Buchwunsch: Patti Smith „Just Kids“ – Die Geschichte einer Freundschaft.

23.09.2011 Allgemein, Buch

Heute halte ich endlich mal meinen Schnabel, was Sartre und Jugendbücher betrifft und stelle euch stattdessen ganz fix ein Buch vor, welches ich mir selbst noch nicht zu Gemüte geführt habe. Es ist aber so, dass ich mich, nachdem mir eine Freundin den Link dazu geschickt hatte, fragte, weshalb es verflixt nochmal nicht längst auf meinem Nachttisch liegt. Diesmal handelt es sich also um Patti Smiths biographisches Werk „Just Kids„, das vielmehr ist als ein öffentliches Tagebuch: Nämlich die wunderbare Geschichte einer tiefen Freundschaft, so sagt man.

Patti, die spätere „Godmother of Punk“ und Ikone der Frauenbewegung wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, brach mit 16 die Schule ab und gab mit 18 ihr erstes Kind zur Adoption frei. Auf ihrem wilden Weg durch New York City, irgendwann im Sommer 1967, lernte sie kurz darauf den jungen Robert Mapplethorpe kennen. Die beiden lebten gemeinsam in den Tag hinein, teilten Gedanken und Ängste und Drogen, fanden sich im anderen wieder, wurden Freunde, hatten nichts außer sich selbst und den gemeinsamen Traum, irgendwann einmal Künstler zu werden. Sie schrieb Gedichte und machte Musik, er fotografierte, und zwar am liebsten Patti. Beide wurden berühmt. Fräulein Smiths erstes Album „Horses“ erschien 75 und ist wohl zumindest rein optisch betrachtet das berühmteste Werk der überzeugten Feministin, schließlich ziert das Cover der Platte eine frühe Aufnahme Mapplethorpes von seiner platonischen Weggefährtin, die sich höchstwahrscheinlich auf Ewig in unser aller Hirne gebrannt hat. Hübsche Momentaufnahmen und Pattis rotzige Stimmgewalt reichten irgendwann nicht mehr aus, und so wurde die legendäre Band Patti Smith Group geboren. Zum Glück, denn sonst hätte die amerikanische wie auch die englische Punk- und New-Wave-Bewegung eventuell ziemlich alt ausgesehen. So viel erstmal zum Hintergrund, der in „Just Kids“ bloß der Nährboden für ein Konstrukt aus Gefühl und Chaos ist.

Plattencover von Patti Smiths „Horses“, fotografiert von Mapplethorpe.

Patti, die „Rock-Poetin“ erzählt im Buch von einer über 20 Jahre lang währenden Künstlerfrendschaft, die schließlich ein tragisches Ende finden musste: 1989 starb Maplethorpe an Aids.  Der Verlust ihres Freundes hinterließ in Pattis Kopf einen derart eng geschnürten, gigantischen Knäuel aus Erinnerungen, Gefühl und Verbundenheit, dass dieser irgendwann zu platzen begann, auseinander sprang und sich in Worten auf Papier legte. Um in die Welt hinaus getragen zu werden, als Geschichte und Dokument einer tiefen, platonischen Liebe.

„Es geht um Liebe, um zwei freiheitsliebende Künstlerseelen, Drogen, es geht um den Willen niemals aufzugeben, es geht auch um die Aufbruchsstimmung der 70er und 80er Jahre, es geht um berührende Momente und tiefe Einsichten – all dies findet man in diesem wunderbar geschriebenen Buch.

Das Buch beeindruckt durch Aufrichtigkeit, Präzision in den Beobachtungen und die grosse Gabe von Patti Smith, die verschiedensten Aspekte des Lebens auf erstaunliche Weise zusammenzubringen. So schreibt sie: „Bei Robert wurde genau zu dem Zeitpunkt Aids diagnostiziert, als ich erfuhr, dass ich mit meinem zweiten Kind schwanger war. Es war Ende September 1986, und die Äste der Birnbäume bogen sich vor Früchten.“ Alles ist da beisammen. Leben und Tod, Glück und Trauer, Banales und grosse Tragödie. In zwei schlichten, einfachen Sätzen. Ich kenne nicht viele Bücher, die so voller Leben sind – so schonungslos und so feinsinnig zugleich. Das Buch mag zur Mitte hin zwar ein wenig durchhängen und an Intensität verlieren, aber als Ganzes finde ich es eine schöne Bereicherung „, schreibt Peter Steiner bein Amazon.

Offenbar haben wir es mit einem sensiblen, ehrlichen Roman zu tun, mit einer Zeitreise durch das New York der 70er Jahre, mit einer sprachlichen Dokumentaion eines Lebens, das sich zwischen Bühne und erschütterndem Alltag, zwischen Ruhm und Verfall, zwischen Euphorie und Rockmusik und dem Innersten der Menschen bewegt. Mag ich gern haben. Jetzt. Falls es euch ebenso ergeht und ihr auch gute Freunde habt, hier lang, bitte.

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