Chloé Lopes Gomes war die erste und einzige Schwarze Ballerina von 91 TänzerInnen am Berliner Ballett. Ihr Vertrag wurde nun nicht verlängert – jetzt geht sie mit Rassismusvorwürfen an die Öffentlichkeit.
Rassismus im romantischen Ballett ist ein Problem, sagt die französische Ballerina Chloé Lopes Gomes. Die 29-jährige Tänzerin aus Nizza war 2018 als erste und bisher einzige Schwarze Tänzerin im Berliner Staatsballett aufgenommen worden und tanzte in “Schwanensee”, “La Sylphide” oder “La Bayadère”. Bis kurz vor dem Lockdown war sie auf der Bühne zu sehen. Ihr Vertrag wurde nun nicht verlängert. Die Gründe seien, so erzählt sie, rassistischer Natur. Hinter den Kulissen sei sie Opfer von “Whitefacing” und anderen Diskriminierungsformen, die sie aufgrund ihrer Hautfarbe erfuhr, geworden. Mit VOGUE sprach die Tänzerin über Rassismus im Ballett, über ihren inneren Kampf zwischen Stolz und Erniedrigung sowie über ihre daraus resultierende Depression.
“Wenn ich groß bin, werde ich Ballerina.” – War dies auch Ihr Traum als kleines Mädchen?
Schon im Alter von drei Jahren schrieb mich meine Mutter in einer Tanzschule ein. Als ich mit acht dann das erste Mal im Staatsballett die Aufführung “Schwanensee” sah, war es um mich geschehen. Die Musik, die Atmosphäre, die Kostüme… und erst der Tanz! Das wollte ich später leben dürfen. Dafür habe ich alles gegeben.
Hat Ihr Umfeld Sie bei dieser Berufswahl unterstützt?
Meine Mutter stand immer hinter mir. Sie ist Putzhilfe und leidet darunter, sich beruflich nie verwirklicht haben zu können. Das wollte sie mir ersparen und mir meine Träume ermöglichen. In den Augen meines Vaters war Tänzerin jedoch kein seriöser Beruf, mit dem man Geld verdienen kann. Er hätte sich etwas Handfesteres gewünscht. Dass meine Hautfarbe zum Problem werden könnte, war jedoch nie ein Thema.
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Producer & Interview: @estelleadeline
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Welchen Kriterien muss eine professionelle Balletttänzerin genügen?
Die offiziellen Kriterien sind vor allem Talent, Gewicht, Körpergröße, Knochenbau, Körperproportionen und Taktgefühl. Das sind zum Teil Dinge, die man hat, oder eben nicht. Da bringt es auch nichts, sich zu Tode zu trainieren oder Diäten zu machen.
Sie sprechen von “offiziellen Kriterien”. Was sind denn die “inoffiziellen Kriterien”?
Nun, in der Realität kommt leider vieles auf die persönlichen Vorlieben der jeweiligen BalletmeisterInnen an. Ihnen muss man gefallen, um im Ensemble weiterzukommen. Und das sind leider je nach Person mal kleinere, größere oder in Berlin eben weißere Tänzerinnen.
“Tanz kennt keine Hautfarbe”, sagten Sie gegenüber den Medien einmal, als sie nach Berlin kamen.
Das scheinen dort nicht alle so zu sehen. Ich entspreche nicht der Norm des Ensembles: Ich bin die einzige Ballerina of Color von 91 TänzerInnen am Berliner Staatsballett. Das bekam ich auch öfters schmerzhaft zu spüren. Schon bei meinem Vorstellungsgespräch sprach sich eine Ballettmeisterin gegen mich aus. Es würden auf der Bühne alle nur auf mich sehen, da ich so auffalle. So traurig es klingt: Diese rassistische Einstellung ist nicht untypisch für das traditionelle Ballett der Generation 60+. Wie traurig, sollte doch Ballett unsere Gesellschaft widerspiegeln, mit all ihren Hautfarben.
Rassistische Äußerungen haben Sie also am Staatsballett Berlin vom ersten Moment an begleitet.
Leider. Der damalig neue Direktor, Johannes Öhmann, war moderner, diverser und inklusiver orientiert und setzte sich für mich ein. So wurde ich vor zwei Jahren eingestellt. Doch was hinter den Kulissen abläuft, bekommen nur die TänzerInnen mit – oder ab. Die BallettmeisterInnen, mit denen TänzerInnen den ganzen Tag verbringen, haben das wahre Machtmonopol. Diese Personen entscheiden als unanfechtbare Instanz darüber, welche Rolle man bekommt und ob der Vertrag von der Direktion verlängert wird.
Eine unanfechtbare Instanz?
Wer aufbegehrt, riskiert seinen Job, bekommt keine Rollen. Deshalb habe ich Dinge stillschweigend hingenommen, die mich tief verletzt haben. So bin ich zum Beispiel die einzige Tänzerin im Ensemble, die keine Hairstylistin zur Verfügung hatte. Es gibt dort niemanden, der mit Afrohaaren umgehen kann, ich musste mich als einzige der TänzerInnen selbst zurechtmachen.
“Wir hatten noch nie solche Haare wie deine hier,“ gab eine Stylistin zu. ”Wir wissen nicht, was wir damit machen sollen.“ Das ist erniedrigend, da es mir das Gefühl vermittelte, weniger wert und absonderlich zu sein.
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VOGUE COMMUNITY – Dieser Text von Estelle Meyer wurde zuerst bei Vogue Germany veröffentlicht. Dort könnt ihr den Beitrag weiterlesen – |