Es ist begrüßens- und wünschenswert, wie viele Menschen auch drei Wochen nach dem gewaltvollen Mord an George Floyd ihre Social Media Präsenz politischer gestaltet haben. Neben der Frage, warum es erst jetzt geschieht, dass Menschen mit großer Reichweite ihr Multiplikatoren regelmäßig sinnvoll nutzen und Informationen, Wissen sowie News weitergeben und für den richtigen Zweck reproduzieren, bleibt die Sorge darüber, wie performativ dieser situativ-aktionistische Aktivismus ist. Hiermit ist gemeint: Wie lange bleibt er und warum eigentlich, fühlt er sich manchmal komisch an?
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Instagram hat uns in den vergangenen Jahren gezeigt, wie trügerisch die vermeintlich abgebildete Realität sein kann. Von überglücklichen Familienporträts über gut belichtete Selfies bis hin zur einen perfekt gestylten Ecke in der 30 Quadratmeter Wohnung, lässt sich hier alles für 100.000 Likes verkaufen, ohne dass auch nur eine Person erahnen könnte, was es mit dem Abgebildeten wirklich Aufsicht hat. Ohne wirklich zu sehen, wo und wieviele Zweifel, wo die Trauer, wo das Chaos sich verbirgt. Aber insgeheim zu wissen, dass all das doch irgendwo im Leben von Instagram Sternchen existieren muss. Instagram, Social Media, the Internet, hat uns quasi anerzogen, misstrauischer zu sein, noch einmal nachzufragen, nach links zu wischen, den Filter anzuzweifeln. Vielleicht ist es dann nur natürlich, auch die Absichten derer zu hinterfragen, die heute so wie nie zu vor ihre Politisierung performen. Oder gar zum ersten Mal. Nicht, weil es unangebracht gewesen wäre, keineswegs, sondern weil es der aktiven politischen Beobachterin dann doch recht spanisch vorkommt. Dass erst so viele Umstände zusammenkommen mussten, um in Deutschland vor allem eine viral sichtbare Gegenbewegung in der sonst so oberflächlichen oder hedonistisch-akademischen Instagram Bubbles auszulösen.
Es lohnt sich darüber nachzudenken, wie solche Momente, solche Räume entstehen, die auf Instagram und Co. die Runde machen. Wie es sich anfühlt zu sehen, dass Menschen die man schätzt, lieb hat, bewundert, bekannter oder unbekannterweise, nahezu simultan ein Solidaritätsbekenntnis oder einen wichtigen Artikel posten. Wir funktionieren zusammen mit Instagram, die Informationen verbreiten sich wie ein Lauffeuer, doch was ist der Treibstoff? Performance? Druck? Scham? Goodwill? Eine online Positionierung ist so wichtig, heute mehr denn je, aber bin ich die Einzige, die ab und zu beim Scrollen ein komisches Gefühl hatte? Nicht nur ging es um die Sorge, diesen online-Aufschrei bald wieder Geschichte zu nennen, auch kreisten Gedanken darum, wo die ganzen Stimmen eigentlich waren, als in den vergangenen Jahren viele Schwarze Menschen und People of Colour ihr Leben ließen. Hat Covid 19 hier wirklich als Katalysator für gesellschaftlichen Fortschritt und die Empörung funktioniert, die wir schon lange gebraucht haben?
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So profan es klingen mag, so wichtig ist auch eine Etikette bei onlineaktivistischen Sinneswandlungen. Es ist so gut und so cool, jetzt all die Bücher zu lesen, die schon seit so vielen Jahren empfohlen werden, neue Zitate zu entdecken und dazuzulernen, nachdem deine Stimme gegen Rassismus schon viel zu lange überfällig war – aber wie wäre es mit einem kurzen Statement dazu, einer persönlichen Einordnung oder einem Bekenntnis über das eigene Versagen der letzten Jahre? Weil es nahbar macht und zugänglich, und realistisch ist für den Gemütszustand so vieler Menschen, die gerade ihr antirassistisches Erwachen erleben.
Am Ende bleibt das Problem des Großen und Ganzen eindeutig: In diesen blitzschnellen Bewegungen im 21. Jahrhundert, zwischen Social Media Welle und realen Straßen Protesten, ist nämlich die Performance an sich genau so wenig zwecklos wie nachhaltig. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass alle die den „repost“ Button betätigen das Schiff schon schaukeln werden, sondern solche Momente von Moral Panic bis Blackouttuesday zu nutzen, um unsere eigenen Positionen zu checken und zu hinterfragen. So intensiv soziopolitische Veränderung sich in online Realitäten auch anfühlen mag: die Arbeit auf Straßen und in den Köpfen muss trotzdem noch passieren. Online-Aktivismus ist wichtig. Aber er darf nur ein Anfang sein.