Dass wir ungern über Geld reden, versuchen wir hier auf This is Jane Wayne gelegentlich mit dem Kassensturz zu brechen. Wie aber steht es um unsere Fähigkeit, uns sozioökonomisch einzuordnen und einzugestehen, in welcher sozialen Klasse wir selbst und unsere Familien sich aufhalten? Geht es um Karriere und andere Erfolge, wird damit hierzulande gerne hinterm Berg gehalten.
Nenne mir die Berufe deiner Eltern und ich sage dir, wer du bist. Na, so einfach ist das natürlich nicht. Aber vielleicht sage ich dir, wie gut deine Chancen stehen, mal selbst eigenen Grund, eigenes Haus und ein gewisses Maß an Wohlstand zu erreichen. Und nicht nur handfestes Kapital spielt hier eine große eine Rolle:
Wenn wir über Chancen im Kontext von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reden, dürfen wir Bildung, soziale Verbindungen und Förderkapazitäten unserer Familien nicht vergessen. Schon früh zersetzt sich nämlich, wer sich an Hochschulen oder in der Ausbildung wohlfühlt. Wer auf Unterstützung des Elternhauses setzen kann und wer darauf angewiesen ist, nebenher Job um Job anzunehmen, um sich ein Studium leisten zu können. Doch beim Studium soll es nicht bleiben. Wir reden auch über Freizeitaktivitäten, Lebensstandards, Existenz- und Familiengründungen. Unsere soziale Klasse hat Einfluss auf alles, was unser Leben bedingt.
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Und so fordert Journalist Malcolm Ohanwe einen transparenteren Umgang mit einem finanziellen Hintergrund. Wer hatte Unterstützung bei der Verwirklichung der eigenen (beruflichen) Träume und wie kann diese ausgesehen haben?
Was zunächst wie eine übergriffige Frage klingt, soll eigentlich nur für mehr Gleichheit und Transparenz sorgen, für wen heute in Deutschland was möglich ist. Angefangen bei der Existenzgründung, weitergehend bei dem Erwerb des Eigenheims oder dem Ausstieg aus der Gesellschaft. Risiken und Nebenwirkungen? Viel leichter zu tragen, wenn es etwas Geld im Rücken gibt. Erfahrungen mit Buchhalter*innen, Anwälten und Personal? Können geteilt werden, wenn auch die Eltern ähnliche Schritte gegangen sind. Wer kennt wen? Auch Vitamin B ist eine Form von Kapital.
Doch Obacht, jetzt wird es kniffelig, denn die Bitte um Transparenz und Offenlegung geht allzu oft mit Neid und Missgunst einher. Auch wenn wir uns dessen bewusst sind und die Frage nach dem tatsächlichen Vermögen doch eigentlich nur zur Einordnung dient und dazu, Dinge besser für sich einzusortieren, hilft dieses Wissen um Reichtum und Ungleichverteilung meistens leider nicht. Der erste Impuls bleibt meistens Neid. Leider. Und trotzdem ist diesesTransparenz wichtig, wenn auch erst nach längerem Nachdenken: Denn sie hilft, um vielleicht einen gesünderen und realistischeren Blick auf Dinge wie den „American Dream“, den „du kannst alles schaffen“-Gedanken oder einen „Einfach machen“-Epos zu bekommen.
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Achso, auch du musstest neben dem Bachelor/Master-System hart arbeiten und das, obwohl deine Eltern Akademiker*innen waren? Natürlich, das will ich euch gar nicht abstreiten. Ganz sicherlich kommt es auch bei dem Besprechen der sozialen Herkunft auf vielen Nuancen an. Die harte Arbeit auf der einen Seite bedarf nicht weniger Lob, weil andere es schwerer hatten. Und natürlich bedeutet ein Studium der Eltern nicht für Generationen danach ausgesorgt zu haben.
Vielleicht sollten und dürfen wir es auch als einen kleinen Vorsprung betrachten? So wie mit jeglicher Form von Kapital ein kleiner Vorsprung hinzukommt. Er macht den Einstieg schneller, smoother und nimmt vielleicht die eine oder andere Hürde oder gar Angst. Das bedeutet auch: Das Wettrennen ist nie fair, wenn nicht alle ab der Geburt die gleichen Chancen haben. Das sind Fakten, an denen wir schwer etwas ändern können. Aber darum soll es auch nicht gehen. Wie immer lautet das Code Word: Priviliegien-Check!
Immer häufiger befeuere ich die Wahrnehmung meiner eigenen Privilegien und befürworte dies auch bei anderen sehr. Mehr als das simple Nennen des Stichworts fehlt mir aber häufig eine Art Disclaimer, wenn es um Selbstverwirklichung und berufliche Werdegänge geht.
Was ich damit meine? Ein Unternehmen gründen mit 25 Jahren? Fantastisch! Mit einem Label schon nach wenigen Monaten Geld umsetzen? Großartig, wenn junge Unternehmer*innen anderen Mut machen wollen und auch andere FLINTA inspirieren, große Schritte zu machen.
Privilegien, den finanziellen Rückhalt der Eltern oder gar ein Erbe, sowie Zugang zu relevanten Orten außen vor lassen? Das passt doch 2021 irgendwie nicht mehr, oder? Vor allem, weil wir nicht unbedacht über den Erfolg von FLINTA am Markt klatschen sollten, wenn es sich ausschließlich um weiße Cis-Het-Personen handelt, die privilegiert genug sind, mit ihrer Unternehmung noch immer ein geringeres Risiko einzugehen als eine Person, die ganz ohne Fallschirm den Sprung wagt. Besagten Sprung als ein Leichtes, durch puren Mut und ausschließliches als Ergebnis von Schweiß und harter Arbeit darzustellen, ist weder ein feministischer Akt noch ein gutes, inspirierendes Zitat.
Was ich hierbei nicht sagen will: Haltet euch zurück mit dem vielen Geld, lasst anderen den Vortritt. Was ich sehr gern wissen würde: Wie transparent geht ihr in eurem Freund*innenkreis mit eurem finanziellen Hintergrund um? Sprecht ihr über Nachteile oder Vorsprünge verschafft haben? Vielleicht könnte ein ehrlicherer Umgang unrealistischere Erwartungen eliminieren und eine viel realistischere Bestandsaufnahme aufzeigen. Was meint ihr?