen verspätet oder gar nicht eintreffen werden. Natürlich wurden all unsere Order-Termine in Mailand abgesagt, die Brands suchen nach Alternativen. Prada hat zum Beispiel einen digitalen Showroom angeboten. Aber für unser Segment des Luxus-Einkaufens ist es wirklich schwierig, online einzukaufen. Auch all unsere Geschäftspartner haben keinen konkreten Plan. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Tag für Tag zu sehen, was passiert.
Die neue Herausforderung wird sein, wie wir während der Schließung wirtschaftlich überleben können und was als Nächstes für uns ansteht. Das Positive daran ist, dass wir Zeit und Druck haben, das gesamte Mode-System zu überdenken. Die Welt nach dem Coronavirus wird definitiv bewusster werden, und das sollte auch unsere Branche sein.“
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Madeleine Sophie Daria Alizadeh
Gründerin Daria Daria, @dariadaria
„Viele meiner Freunde sind wie ich selbstständig. MusikerInnen, FotografInnen, GastronomInnen oder Kreative. Eine gute Freundin von mir hat einen Bekleidungsladen, den sie seit Montag zusperren muss. Miete, Personal und weitere Fixkosten sind währenddessen trotzdem zu zahlen, je nachdem, welches Gesetz in Kraft tritt.
Kleine und mittelständische Unternehmen sehen in Covid-19 nicht nur eine gesundheitliche, sondern enorme finanzielle Bedrohung – zu Recht. Neben der Panik und Hysterie müssen sie sich den Kopf über ihre Existenz zerbrechen, wie sie sich und ihre Familien über die schweren Monate bringen. Tendenziell sind es leider vor allem großindustrielle, börsennotierte Unternehmen, die profitieren und gerettet werden, nicht die kleinen, die kreativen.
Deswegen gilt es besonders jetzt: die Kleinen unterstützen. Unternehmen, die nicht monatelang Gehälter zahlen können, ohne pleitezugehen. Bei Tickets für Konzerte und Ausstellungen das Geld nicht zurückverlangen, sondern um einen Gutschein bitten oder das Geld spenden. Einkäufe nicht nur bei großen Supermarktketten, sondern auch kleineren Märkten, türkischen und internationalen Shops und Bio-Läden tätigen. Essen auch bei Restaurants kaufen, das kann auch gut eingefroren werden. In Zeiten wie diesen zeigt sich gesellschaftlich, wozu wir in der Lage sind, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Es zeigt sich, wie solidarisch wir jetzt handeln können und sollten. In Italien sagt man ‚Andrà tutto bene‘, zu Deutsch: Es wird alles gut.“
William Fan
Modedesigner, @studiowilliamfan
„Wir beschäftigen uns seit Chinese New Year bereits mit diesem Thema. Unsere Manufakturen und Material-Supplier in Hongkong und Südchina sind seit Ende Februar stillgelegt. Aufgrund dessen habe ich mich mit Lieferverzögerung auseinandergesetzt und arbeite im Team schon an Konzepten, wie man die Marke William Fan mehr digital erlebbar machen kann.
Normalerweise ist mir im Alltag besonders die Begegnung mit dem Kunden direkt im Store oder im Pop-up wichtig – jetzt heißt es, dies digital via Telefon, Messages und Mails umzusetzen. Es gibt bereits digitales Styling, das kann man via Mail und WhatsApp ausbauen, und auch unsere ‚Fan Week‘ steht an, die demnächst über unsere Produkte, das Archiv oder auch Fan-Facts informiert. Diese wird via Newsletter und Instagram zu sehen sein. Wir möchten weiterhin inspirieren und unsere Welt für unsere Community ausbauen, genau in solchen Zeiten, in denen die analoge Begegnung nicht stattfinden kann.
Die kommende SS21-Kollektion ist auch in der Entwicklung, das Team und ich sind im täglichen digitalen Austausch für Korrekturen und Veränderungen. Es ist für ein junges Unternehmen in unserer Größe eine Riesen-Herausforderung zu überleben. Ich denke schon lange darüber nach, welche Innovation für ein Modeunternehmen realistisch umsetzbar ist, um die konventionellen Wege zu umgehen. Welche Aufgaben haben wir und wie können wir weiterhin gesund wachsen und die Firma an die turbulenten Zeiten dynamisch anpassen? Viele Ideen, mit denen ich mich die nächsten Wochen auseinandersetzen werde und täglich mit meinem Team diskutieren werde. Der Store ist vorerst geschlossen – Sicherheit, verantwortungsvolles Handeln und Solidarität sind jetzt das Wichtigste für unsere Gesellschaft!“
Maren L.
Lehrerin an einem Berufskolleg in NRW
„Corona, Quarantäne, Chaos im Schulbetrieb? Nachdem an meiner Schule ein Schüler, den ich unterrichte, nachweislich an Corona erkrankt ist, werde ich direkt in eine 14-tägige häusliche Quarantäne geschickt. Die Schule schließt, zwei Tage später wird der gesamte Schulbetrieb in NRW eingestellt. Während einige meiner KollegInnen jetzt täglich vom Gesundheitsamt überprüft werden, ein Fiebertagebuch führen müssen etc., stuft man mich als Kategorie II ein, sodass ich zumindest bei ‚achtsamem Verhalten‘ nach drei Tagen wieder das Haus verlassen darf.
Was bedeutet die neue Situation für die Schule, die SchülerInnen, die ausstehenden Klausuren, die Abiturvorbereitung? Viele Fragen und Unsicherheiten auf allen Seiten. Wir LehrerInnen sind angehalten, den SchülerInnen per E-Mail oder WhatsApp Aufgaben zukommen zu lassen. Damit die KollegInnen der Klasse einen Überblick haben, werden die Aufgaben zusätzlich in der Cloud gesammelt.
Ich persönlich bin, was den Großteil meiner Schülerschaft betrifft, gelassen. Größere Sorgen machen mir nur die SchülerInnen der Stufe 13 und der Fachoberschule, die in wenigen Monaten ihre Fachabitur-Prüfung schreiben müssen und mit denen ich jetzt keine Prüfungsvorbereitung machen kann, wie ich sie eigentlich geplant hatte. Mit ihnen habe ich eine WhatsApp-Gruppe, in der ich Zeiten vereinbare, wann wir gemeinsam arbeiten, damit wir eine gewisse Struktur haben.
Das Thema Datenschutz ist komplett in den Hintergrund getreten, mein privates Handy fühlt sich nicht mehr privat an, aber so lassen sich Absprachen schneller treffen, Fragen zügiger bearbeiten etc. Des Weiteren bekommen die SchülerInnen ihre korrigierten Vorklausuren per Post zugeschickt, und die Besprechung der Klausur erfolgt telefonisch. Wir alle sind auf diese neue Situation nicht wirklich vorbereitet, versuchen aber mit all unseren Möglichkeiten, sie zu bewältigen.
Ich merke zwar nach diesen wenigen Tagen schon, wie schwer es mir fällt, nicht den persönlichen Austausch mit meinen SchülerInnen in der Schule zu haben, bei allem Chaos dürfen wir LehrerInnen aber nicht vergessen, wie glücklich wir uns schätzen können, dass unser Arbeitsplatz gesichert ist. Bei all dem, was um mich gerade herum passiert, wird mir das immer deutlicher.“
Johanna N.
Hebamme an einem Krankenhaus in Hamburg
„Natürlich gibt es auch im Kreißsaal unter KollegInnen kaum ein anderes Thema als das Coronavirus. Dabei haben die meisten von uns wenig Angst um sich selbst, allerdings großen Respekt vor der Arbeit, die auf uns zurollt.
Noch gibt es meines Wissens nach keine infizierte Schwangere in Deutschland, und wir sind in der Theorie gut vorbereitet. Auch an passender Ausstattung (Schutzkittel, Mundschutz etc.) mangelt es derzeit (noch) nicht.
Sobald jedoch eine Schwangere mit (Verdacht auf) Coronavirus den Kreißsaal betritt, bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand für uns als Personal: Das An- und Ausziehen der Schutzkleidung vor und nach jedem Kontakt mit der Schwangeren nimmt Zeit in Anspruch, die wir dann für andere Frauen nicht haben. Außerdem befürchten wir Raumknappheiten, da durch die Isolierungsmaßnahmen Räume länger blockiert sind.
Angehörige mit (Anzeichen von) Krankheitssymptomen dürfen den Kreißsaal derzeit nicht betreten. So kann es passieren, dass demnächst ein werdender Vater nicht, wie sonst meist üblich, bei der Geburt seines Kindes dabei sein kann. Aber wer weiß – vielleicht können wir da ja auch irgendwann eine Liveübertragung über Skype anbieten…“
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Kira Stachowitsch
Mitgründerin des Verlags hinter internationalen Mode-/Design-Titeln wie „Indie Magazine“ und „Chapter“ sowie Kreativdirektorin der Kommunikationsagentur Heroes & Heroines, @kiraaurelie, @plasticmedia, @heroes_heroines
„Für unseren Verlag wie auch das Agenturbusiness ist die aktuelle Situation definitiv besorgniserregend. Wir haben mit ‚Indie Magazine‘ bereits die Wirtschaftskrise 2008 erlebt und wissen, wie hart ökonomisch unsichere Zeiten die Mode- und Kreativbranche treffen. Die drastisch akuteren Problemstellungen, die Covid-19 bereits nach so kurzer Zeit aufwirft, zeigen allerdings, wie viel schneller die aktuelle Krise kleine Unternehmen in Bedrängnis bringt. In den letzten fünf Tagen wurde ein Großteil der Projekte und Events für die kommenden Monate abgesagt oder verschoben. Projektabhängige Kreativunternehmen müssen nun besonders schnell reagieren. Jetzt Worst-Case-Szenarien im Detail durchzuplanen, hat nichts mit Panikmache, sondern notweniger Weitsicht zu tun.“
Mary Scherpe
Gründerin, Stil in Berlin & Feminist Food Club
„Diese Pandemie stürzt die Gastrobranche wirklich in eine Katastrophe – den Caterern brechen bereits seit Wochen die Aufträge weg, jetzt trifft es auch die Restaurants. Die Gastrobranche steht hier auf wackeligen Beinen, die meisten leben von Monat zu Monat und haben zu wenige Rücklagen und zu hohe laufende Kosten, um fehlende Einnahmen einen Monat oder gar länger zu verkraften. Januar und Februar sind für viele ohnehin Saure-Gurken-Zeit, eigentlich geht es jetzt gerade wieder los. Und obwohl es bereits letzte Woche absehbar war, haben viele vermieden, sich damit auseinanderzusetzen, und sind jetzt schockiert. Im Feminist Food Club versuche ich bereits seit Tagen, die Mitglieder auf die kommenden Schließungen vorzubereiten. Wir informieren und ermutigen, kurzfristig neue Lösungen zu finden: Lieferungen, Takeaways, Gutscheine, Online-Shops usw. Das sind alles nur Pflaster, aber bei vielen geht es jetzt wirklich ums Überleben. Wir hoffen auf die staatliche Unterstützung in Form von Überbrückungskrediten, Steuerentlastungen, Kurzarbeitergeld und mehr.
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Wir tun unser Möglichstes, um zu unterstützen, aber am Ende kommt es auf die GastronomInnen selbst an – sie müssen kreativ und schnell sein, ihre Community aktivieren und neue Lösungen anbieten. Wir wissen alle nicht, wie lange diese Situation so bleiben wird, schon jetzt haben zig Menschen ihren Job verloren, weitere werden folgen. Ich drücke allen die Daumen.“
Guya Merkle
Gründerin des nachhaltigen Luxus-Schmucklabels Vieri, @vierifinejewellery
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„Vier Wochen ist die Kita geschlossen, ich bin deshalb zwangsweise im Home-Office, und wir mussten unsere Schmuckproduktion in Italien stoppen. Nach einem kurzen Panikmoment, da wir als kleines Unternehmen wirklich auf jeden Auftrag angewiesen sind, habe ich versucht, lösungsorientiert zu denken.
Wir konzentrieren uns jetzt in den nächsten vier Wochen erst einmal auf all das, was man immer so vor sich her schiebt. Zum Beispiel unseren lang geplanten Sample Sale. Das bringt dann hoffentlich im Nebeneffekt auch eine kleine Finanzspritze, um die nächsten Monate zu überbrücken. Ich versuche, Vertrauen zu behalten. Als Unternehmerin und Mutter renne ich ohnehin allem immer hinterher und bin krisenerprobt. Ich denke, dass ich jetzt auch mal durchatmen und die Zwangspause nutzen kann, und versuche, aus der Ruhe und mit dem ein oder anderen Glas Wein (mein Weinregal ist zum Glück immer sehr voll gehamstert), die Situation so kreativ wie möglich zu meistern.