In den letzten Tagen habe ich viel Zeit im Bett verbracht. Ich fühlte mich schlapp und fertig und irgendwie einfach… durch. Zu meiner Schwester sagte ich am Telefon: „Es ist, als habe mein Körper beschlossen, dass er jetzt in den Lockdown geht. Weil er eine Pause braucht.“ Ganz ehrlich: Wer braucht momentan keine Pause? Nach diesem anstrengenden, schwierigen, unvorhersehbaren Jahr?
Und dabei bin ich noch ganz gut weggekommen: Klar, finanziell war 2020 für mich nicht toll, viele Veranstaltungen sind ausgefallen und in manchen Momenten saß ich verzweifelt in meiner Wohnung und fragte mich, wie das alles weitergehen soll. Aber ich bin gesund geblieben, genauso wie meine Familie und Freund*innen – und das ist natürlich das Wichtigste. Ich habe außerdem keine Kinder, die ich „homeschoolen“ und rund um die Uhr betreuen muss, ich arbeite nicht in einem systemrelevanten Beruf, ich hatte ein finanzielles Polster, auf das ich zurückgreifen konnte. Trotzdem hat dieses Jahr mich geschafft. Und wie.
Pause machen
Dass ich es dennoch hinbekommen habe, ein Buch zu schreiben, erstaunt mich. Oder vielleicht auch nicht: Denn gerade dieses Schreiben, dieses Projekt, war es, was mich im Frühjahr durch den ersten Lockdown brachte, und das nicht nur finanziell. Das weiß ich allerdings erst heute, wo der zweite Lockdown kurz bevorsteht. Im Frühjahr nämlich, da ärgerte ich mich manchmal über die Tatsache, dass da dieses Buch ich dieses Buch war, das so viel Zeit in Anspruch nahm. Naiverweise dachte ich, ohne das Buchprojekt hätte ich die Zeit und den Raum, so viele andere Dinge anzugehen. Großartige Dinge, neue Dinge! Ich wollte auch Brot backen und eine neue Sprache lernen, oder…
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Heute, wo die Arbeit an meinem Buch abgeschlossen ist, kann ich darüber nur lachen (und frage mich, wie ich ein bezahltes, tolles Projekt jemals gegen Brotbacken habe eintauschen wollen). Die Wahrheit ist: Nichts mache ich. An den meisten Tagen muss ich eine Buchseite zwei- oder dreimal lesen, um überhaupt zu verstehen, was da steht. Oft mache ich einen kleinen Mittagsschlaf oder gucke online eine Serie. Erst hat mich das wahnsinnig frustriert. Dieses Nichtshinbekommen. Jetzt denke ich: Dann ist das halt so.
Wenn eines von diesem Jahr bei mir hängen geblieben ist, dann, dass sich dank Covid-19 alles potenziert hat. Wer Single war, war wirklich Single. Wer Kinder hatte, hatte sie wirklich. Wer allein wohnte, wohnte wirklich allein. Wer mit dem*der Partner*in zusammenwohnte, wohnte wirklich zusammen. Zustände, die vorher okay, normal und selbst gewählt waren, wurden frustrierend, schwierig und manchmal kaum auszuhalten. Weil all die Dinge, die sie sonst erträglich (schlimmstenfalls) oder schön (bestenfalls) machten, zum großen Teil wegfielen. Irgendwo las ich letztens, Eltern hätten sich ja nun mal ausgesucht, Kinder zu bekommen, und deshalb sollten sie sich jetzt nicht über geschlossene Kitas und Kinderdauerbetreuung zu Hause beschweren, es sei schließlich ihre Wahl gewesen. Ernsthaft? Man mag sich dazu entschieden haben, Kinder zu bekommen – aber sicher nicht dafür, diese inmitten einer Pandemie großzuziehen.
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Das Virus? Vergessen
Ich frage mich ja, was wir – als Gesellschaft, als Individuen – aus dieser ganzen Sache lernen werden. Manchmal denke ich: nicht viel. Im Frühjahr war ich noch vorsichtig optimistisch: Die Solidarität war groß, wir verkündeten stolz „Wir bleiben zu Hause“ und boten älteren Nachbar*innen an, für sie einkaufen zu gehen. Und jetzt? Wird man schräg angeguckt, wenn man im Supermarkt gegenüber der Person, die hinter einem in der Schlange wartet, auf der Einhaltung des Sicherheitsabstands beharrt. Drängen Menschen sich in den Einkaufszentren, stoßen mit Glühwein auf den Straßen an und planen große Weihnachtsessen.
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Das Virus? Scheint vergessen. Genauso wie die Tatsache, dass es nicht nur um uns geht – sondern auch um die anderen.
Jetzt endet dieses Jahr also mit einem zweiten Lockdown, mit astronomisch hohen Infektionszahlen und viel zu vielen Menschen, die tagtäglich auf den Intensivstationen an Covid-19 sterben. Ganz ehrlich: Es fällt mir schwer, angesichts all dessen positiv zu bleiben. Und dennoch: 2020 liegt hinter uns, wir werden dieses Jahr nie wieder erleben müssen. Das ist doch schon mal was. 2021 wird, so wie es momentan aussieht, nicht großartig, aber zumindest besser: Bald wird auch in Deutschland mit den Impfungen begonnen und vielleicht (hoffentlich!), wer weiß, erfindet irgendjemand noch ein Mittel, mit dem bereits schwer an Covid-19 Erkrankte wirksam behandelt werden können.
Danke dafür
Noch kann ich nicht sagen, dass ich aus dem Jahr 2020 dramatische Lehren gezogen habe. Stattdessen haben sich auch hier die Dinge und Werte, die mir wichtig waren, schlicht potenziert – und mir vor allem bewusst gemacht, welche Beziehungen es wert sind, gepflegt zu werden. Ein paar Fragen sind hinzugekommen, kleine und große, von denen die meisten einfach erstmal dastehen, bis ich mich dazu aufraffen kann, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Nächstes Jahr.
Danke dafür, 2020 – du seltsames, schwieriges, endlos langes, frustrierendes und überraschendes Jahr. Ich bin froh, dass du vorbei bist.