Ich mag es, nach einem Spaziergang mit einem neuen Buch nach Hause zu kommen, weil die Zeit noch für einen Abstecher beim Lieblingshändler gereicht hat. Meistens liegt die große Freude dann im Unvorhersehbaren, in kleinen Literatur-Überraschungen oder Affektkäufen aus purer Neugier. Darauf werde ich in den kommenden Wochen allerdings verzichten müssen – jedoch mit Vergnügen. Denn insgesamt zehn Bücher stehen schon längst ganz oben auf meiner Wunschliste für den Frühling:
Ronya Ohtmann – Die Sommer
Für die taz schreibt Ronya Ohtmann gemeinsam mit Cemile Sahin die Kolumne „OrientExpress“ über Nahost-Politik, ihre Texte sind außerdem bei ZEIT Online und Der Spiegel zu lesen, jetzt aber erscheint ihr erster Roman. „Die Sommer“ wird zwar erst ab dem 17. August erhältlich sein, wir können Ohtmanns Debüt aber schon jetzt unterstützen, indem wir es zum Beispiel hier vorbestellen. Wer Ronya regelmäßig liest, weiß nämlich: Es wird sich sowieso lohnen.
„Das Dorf liegt in Nordsyrien, nahe zur Türkei. Jeden Sommer verbringt Leyla dort. Sie riecht und schmeckt es. Sie kennt seine Geschichten. Sie weiß, wo die Koffer versteckt sind, wenn die Bewohner wieder fliehen müssen. Leyla ist Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden. Sie sitzt in ihrem Gymnasium bei München, und in allen Sommerferien auf dem Erdboden im jesidischen Dorf ihrer Großeltern. Im Internet sieht sie das von Assad vernichtete Aleppo, die Ermordung der Jesiden durch den IS, und gleich daneben die unbekümmerten Fotos ihrer deutschen Freunde. Leyla wird eine Entscheidung treffen müssen. Ronya Othmanns Debütroman ist voller Zärtlichkeit und Wut über eine zerrissene Welt.“
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Kate Kirkpatrick – Simone de Beauvoir: Ein modernes Leben
übersetzt von Erica Fischer & Christine Richter-Nilsson
Wer dachte, es sei längst alles über Simone de Beauvoir gesagt, der hat sich offenbar geschnitten, denn die britische Philosophin und Dozentin Kate Kirkpatrick hat nun eine dicke Biografie Beauvoirs veröffentlicht, die einen frischen Blick jenseits von Klischees und vorschnellen Urteilen auf die französische Philosophin, Schriftstellerin, Existenzialistin und feministische Ikone werfen will, indem erstmals auch gerade erst veröffentlichte Briefe und Tagebuchbucheinträge mit einbezogen werden. Ich bin schon ganz aufgeregt, das könnt ihr mir glauben:
„Simone de Beauvoir war eine der einflussreichsten Intellektuellen des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihr Buch „Das andere Geschlecht“ hat die Art und Weise, wie wir über Geschlechtergrenzen denken, für immer verändert. Dennoch wurde ihr Leben weitgehend falsch dargestellt und zutiefst missverstanden. Kate Kirkpatrick greift auf bisher unveröffentlichte Tagebücher und Briefe zurück, und gibt einen spannenden Einblick in Beauvoirs Beziehungen, ihre Philosophie der Freiheit und der Liebe und ihr Ringen darum, sie selbst werden zu dürfen.“
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Bernadine Evaristo – Girl, Woman, Other
Es ist Bernadine Evaristos achtes Buch, das seit der Veröffentlichung 2019 in aller Munde ist und mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde. Girl, Woman, Other wurde mir jetzt schon von so vielen Freundinnen empfohlen, dass ich wünschte, die Tage hätten mehr Stunden. Ich will es sofort lesen, unbedingt, denn:
„Teeming with life and crackling with energy, told through many distinctive voices, this novel follows the lives of 12 very different characters.
Mostly women, black and British, they tell the stories of their families, friends and lovers, across the country and through the years. Joyfully polyphonic and sparklingly contemporary, Girl, Woman, Other is a gloriously new kind of history, a novel of our times: celebratory, ever dynamic and utterly irresistible.“
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Sibel Schick – Hallo, hört mich jemand?
Rassismuskritische und feministische Kolumnen und Kommentare
Ich folge Sibel Schick schon lange und bin beinahe jeden Tag dankbar über ihre konstruktive Wut, dankbar über den edukativen Ansatz (der persönliche Gefühle dennoch nicht auszuklammern versucht), mit dem sie die Sozialen Medien zu einem besseren Ort macht, dankbar für diese große und wichtige und treffgenaue Stimme. Voraussichtlich im August erscheint endlich Schicks erstes Buchprojekt – und hier könnt ihr es schon jetzt unterstützen.
„Während die einen nichts machen müssen, um gehört zu werden, müssen manche anderen so laut schreien, wie sie können, weil sich die Gesellschaft nicht für ihr Schicksal interessiert. Ungefähr so entstand das Buch „Hallo, hört mich jemand?“ Sibel Schick ist eine scharfsinnige Kommentatorin unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Sie versteht es wie keine andere, den Finger in die Wunde zu legen und dabei neue Zugänge zu den wichtigen Diskursen unserer Zeit zu verwenden – klar, mitreißend und für alle verständlich. „Hallo, hört mich jemand?“ ist eine Sammlung aus den Kolumnen und Kommentaren Schicks über Rassismus, Klassismus, Sexismus, Identität und Sprache, geschrieben aus ihrer einzigartigen Innen-Außen-Perspektive, die in der deutschsprachigen Medienlandschaft zu kurz kommt. Wer Deutschland verstehen möchte, muss Sibel Schicks Buch lesen.“
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Die schöne, schlaue, ehrliche und bezaubernde Marlene Sørensen empfahl vor Kurzem voller Innbrunst dieses offenbar herrliche Buch namens Trick Mirror vollgepackt mit leichten, aber immer klugen Essays von Jia Tolentino, weshalb ich nun gar keine andere Wahl habe, als schleunigst auch meine eigene Nase in Tolentinos Seiten hinein zu stecken:
„Trick Mirror is an enlightening, unforgettable trip through the river of self-delusion that surges just beneath the surface of our lives. This is a book about the incentives that shape us, and about how hard it is to see ourselves clearly through a culture that revolves around the self. In each essay, Tolentino writes about a cultural prism: the rise of the nightmare social internet; the advent of scamming as the definitive millennial ethos; the literary heroine’s journey from brave to blank to bitter; the punitive dream of optimization, which insists that everything, including our bodies, should become more efficient and beautiful until we die. Gleaming with Tolentino’s sense of humor and capacity to elucidate the impossibly complex in an instant, and marked by her desire to treat the reader with profound honesty, Trick Mirror is an instant classic of the worst decade yet.“
Jia Tolentino – Trick Mirror
Carolin Würfel – Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung
Ich weiß nicht, wie oft ich in der letzten Zeit an meinem Lieblingsbuchladen vorbei schlenderte, um mich im Schaufenster über die aktuellen Neuzugänge zu informieren, Ingrid Wieners Gesicht auf einem der prächtigen Buchcover entdeckte und dachte: Bald. Irgendetwas hielt mich bisher davon ab, mehr über die Gobelin-Künstlerin und ihre aufregende Lebensgeschichte erfahren zu wollen. Dabei soll sie gut sein. Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung soll gut sein. Wahnsinnig gut und spannend und irrsinnig und wütend, im besten aller Sinne. Inzwischen dämmert mir also, dass ich dabei bin, richtig viel zu verpassen:
„“Nehmen Sie Ihr Kind von der Schule, mit ihrem Aussehen hält sie die Schüler vom Lernen ab!“ Es ist das Wien der 1960er, Ingrid Wieners Eltern folgen dem Rat des Lehrers. Doch aus einem Akt des Gehorsams wird eine Geschichte der Rebellion: Ingrid schließt sich einer Gruppe berühmter Künstler an. Nach skandalösen Protestaktionen flieht sie mit den Männern nach Berlin, wo sie das legendäre „Exil“ gründen. Ihre Küche zieht bald Stars wie David Bowie, Peter O’Toole und Max Frisch an. Wer ist diese Frau, der die Männer Platz machten in ihrer Mitte und die zugleich entschlossen ihren eigenen Weg als Künstlerin ging? Carolin Würfel lässt die außergewöhnliche Atmosphäre jener Zeit wiedererstehen und zeichnet das Porträt einer inspirierenden Frauenfigur.
So Leute, jetzt verrate ich euch mal was: Ich bin seit etlichen Jahren heimlicher, aber riesengroßer Lily Allen Fan, die damals im Studium den Soundtrack zu meiner ersten handfesten Affäre lieferte. Jedenfalls las ich irgendwann und irgendwo darüber, dass Nora Ephrons I feel bad about my neck sie von allen Büchern am meisten beeinflusst und beflügelt hätte. Es fiel mir zunächst schwer, das zu glauben, aber schaut man sich die Rezensionen an, kommt man kaum an einem Kauf vorbei. Ich tippe auf die beste Balkonien-Lektüre des Jahres. Und die ein oder andere Einsicht:
„With her disarming, intimate, completely accessible voice, and dry sense of humor, Nora Ephron shares with us her ups and downs in I Feel Bad About My Neck, a candid, hilarious look at women who are getting older and dealing with the tribulations of maintenance, menopause, empty nests, and life itself. Ephron chronicles her life as an obsessed cook, passionate city dweller, and hapless parent. But mostly she speaks frankly and uproariously about life as a woman of a certain age. Utterly courageous, uproariously funny, and unexpectedly moving in its truth telling, I Feel Bad About My Neck is a scrumptious, irresistible treat of a book, full of truths, laugh out loud moments that will appeal to readers of all ages.“
Nora Ephron – I feel bad about my neck
Jakob Arjouni – Magic Hoffmann
Magic Hoffmann von Jakob Arjouni ist eines der absoluten Lieblingsbücher von Amelie („Noch nie habe ich mich beim Lesen an den Worten so überschlagen, weil ich wissen wollte, was als nächstes passiert.“) und weil ich viel Vertrauen in Amelies Empfehlungen habe, werde ich wohl auch an dieser Perle der rasanten Literatur nicht vorbei kommen:
„Fred, Nickel und Annette träumen einen Traum, und der trägt den Namen >Kanada<. Dort könnte man leben, wie man will, fischen und fotografieren, weit weg vom Muff der Provinz. Doch von Dieburg nach Vancouver kommt man nicht ohne Umweg. Für Fred führt dieser über den Knast in das Berlin nach dem Mauerfall, wo er Nickel, Annette und sein Geld abholen will. So war’s besprochen – doch >the times they are a-changin'<.“
Emma Straub – All Adults Here
Emma Straubs All Adults Here hat mir ehrlich gesagt ein Algorithmus vorgeschlagen, aber ich habe im Urin, dass ich diesem Teufel diesmal trauen kann. Titel? Check. Cover? Joa, halbcheck. Rezensionen? Doppel-Check. Ich probier’s also mal aus:
„Astrid’s youngest son is drifting and unfocused, making parenting mistakes of his own. Her daughter is pregnant yet struggling to give up her own adolescence. And her eldest seems to measure his adult life according to standards no one else shares. But who gets to decide, so many years later, which long-ago lapses were the ones that mattered? Who decides which apologies really count? It might be that only Astrid’s thirteen-year-old granddaughter and her new friend really understand the courage it takes to tell the truth to the people you love the most.
In All Adults Here, Emma Straub’s unique alchemy of wisdom, humor, and insight come together in a deeply satisfying story about adult siblings, aging parents, high school boyfriends, middle school mean girls, the lifelong effects of birth order, and all the other things that follow us into adulthood, whether we like them to or not.“