In den vergangenen Jahren tanzte ich auf so einigen Hochzeiten, manch eine davon ging bereits in die Brüche, andere weiteten sich auf Kinder, Haus und Garten aus. Als nun jüngst auch der beste Freund meines Freundes verkündete, sich verlobt zu haben, überschlugen sich ganz plötzlich auch in meinem Kopf jegliche Fragen über das Heiraten — und das, obwohl ich eigentlich nie darüber nachdenken wollte.
1. Wie war das noch gleich mit dieser Blütezeit?
Als Teenagerin las ich in irgendeiner Zeitschrift davon, dass Frauen mit 34 Jahren in ihrer Blütezeit seien, lachte kurz darüber und speicherte den Vorschlag der Autorin, in eben jenem Alter zu heiraten, unter „dämlich“ ab. Klar, in meinem jugendlichen Gehirn klang das natürlich schrecklich abwegig, glaubte ich doch bereits mit 18 in meiner Blütezeit zu sein, den Kopf voller „Mr. Brightside“, in der linken Hand einen Becher randgefüllt mit rotem Rauscher. Und sowieso, heiraten kam damals für mich gar nicht infrage, immerhin weigerte ich mich bereits im Kindergarten beim „Vater, Mutter, Kind“-Spiel die Rolle der Mutter zu übernehmen, wohlwissend, dass Ehemänner ebenso doof wie Jungs sind. Heute aber, da sieht es schon ein bisschen anders aus, so wie das eben ist, wenn man ganz plötzlich selbst Peinlichkeiten wie „Ich fühle mich gar nicht wie 31“ von sich gibt, während man die Realität subtil in dieselbe Schublade mit all den Geschenken, die man niemals wollte, schiebt.
In einem unverhofften Euphorie-Schub (Stimmungsschwankung sei Dank) überkam sie mich dann aber doch, diese dämliche Sache mit der Blütezeit und für einen klitzekleinen Moment stellte ich mir gleichermaßen heimlich als auch beschämt vor, wie das wohl so wäre, wenn ich in drei Jahren freudestrahlend mit Brautsträußen um mich werfen würde (Spoiler: alle überleben). Doch kurz bevor es ernst werden konnte, brachten mich meine bahnbrechende Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen sowie der Gedanke an schiefe Akustikcover, die so manche Hochzeit mit sich bringt, zurück auf den Boden der Tatsachen und ich vertagte meinen Gedankengang: Wilde Parties lassen sich schließlich auch mit 70 noch feiern.
2. Bleibt Blaukraut Blaukraut und Brautkleid Brautkleid?
Das Schöne an Kleidung ist ja, dass man jeden Tag neu entscheiden kann, was man denn so aus dem Kleiderschrank zieht — und wenn man das gewählte Ensemble am Abend fragwürdig findet, kann man am nächsten Morgen einen tollkühnen Neustart wagen. So oder so ähnlich handhabe ich es zumindest, seit ich meinen modischen Stimmungsschwankungen freien Lauf lasse und zuweilen auch mal so aussah, als hätte ich zuvor alle Spiegel in der Wohnung abgehängt.
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Was aber zieht man an, wenn Fehlversuche gänzlich untersagt sind und wie um Himmels Willen legt man sich als Person mit Entscheidungsschwierigkeiten auf eine einzige Option fest? Meine bisherige, zugegeben sehr zeitintensive Lösung: Einfach mal die Bühne, die einem zusteht, in Anspruch nehmen und die Outfits in gepflegter Beyoncé-Manier nach jedem Song wechseln. Das sorgt zumindest nicht nur für einen wahnsinnigen Show-Effekt (sollte alles andere schief gehen), sondern ermöglicht auch, alle Varianten vom wallenden 3-Nüsse-für-Aschenbrödel-Kleid über Jean Paul Gaultiers „Hauch von nichts“ bis hin zum weißen Anzug à la Sigfried und Roy durchzuspielen. Bleibt nur noch eine Frage: Führe ich meine Outfitwechsel in einer tragbaren Umkleidekabine oder doch in Marijke Amados Zauberkugel durch?
3. Muss man Menschen, die man nicht so gerne mag, eigentlich trotzdem einladen?
In meiner Grundschulklasse gab es einmal ein Mädchen, das beim Melden laut mit den Fingern schnippte und auf dem Schulhof ungefragt vom Kuchenteilchen in Dino-Form einer Freundin abbiss. Mit einem Happen war der Kopf ab und schaute verzweifelt aus ihrem Mund, während sie beherzigt lachte. Ich umklammerte mein Pausenbrot ein bisschen fester und zog in Erwägung, meinen nächsten Geburtstag ohne sie stattfinden zu lassen. Weil meine Rebellion zu Kindertagen aber meist bloß in meinem Kopf, nicht aber in der Realität stattfand, stand sie einige Wochen später natürlich trotzdem in unserem Dachzimmer, während ich sie beim Mumienspiel mit Klopapier einwickelte (Kindergeburtstage der 90er waren wild!). Diese und andere schöne Anekdoten schoben sich zuletzt in meine Tagträume, während ich überlegte, wen ich zu meiner Hochzeit einladen würde und ob die Gästeliste — ähnlich wie zur Grundschulzeit — auch Personen, die ich eigentlich gar nicht mag, beinhalten muss, bloß weil die Cousine fünfzigsten Grads sonst auf ewig eingeschnappt wäre und auf jeder folgenden Familienzusammenkunft mit passiv-aggressiven Kommentaren um sich werfen würde. Kurzum: Muss ich am Ende vielleicht auch auf meiner Hochzeit, dem vermeintlich „schönsten Tag meines Lebens“ so tun, als würde es mir Spaß machen, eine Person, die ich gar nicht leiden kann, in Klopapier einzuwickeln?
Drei weitere Fragen, die ich mir außerdem stelle:
4. Muss man durchchoreografierte erste Tänze eigentlich noch selbst tanzen oder kann man dafür professionelle Tänzer*innen engagieren?
5. Haben Hochzeiten überhaupt stattgefunden, wenn es danach kein professionelles Video mit VSCO-Filter gibt?
und 6. Was macht man eigentlich mit dem Brautstrauß, wenn ihn niemand fangen möchte?