Nachdem vor knapp vier Wochen noch schelmisch grinsend alle Welt von Corona-Babys und den Vorteilen der Selbstisolation als Liebende sprach, ist es nun wohl an der Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen und zu reflektieren, was dieses „Auf sich gestellt sein“, denn eigentlich mit unseren Beziehungen gemacht hat. Heimarbeit, Kindeserziehung und kleine bis große Konflikte lassen sich aktuell nicht nur schlecht vermeiden, sondern fühlen sich auch ein bisschen wie an die Brust gekettet an. Wie lieben wir, wenn es kaum möglich scheint, den Konflikten aus dem Weg zu gehen, und man bestrebt ist, wieder halbwegs ganz aus der Krise herauszukommen? Wir haben 31 Menschen nach ihrer Liebe in Corona-Zeiten gefragt.
„Am meisten fällt mir auf, wie unfassbar schwierig es ist, mit unterschiedlichen Einschätzungen der aktuellen Situation umzugehen. Wenn der andere Mensch noch Leute trifft oder intensives Händewaschen bei einem selber amüsiert beäugt, kreiert das eine ziemliche Spannung. Reden hilft natürlich, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, denn gelebte Solidarität will sich gerade in einem sehr linken Umfeld niemand absprechen lassen.“
„Ich habe das Gefühl, die Zeit zu zweit schon zu genießen, aber merke gleichzeitig auch, wie mich meine Erwartungen an diese Form von Isolation manipulieren. Es verändert die Art und Weise, wie ich ihn ansehe und wie ich meine Zeit mit ihm verbringen will. Mehr Sex, mehr Gespräche, mehr Entwicklung? Das setzt uns beide ziemlich unter Druck. Im Laufe der Zeit ist das zum Glück etwas weniger geworden“
„Mein Partner ist gerade „stuck“ bei mir, da er aufgrund der Grenzschließung nicht mehr nach Österreich zurückkann. Wir sind erst seit Anfang März in einer Beziehung und hatten beide Respekt davor, wie das wird, so lange auf einander zu hocken. Nun wohnen wir seit über vier Wochen gemeinsam in einem Zimmer und es ist wunderschön. Wir haben viel Zeit, einander auf allen Ebenen noch besser kennenzulernen, auf einander zu achten, und wachsen uns jeden Tag mehr ans Herz. Natürlich gibt es auch mal Momente, in denen man gerne alleine ist, aber auch damit lernen wir gemeinsam umzugehen. Für uns ist diese Zeit, die so viel Schlimmes mit sich bringt, eine sehr besondere und intime Erfahrung, die uns wirklich zusammenschweißt.“
„Ich habe akzeptiert, dass wir einfach nicht den gleichen Geschmack bei Filmen haben. Vorher fand ich es blöd, wenn wir abends in anderen Zimmern waren und jeder für sich unterschiedliche Filme geguckt haben, aber warum soll ich ihn stressen, wenn er wirklich keinen Bock auf Audrey Hepburn hat? Wir haben auch den großen Luxus einer Wohnung mit einem Arbeitszimmer, da weiß ich jetzt sehr zu schätzen, dass ich einfach mal die Tür zumachen kann. Er fragt mich jetzt, was seine Arbeit betrifft, öfter nach Rat, was auch okay ist, aber wenn er dann von mir erwartet, ihm zu helfen, seine Gefühle zu verarbeiten, wenn irgendwas mit der Arbeit nicht gut klappt, nervt es mich. Typische Erwartung von „emotional Labour“, das muss ich mit ihm noch besser abgrenzen, bis zu welchem Punkt er seine Probleme auf mich abwälzen kann.“
„Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns bald trennen. Es funktioniert nicht. Trotz der langjährigen Beziehung, die uns beide verbindet. Ich merke langsam, dass er, so sehr ich es auch will, meinen Ansprüchen an Zukunft und Partnerschaft wohl nie gerecht werden kann. Manchmal kann ich nicht einschätzen, ob es die viele Zeit zum Nachdenken ist, die mich so mürbe macht.“
„Ich habe das Gefühl, Kommunikation klappt besser dadurch, dass Konflikte „on the spot“ besprochen werden, da aus dem Weg gehen ja schlecht funktioniert. Und ich denke, man lernt sich auf einer neuen Ebene kennen, weil man sich gegenseitig bei der Arbeit direkt miterlebt. Das gibt neue Einsichten zum Partner und so mehr Verständnis.“
„Wir haben uns nach sechs Jahren ein bisschen durch Jobwechsel, viel Arbeit und dem ersten Kind und dem zweiten kommenden Kind im Alltag verloren. Die ersten zwei Wochen waren heftig, viel Gebrüll und unnötige Ausraster, aber jetzt in Woche sechs sind wir uns näher als die letzten Monate, nehmen uns wieder mehr mit Humor und haben viel mehr Nähe. Wir regen uns weniger über den anderen auf und nehmen uns gegenseitig viel mehr wahr. Es ist anstrengend, vor allem wenn beide Temperament haben, aber: Uns geht es gut, und wir wissen jetzt, egal was kommt, selbst sechs Wochen Isolation auf 70qm, mit Home Office und Kleinkind bringen uns nicht auseinander, sondern näher. Manchmal, ganz manchmal ist es sogar so, als ob wir uns neu sehen und neu verlieben. Es hat also was Gutes, diese schlimme Zeit. Und deshalb heiraten wir jetzt spontan.“
„Ich bin mit meinem Verlobten in Quarantäne. Eigentlich haben wir eine Fernbeziehung. Er lebt in Deutschland, ich in Kopenhagen. Es ist das erste Mal, dass wir wirklich zusammen leben und uns nicht ‚besuchen’. Die Zeit hat uns noch näher zusammengebracht und ich bin begeistert, wie harmonisch wir miteinander sind. Es hat ein bisschen gedauert, bis aus seiner Wohnung auch meine geworden ist und es sich sehr natürlich anfühlt, in dieser kleinen Bude aufeinander zu hocken. Dabei spielt Essen natürlich eine zentrale Rolle. Nachdem wir tagsüber unser Ding gemacht haben, ist das Abendessen, das gegenseitige Bekochen das Highlight im Alltag.“
„Ich lebe normalerweise in einer Fernbeziehung und hatte vor vier Wochen nach einem Wochenende in der Stadt meines Partners entschieden dortzubleiben, weil meine Firma aktuell im Homeoffice funktioniert, und meine Mitbewohnerin Covid-Symptome hatte. Wir sind das erste Mal über drei Wochen am Stück Tag & Nacht zusammen, ohne richtigen Arbeitsalltag, weil Homeoffice ja doch immer irgendwie anders ist. Es ist echt anstrengend und neu, obwohl wir es ja sonst immer betrauern, nicht in der gleichen Stadt zu wohnen & so wenig Zeit zusammen zu haben. Natürlich ist es auch schön, aber wir müssen zusammen komplett neu lernen, wie wir im Quarantäne-Alltag funktionieren müssen und das ist nicht immer leicht.“
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„Also ich finde, wir sind uns näher gekommen. Wir sind seit drei Jahren zusammen, haben keine Kinder und verbringen generell viel Zeit miteinander. Nun ist es aber entspannter und aktiver, der ganze Zeitdruck fällt weg. Was nervt, ist, dass er mehr Unordnung in der Wohnung macht, das führt ab und zu zu kleinen Spannungen, ist aber schnell geklärt. Sex haben wir etwas mehr als vorher, allerdings kommt mittlerweile ein kleines bisschen Langeweile rein und es könnte mal wieder abwechslungsreicher werden.“