Eigentlich begann alles mit dem einstigen Kommentar einer Leserin, der sich in meinem Kopf wie eine Lawine der Erkenntnis ausbreitete. Die Kritik: Die inflationäre Verwendung des Wortes „oversize“ in der Mode, insbesondere jedoch im Kosmos jener Online Vintage und Secondhand Shops, die Konfektionsgrößen wie XL und XXL an sehr schlanken Körpern präsentieren und die besagte Kleidung in der Produktbeschreibung als „oversize fit“ anpreisen. Wäre das Problem an dieser Stelle nicht ohnehin bereits längst offensichtlich, so würde dies spätestens mit dem sehr klugen und einleuchtendem Zitat, das unsere Leserin zur Veranschaulichung hinterher schob, geschehen: „Your oversize is somebody else’s size“.
Guilty as charged. In der Vergangenheit nämlich nutzte auch ich den Begriff etliche Male, um meine oftmals weit geschnittenen Kleidungsstücke, die ich zuweilen in größeren Größen kaufte, zu umschreiben oder Trends wie etwa lockere Blazer aufzugreifen. In der Modebranche hat sich der Begriff längst eingeprägt, taucht in jedem noch so renommierten Magazin und bei einer Vielzahl von Brands auf. Übersetzt heißt „oversize“ so viel wie „Übergröße“ und diese ist — laut Duden — „jene Größe (besonderes in der Konfektion), die die durchschnittlichen Maße überschreitet“. In Deutschland liegen die Durchschnittsgrößen von Frauen laut Statistischem Bundesamt übrigens bei 42 bzw 44 und sind damit, je nach Umrechnungstabelle und Marke, mit XL oder aber XXL gleichzusetzen. Folgt man der Definition des Dudens, haben diese Konfektionsgrößen zur heutigen Zeit also nichts mit Übergrößen zu tun.
(Screenshot aus einem Reddit Thread zum Thema)
Eigentlich also ist die Problematik eindeutig, im Klartext heißt das: Weite Silhouetten mit Begriffen wie XXL zu beschreiben oder eben jene Größe mit „oversize“ gleichzusetzen, kann schlicht und ergreifend verletzend sein, ist damit also per se schon einmal nicht in Ordnung — insbesondere dann nicht, wenn die Vorgehensweise im Fall von all den Online Vintage Shops, die es zuhauf auf Instagram, Depop & Co gibt, genutzt wird, um Konfektionsgrößen in den Produktbeschreibungen als „oversize fit“ anzupreisen, bloß weil sie an schlankeren Personen, die eigentlich nicht für die Größe bestimmt sind, präsentiert werden. Passender wären hier also vielmehr die Angabe der Konfektionsgröße sowie der Hinweis, dass das Kleidungsstück an einer Person, die üblicherweise eine kleinere Größe trägt, fotografiert wurde und somit weiter ausfällt. Letztlich nämlich würde dies auch weniger Menschen, nämlich jene, für die besagte Kreationen gefertigt wurden, ausgrenzen. Kurzum: Sobald es um die Benennung von Passformen und Silhouetten in der Mode geht, sollten wir uns den Begriff „XXL“ schleunigst abgewöhnen. Das gilt übrigens auch für die Verwendung des Begriffs „oversize“, sofern wir damit lediglich jene Kleidungsstücke meinen, die wir in (für uns) zu großen Größen kaufen, um eine weite Passform zu erzielen.
Offen bleibt, zumindest in meinen Überlegungen, hingegen die Frage, ob eine entfremdete Verwendung des Wortes „oversize“ als bloßes Synonym für Begriffe wie „weite Silhouette“, „körperfern“ oder „locker geschnitten“ denkbar ist, sofern sie sich eben durch alle Konfektionsgrößen zieht, also niemanden ausgrenzt und dabei lediglich ein Design, wie man es etwa von Phoebe Philo oder The Row kennt, beschreibt. Eine Antwort hierauf habe ich bisher (noch) nicht. Auch weil die Frage, ob man hier überhaupt differenzieren kann oder sollte, nicht von einer einzigen Person beantwortet werden kann. Klar ist jedoch, dass wir uns künftig noch intensiver mit unserer Wortwahl sowie der eigentlichen Herkunft sowie Bedeutung verwendeter Begriffe auseinandersetzen sollten, denn wie in der Vergangenheit bereits schon so oft betont wurde: Sprache kann verletzen, ausschließen und das Bewusstsein verändern.