Im VOGUE-Video und einer Fotostrecke erzählen muslimische Frauen von ihrer Außen- und Selbstwahrnehmung. Die Stylistin Neslihan Değerli erklärt, was es mit dem Projekt auf sich hat.
Stylistin Neslihan Değerli über „Veiled Identities & Unveiled Stories“ und die vielfältigen Identitäten muslimischer Frauen
Jede Person in dieser Strecke hat viele Geschichten zu erzählen. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Kulturen und Umständen, teilen aber ähnliche Erfahrungen. Lasst mich mit einer Geschichte von einer Freundin, Sharon, aus dem Kindergarten beginnen.
Sharon kommt aus Ghana, einem Land, das mir zu der Zeit unbekannt war und fern vorkam. Weder sie noch ich machten uns Gedanken über unser Aussehen und darüber, dass wir aus Kulturen stammen, die für die anderen Kinder fremd waren. Sharon und ich sprangen oft vor Aufregung umher als wir unsere Träume teilten, Reisepläne schmiedeten und in die Zukunft blickten. Uns war damals nicht bewusst, dass unser Aussehen oder die Sprache, die wir zu Hause sprechen, jemals ein Nachteil in unserer Gesellschaft sein und sich in den Weg unserer Träume stellen könnten. Denn als Kind unterscheiden wir unsere Freunde nicht nach äußerlichen Unterschieden oder Herkunft, wir lassen neben Schwarz und Weiß auch Grau zu.
Alle unsere Identitäten sind stark davon beeinflusst, wie wir von unserem Umfeld wahrgenommen werden. Vorurteile, die auch in und von den Medien geprägt werden, sorgen häufig dafür, dass besonders junge Frauen auf ihr Äußeres reduziert werden und ihre Identitäten verfremdet und stigmatisiert werden. Dies ist ein maßgeblicher Grund, weshalb viele (muslimische) Frauen in Deutschland ihre Chancen nicht nutzen und Ziele nicht erreichen können.
So kam es zum Projekt “Veiled Identities & Unveiled Stories”
An einem Dienstagabend, kurz vor 22 Uhr, kam in Berlin eine Gruppe junger Frauen zum Iftar zusammen, dem muslimischen Fastenbrechen im Ramadan. Aus den einander fremden Gesichtern und Geschichten, die nur der Ort und die befreundete Gastgeberin vereinten, bildete sich eine kleine, harmonische Community. So ist dieses Projekt entstanden. Denn trotz inklusionsorientierten Bewegungen wie “Black Lives Matter” oder dem Christopher Street Day “haben viele lange nicht wirklich das Gefühl gehabt, dass es etwas gibt, was [sie] konkret mit irgendeiner Community hier verbindet”, wie die Beteiligte Misheel Enkh-Amgalan sagt.
Unsere Strecke möchte im Kontrast stehen zu den homogenisierenden und stereotypisierenden Bildern, die oft im Zusammenhang mit dem Islam in den Medien gezeichnet werden. Stattdessen möchten wir den Menschen eine Plattform bieten, die unverdient von dieser Darstellung betroffen sind. Wer sind sie und wie werden sie von anderen wahrgenommen? Was bewegt und interessiert sie? Wofür stehen sie und welchen Herausforderungen sind sie im Alltag ausgesetzt? Was verbindet sie mit ihrer Community und ihrem Glauben? Und: Was wünschten sie sich, sollte sich in unserer Gesellschaft verändern?
Über Vorurteile: “Der Hijab mag teilweise Teil ihres Selbstausdrucks sein – aber ein Stück Stoff definiert sie nicht”
Der Hijab mag teilweise ein Teil ihres Selbstausdrucks sein – aber ein Stück Stoff definiert sie nicht. Die Identität einer Person setzt sich aus mehr zusammen als ihrer Hautfarbe, ihrem Glauben und ihrer sexuellen Orientierung. Die Handlungen einiger radikaler Individuen definieren nicht die 1,8 Milliarden Menschen, die der zweitgrößten Weltreligion angehören. Wir sind alle komplexe Individuen und so sollten wir auch unsere Gegenüber wahrnehmen.
Hinter den Gesichtern und Bedeckungen stecken viele spannende Geschichten und Erfahrungen, die es verdienen, gehört zu werden. “Das Erste, was andere in mein Äußeres interpretieren, ist, dass ich eine zugewanderte, unterdrückte Hausfrau und Mutter bin“, sagt Bedriye Degerli. So wie Bedriye bekommen viele Frauen nicht die Möglichkeit zu zeigen, wer sie wirklich sind. Andere werden zu Tokens. Ich selbst fühle mich als Stylistin betrachtet wie ein Aushängeschild, ”die eine Türkin, die es ausnahmsweise mal geschafft hat, erfolgreich zu werden“. Es werden einzelne Erfolgsgeschichten erzählt, die die Gesellschaft hören will.
VOGUE COMMUNITY – Dieser Text von Neslihan Değerli wurde zuerst bei Vogue Germany veröffentlicht. Dort könnt ihr den Beitrag weiterlesen – |
Credits: Fotos: Fee-Gloria Grönemeyer, Styling: Neslihan Değerli, Haare/Make-up: Tali Quindio