Ich halte es heute kurz, versprochen. Weil wir das, worüber ich heute schnell sprechen will, sowieso schon etliche Male (gemeinsam) durchgekaut haben. Die Sozialen Medien eben, die Selbstoptimierung, all die Unsicherheiten. Wieder nichts Neues. Und trotzdem bin ich heartbroken.
Ich bekomme recht zahlreiche DMs, also Direct Messages, private Nachrichten eben, in denen sich andere Frauen* mir anvertrauen oder ebenso kleine wie große Fragen stellen, in denen sie sich kurz mitteilen und darüber hinaus nicht selten spannende Inhalte empfehlen. Jede einzelne dieser Nachrichten ist wertvoll. Aber an manchen Tagen macht mich das große Ganze, oder eher das, was sich aus den vielen kleinen Schnipseln zusammensetzen und herauslesen lässt, tief traurig. Denn in einem Punkt ähneln sich die Inhalte auffällig oft: Sie erzählen von dem Gefühl, nicht genug zu sein.
Am Freitag etwa, da wurden mir gleich mehrere Beiträge von unterschiedlichen Frauen* aus unterschiedlichen Ländern ans Herz gelegt, die gerade öffentlich darüber sinnierten, weshalb sie ihre Körper (noch immer) hassten. Manchmal jedenfalls. Großartig dachte ich im ersten Moment, denn: Darüber müssen wir reden, meinetwegen bis zum Erbrechen. Bis ich trotzdem etwas maulig wurde, ihr kennt das ja. Was ich bei genauerem Hinschauen nämlich sah, war schon wieder nichts weiter als Schönheit bis in jede noch so kleine Ritze. Dem Ideal entsprechende Körper, Nasen und Haare. Überhaupt rein gar nichts dort war nicht exakt da, wo es selbst Modemagazine haben wollen.
Was für eine abgefuckte Gesellschaft. In der selbst offensichtliche Abziehbilder nach Empathiebekundungen suchen, in der sie mit sich hadern als sei Vielfalt frei erfunden, in der sie dem Wahn verfallen, es müsse „doch irgendwie noch etwas mehr drin sein“. Oder auch: viel weniger. Weniger Oberschenkel, weniger „Makel“, weniger… Persönlichkeit?
Was jetzt folgt, ist trotzdem schwierig, das weiß ich sehr wohl. Fast schon problematisch. Jedenfalls wenn einem der Begriff „Choice Feminism“ etwas sagt und bedeutet. Im Grunde handelt sich hierbei um die Übereinkunft darüber, dass jede Entscheidung, die eine Frau* (für sich) trifft, eine feministische Entscheidung ist. Die Huldigung des Choice Feminism trägt etwa dazu bei, das Tun und Sein anderer Menschen weniger zu bewerten und zu verurteilen. Er hat uns gelehrt, tolerant zu sein. Beigebracht, dass Slut Shaming mies und Schönheitschirurgie Privatsache ist.
Aber: Wieviel ist eine selbstbestimmte Entscheidung in Wahrheit wert, wenn sie genährt wird durch patriarchale Machtstrukturen?
Von einem System, das an unseren Komplexen mitverdient?
Von einer (neuen) Welt, in der Frauen*an dazu gezwungen werden, einen beträchtlichen Teil ihres Selbstwertgefühls an der Türschwelle zur Emanzipation abzugeben? Ist das jetzt also der Deal? Der Preis, den wir zahlen müssen?
„Du kannst zwar gleichberechtigt sein, meinetwegen, aber dafür musst du jetzt bitte dreiundzwanzig Mal geiler aussehen und dich noch dazu einem Ideal beugen, das, sorry to say, schon lange nicht mehr ohne entsprechendes Fine Tuning erreichbar ist?“
Läuft der Hase indes so? Anders kann ich es mir mittlerweile nämlich irgendwie nicht mehr erklären.
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Dass ich überall die gleichen Lippen, Wangenknochen und Näschen sehe zum Beispiel – und zwar auch an den schlauesten aller weiblich gelesener Wesen. Die haben doch so viel Hirn, denke ich dann. Wie können sogar sie dem Phantasma des vermeintlich „besseren Ichs“ bloß so dermaßen auf den Leim gehen? Und: Waren die, die da gerade so sehr an sich herum optimieren nicht ohnehin schon am nächsten dran an dieser sogenannten „Perfektion“? Ich finde schon. Und sehe wieder nur: Wunderschöne Leute, die überhaupt nichts bräuchten – außer ein bisschen mehr… ja, was denn eigentlich? Selbstliebe? Vertrauen? Egal-Haltung? Keine Ahnung.
Was um alles in der Welt treibt sie an?
Nun, exakt diese Frage könnten und sollten wir vermutlich auch an uns selbst richten. Ganz gleich, ob wir schon voll sind mit Fillern, die nächste Diät gestartet haben oder nur in Gedanken an unseren schlackernden Wangen zupfen.
Wie viele Male habe auch ich schon vor dem Spiegel gestanden und dabei still und heimlich gedacht: Scheiße. Oder Alter, wenn sie doch alle ihre Stirn glatt bügeln lassen, wieso laufe ich dann bis heute mit Falten durch die Welt? Und: Och, so eine kleine Spritze in der vollen Lippe wäre doch sicher schön anzusehen.
Nein, ich bin ganz gewiss nicht gefeiert vor alldem und außerdem schon mehrmals in allerletzter Sekunde zurückgerudert. Nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern immer auch mit ein bisschen Trotz im Nacken, einem mittelgroßen Ego an der Seite und obendrein einer Portion Stolz. Ich nicht, nein, ich werde jetzt nicht schwach. Ich will nämlich ganz unbedingt ins Gras beißen und sagen können: Einen Scheiß habe ich an mir machen lassen.
Ist das jetzt besser? Nein, gar nicht. Schon wieder zu viel Eitelkeit im Spiel, nur eben in eine andere Richtung. Und auch Abgrenzung. Dabei halte ich am Ende vielleicht einfach nur länger aus. Es ist ja, wie es sooft ist: Versuch doch zum Beispiel mal in einer kapitalistischen Welt antikapitalistisch zu sein. Schaffste?
Also wieder keine Lösung. Nur noch eine letzte Frage:
Welcher guten Freundin würdet ihr denn auf der Stelle und guten Gewissens empfehlen, irgendetwas an ihrem Gesicht „richten“ zu lassen? Nur noch die Hälfte zu fressen? Oder endlich „perfekt“ zu sein?
Keiner einzigen? Bingo.