Neben virtuellen Yoga-Kursen und zahlreichen Buchclub-Einladungen, widmet sich mein vermeintlich kompletter Instagram-Feed in diesen Tagen dem Ausmisten der eigenen Wohnung – und speziell: Dem genaueren Inspizieren des eigenen Kleiderschranks. Wer, wie ich, aktuell von zu Hause aus arbeitet und auch den Feierabend in den eigenen vier Wänden verbringt, ist von all diesem Aktionismus also nur noch genervt oder spürt erste, zuckende Impulse, es der ein oder anderen nachzuahmen.
Nachdem mein Freund und ich uns vergangenes Wochenende als akribisch dem Projekt „Balkon“ widmeten, zog es mich diese Woche also tatsächlich in unser Schlafzimmer und somit in das Epizentrum meiner Kleidung. Oder soll ich sagen: In das wahr gewordenen Chaos, das viel zu lange darauf wartete, ordentlich gelüftet zu werden.
Nun muss ich zu meiner Verteidigung eines vorweg nehmen: Bei unserem Umzug im Juni habe ich meine Kleidung vorher tatsächlich nicht groß aussortiert, noch meinen Kleiderschrank selbst eingeräumt. Ein paar Freundinnen waren schneller als ich und räumten die Kisten Nullkommanix aus – und direkt in meinen Kleiderschrank. Es war also allerhöchste Zeit, sich dem eigenen Kleiderschrank einmal richtig mit Sinn und Verstand zu widmen. Und diese Woche war es soweit.
Alles raus! |
Dass ich es irgendwann einmal wie Marie Kondo handhaben würde, hätte ich selbst nicht für möglich gehalten, aber wenn man schon mal so viel „Zeit“ hat, dann kann man auch richtig rabiat vorgehen, oder? Also: Alles raus. A.L.L.E.S. R.A.U.S raus aus dem Kleiderschrank – und das hat einen wirklich beeindruckenden bis fast schon ekelhaften Nebeneffekt, denn hier nimmt das ganze Ausmaß unseres Konsums Gestalt an. Ja, tatsächlich: Ich verspüre das Bedürfnis, nur noch eine Jeans, einen Pulli und ein paar Socken zu beherbergen. So viel kann ein Mensch doch gar nicht an Kleidung besitzen, denke ich – und schäme mich.
Schon klar: Auf den ersten, angewiderten Eindruck des eigenen Kleiderschrankinhalts folgt eine Auflistung an Gründen, warum ich sechs weiße Blusen beherberge, warum ich generell so viel besitze und wieso die 10 Blazer diese Ausmistaktion definitiv überleben müssen. Die Details erspare ich euch.
Da liegt er also, der Haufen an Kleidung, der erst einmal dafür sorgt, dass wir unseren Aktionismus auch schon wieder bereuen – allerdings fürchte ich, Marie Kondo hat Recht: Es muss zunächst alles raus, um wieder rein zu dürfen. Also starte ich. RAUS!
1. Nimm dir mindestens 3 bis 4 Stunden Zeit
2. Sorge für Platz, um deine Kleidung auszubreiten und hab‘ direkt ein paar Kleidersäcke/Kartons griffbereit, um deine Kleidungsstücke zu sortieren.
3. Musik an, und los:
4. Nimm‘ alles aus deinem Kleiderschrank raus. ALLES!
Jetzt wird sortiert! |
Weg damit! |
Natürlich ist das hier nicht meine erste Ausmistaktion, aber definitiv meine radikalste. Und genau aus diesem Grund weiß ich auch, welche Kleidungsstücke schon in de vorherigen Malen auf der Kippe standen und jetzt definitiv gehen müssen, sofern sich an ihrer Bedeutung nichts weiter geändert hat. 90 Prozent der Wackelkandidaten müssen dieses Mal also gehen und dürfen ein zweites Leben bei jemand anderem weiterleben. Es sind keinesfalls Stücke, die ich grundsätzlich nicht mehr mag, ich trage sie leider einfach nicht, weil andere Stücke ihren Platz eingenommen haben. Weil ich aber so radikal wie nötig und so befreiend wie möglich vorgehen will, gibt es dieses Mal kein Pardon. Ich frage mich also:
- Trage ich die Kleidung noch (gerne)?
- Lösen die Kleidungsstücke Glücksgefühle in mir aus?
- Hängt eine emotionale Verbindung an den Stücken?
Nein? Dann weg damit!
- Gibt es ähnliche Stücke, die ich lieber mag, sodass ihr Fehlen nicht auffallen würde?
- Kann ich mich nur nicht trennen, weil ich das Kleidungsstück MÖGLICHERWEISE IRGENDWANN noch mal tragen will?
Ja? Dann auch weg damit. Ja, vielleicht wird der Tag der Reue kommen, aber wenn wir danach gehen, werden wir uns nie trennen. Von nichts und niemandem.
Zweite Chance |
Neue Wackelkandidaten muss es selbstverständlich ebenfalls geben. Wir können uns schlicht und ergreifend manchmal nicht sofort trennen – und das ist auch vollkommen OK so. Dafür eignen sich übrigens schöne Kisten, die ihr auf den Schränken verstauen könnt. Momentchen mal, dann sieht man die ja gar nicht? Genau! Nur, wenn ihr nach circa einem halben Jahr den Drang verspürt, die Kleidung zu tragen und einzelne Stücke vermisst, dürfen die Kleidungsstücke streng genommen auch wieder in den Schrank einziehen. Klingt hart? Japs. Auch für mich. Aber glücklicherweise bestimmen wir ja die Messlatte unseres konsequenten Handelns. Also: Ihr entscheidet! Ich bin hier übrigens genauso wie oben vorgegangen: Nur wenn die obigen Fragen also nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden konnten, landeten sie auf dem „Weiß nicht“-Haufen.
5. Nimm‘ jedes Kleidungsstück in die Hand und entscheide, ob du es behalten willst, oder nicht – und sortiere nach Häufchen.
6. Bewahre folgende Stücke außerhalb deines Kleiderschranks auf: Kleider, bei denen du dir nicht sicher bist, die einen sentimentalen Wert für dich haben oder die gerade einfach nicht in dein Universum passen aka „Die Wackelkandidaten“.
7. Bring alles, was ausgebessert oder geändert werden soll, zu einem guten Schneider.
Behalten oder weggeben? Zwischendurch solltet ihr unbedingt noch mal in das ein oder andere Kleidungsstück reinspringen, um ein Urteil zu fällen.
Ich weiß es schon lange: Ich passe in diesen Jacquemus Rock einfach nicht mehr rein. „Irgendwann vielleicht wieder?“ -Quatsch. Und das ist auch OK so. Er wird jemand anderem stehen. Ganz sicher!
Reparatur- & pflegebedürftig |
Jetzt ist die Zeit, um einen weiteren Haufen für all die Kleidungsstücke anzulegen, die schmutzig oder pflegebedürftig sind und für solche, die dringend zum Schneider/zur Schneiderin müssen. Ganz gleich, ob ihr die Stücke weiterverkaufen möchtet oder behalten wollt. Damit das Kleidungsstück wieder tragbar ist, muss es manchmal aufgearbeitet werden – und wenn das nur bedeutet, die Fusselbürste drüber zu schwingen oder ihr einen Knopf annähen müsst.
Auch ich habe ein paar Stücke gefunden, die leider zur Reinigung müssen und ausgebessert werden sollten. Bei der Anzahl aber lohnt sich der Weg. Durch das genaue Hinsehen ist nämlich ordentlich was zusammengekommen.
Darf bleiben! |
Tja, obwohl ich so radikal vorgegangen bin, ist immer noch viel zu viel da – eigentlich keine Überraschung. Ich will mich darum noch mal ganz intensiv mit meinem Vorhaben aus dem Jahr 2017 beschäftigen, erinnert ihr euch? Damals mistete ich schon recht gut aus und versuchte, nur noch wirklich besondere Stücke einziehen zu lassen. Und daran will ich weiter anknüpfen, denn wisst ihr was? Die meisten Stücke, die meiner Ausmistaktion diesmal zum Opfer fielen, hätten auch damals schon gehen können. Von den neueren Stücken musste, bis auf ein paar Ausnahmen, fast nichts gehen.
Auch spannend: Erworbene Second Hand Stücke und spezielle Teile durften bei mir ebenso fast ausnahmslos bleiben, genauso wie Kleidung von meinen Eltern, die ich irgendwann heimlich aus ihren Schränken mopste. Kleidungsstücke mit Geschichte und/oder Persönlichkeit setzen sich bei mir offensichtlich durch, ganz genauso wie qualitativ gut erhaltene und besondere Stücke.
Kaputter Reißverschluss? Fleck auf der liebsten Lederjacke? Gelbe Verfärbungen auf dem Shirt oder der Saum ist kaputt? Alles ab in die Tüte und zur nächsten Reinigung und zur Schneiderei – ganz gleich, ob ihr es weiterverschenken oder -verkaufen wollt oder es doch lieber behaltet.
8. Ordne deinen Kleiderschrank jetzt neu + überlege dir ein für dich funktionierendes System: Nach Farbe oder nach Kleidungsart.
9. Tadaa:
Fazit: Zwei große Ikea-Tüten voll mit Kleidung wurden allein aus diesem Schrank geholt, die an 41 Kleiderbügeln hingen und mir die komplette Sicht versperrten. Das ist doch komplett verrückt. Was aber noch viel verrückter ist: Dass ich gleich weiter aussortieren könnte, immerhin bin ich noch immer nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Hand aufs Herz: Die ultimative Leere lächelt uns hier nicht entgegen – dabei war ich doch schon so radikal. Eines ist aber klar: Umso strikter ihr vorgeht, umso erfolgreicher wird eure Ausmistaktion sein. Wer sich nicht traut, der baut einfach ein höheres Häufchen aus „Zweite Chance“-Stücken und schaut nach einem halben Jahr, ob Vermissungserscheinungen aufgetreten sind.
Wo stecken die Jeans? Die befinden sich in der Kommode die aktuell als Wickelstätte umfunktioniert wurde. Ausgemistet wurde hier vor langer Zeit. Diese Lieblinge sind übrig geblieben.
10. Und was passiert mit den ausgemisteten Stücken? |
Auch hier will ich meinen Haufen in drei kleinere Häufchen aufteilen:
Spenden:
Ein großer Teil an Basics und praktischen Stücken soll (dem Frauenhaus) gespendet werden. Dazu zählt diesmal übrigens auch Babykleidung, aus der Otto herausgewachsen ist und die ich natürlich auch nicht mehr brauche.
Verschenken:
Ein weiterer Teil wird an meine Familie oder an Freundinnen weitergegeben, bei denen ich weiß, dass ich ihnen eine Riesenfreude damit mache. Ich liebe die meisten Stücke, die ich weggebe nämlich trotzdem und so weiß ich, dass eine kleine Auswahl definitiv gut aufgehoben sein wird.
Verkaufen:
Tatsächlich liebäugle ich mit dem Kauf einer Bluse von Miu Miu und der Verkauf von ein paar Stücken könnte mir dieses Teil durchaus querfinanzierten. Vielleicht kommt ein Teil aber auch auf mein Fuck Off Konto, das demnächst wohl auch nochmal angefasst werden muss. Ganz besondere Stücke kann ich schließlich nicht einfach so verschenken, dafür gab ich einst einfach zu viel Geld für sie aus. Ich jedenfalls überlege dieser Tage ganz intensiv, wo der Beste Ort sein dürfte, um meine geliebten Stücke zu verkaufen. Habt ihr Tipps?
Der Versuch, nach Kleidungsart und Farbe zu sortieren. Oben: Blusen & Oberteile, die hängend besser aufgehoben sind. Unten: Stoffhosen und lange Röcke neben Blazern und Cardigans.
Es wird nicht mehr gequetscht, sonst verfalle ich nur wieder in Unordnung.
Eine Schublade für Shirts muss reichen.
Hängend: Kleider. Im Regal: Röcke und Shorts.
Die smarten Nebeneffekte des Ausmistens? Ihr geht euren Kleiderschrank ganz einfach auch nach Schädlingen durch. Mottenbefall kann durch genauestes Inspizieren beendet werden (Einfach Kleidung einfrieren & waschen und die Löcher der Schrankwände ganz genau nach Mottennästern und -maden durchsuchen, ggf zukleben!), Kleidung wird wieder sichtbar und längst vermisste Stücke tauchen aus heiterem Himmel wieder auf. So wie bei mir: Der verloren geglaubte Escada-Blazer lag einfach auf dem Schrankboden.
Prävention: Regelmäßig Kleidung waschen, Duftstoffe im Schrank aufbewahren, die Schädlinge fern hält.
Selbst kleine Dinge tauschen beim Ausmisten wieder auf. Wie zum Beispiel dieses Scrunchie von Ganni. Hat mir also doch niemand gemopst, ha!
Ein leerer Kleiderschrank sollte jetzt allerdings nicht das Bedürfnis wecken, ihn direkt wieder mit neuen Stücken aufzufüllen. Vielleicht überlegt ihr euch jetzt (nachhaltige) Strategien für euren Kleiderschrank 2.0, die auch langfristig glücklich machen. Die aktuelle Krise gibt dazu verschiedenste Impulse, kleine Labels zu unterstützen, einfach gar nicht zu kompensieren oder 2nd Hand fündig zu werden. Auch wir wollen dazu schon ganz bald die nächsten Impulse senden und freuen uns auf euer Feedback zu kommenden #Wardrobegoals. |