Letzte Woche klickte ich mich, mal wieder, durch das Angebot der von mir abonnierten Streamingdienste, auf der Suche nach etwas, das mich ansprach. Das Problem, wie so oft in letzter Zeit: Nichts sprach mich an. Nicht einmal die Dinge, die auf meiner To-Watch-Liste standen. Vor allem nicht die. Es ist das gleiche Gefühl, wie wenn man vor dem gut gefüllten Kleiderschrank steht und nichts zu anziehen hat. Ja, es sind zwar genug Klamotten da, aber nichts entspricht dem, wie ich mich gerade fühle. Meine Rettung in den Momenten, in denen Netflix & Co in meinen (verwöhnten) Augen nichts, aber auch gar nichts zu bieten haben, sind die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen. Ich weiß nicht genau, woran das liegt, schließlich handelt es sich dabei irgendwie auch nur um weitere Streamingangebote, die mit einer Flut von Filmen, Serien und Dokus locken. Trotzdem finde ich hier in Augenblicken der Unentschlossenheit mit größerer Wahrscheinlichkeit etwas, das ich sehen möchte. Hier kommt eine Auswahl dessen, was ich in den letzten Tagen geguckt habe, oder noch gucken will.
Die schönen Tage (Arte)
Die schönen Tage habe ich damals sogar im Kino gesehen – und konnte es nicht fassen, als in einer Szene das billige Hotel in Lille auftaucht, in dem meine Eltern wohnten, wenn sie mich dort während meines Studiums besuchten. Formule 1, ein absoluter Klassiker. Der wahre Klassiker in dieser französischen Romanze (Regie und Drehbuch: Marion Vernoux) ist natürlich Fanny Ardant. Französische Filme schaue ich mir am liebsten im Original an, aber ich muss gestehen, dass ich 8 Frauen, in dem Ardant mitspielt, immer nur auf Deutsch gucke – weil Ardant darin von Hannelore Elsner synchronisiert wird, eine perfekte Kombination. Aber zurück zu Die schönen Tage: Darin spielt Ardant eine Frau im – wie sagt man so schön – besten Alter, die sich an einem Wendepunkt befindet. Nach dem Tod ihrer besten Freundin gibt Suzanne (Ardant) ihren Beruf als Zahnärztin auf, tritt einem Senior*innen-Freizeitclub namens Les beaux jours bei und beginnt eine Affäre mit einem jüngeren Mann. Dadurch entfremdet sie sich immer mehr von ihrem Mann Philippe und muss entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll. Wie schön das ist, einer nicht mehr jungen Frau dabei zuzusehen, wie sie etwas Neues wagt, sich neu entdeckt. Und dabei nicht auf Midlife-Crisis-Klischees reduziert wird.
(Film verfügbar bis 18.05.2021)
In Therapie (Arte)
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Weil die vierte Staffel der brillanten Serie Call My Agent in Deutschland dreisterweise immer noch nicht angelaufen ist (während der Rest der Welt sie bereits auf Netflix schaut), ich aber dringend etwas Französisches schauen wollte, landete ich schließlich bei der Arte-Serie In Therapie. Die Handlung setzt im Herbst 2015 ein, einen Tag nach den Pariser Anschlägen. Woche für Woche empfängt der Psychotherapeut Philippe Dayan Patient*innen, die auf ganz unterschiedliche Weise von dem Geschehenen betroffen und traumatisiert sind. Das Ganze ist hochkarätig besetzt (u.a. mit Clémence Poésy) und toll gespielt, und legt behutsamen die Brüche und Widersprüche der französischen Gesellschaft offen. Am Ende liegen nicht nur die Patient*innen auf der Couch, sondern ein ganzes Land. Mein Lockdown-geschädigtes Hirn freut sich außerdem darüber, dass die Folgen jeweils nicht länger als eine halbe Stunde sind – was in etwa genau meiner derzeitigen Aufmerksamkeitsspanne entspricht.
Masterclass mit Isabella Rosselini (Arte)
Meine amore für Isabelle Rosselini lässt sich nur schwer in Worte fassen. Fest steht: Nach dieser filmischen Masterclass auf Arte liebe ich die Schauspielerin und Regisseurin noch mehr.
(Film verfügbar bis 19.04.2025)
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Das Erbe des Arabischen Frühlings (Arte)
Zehn Jahre ist es her, dass in der gesamten arabischen Welt Menschen auf die Straße gingen, um gegen autoritäre Herrschaft zu demonstrieren. In Tunesien und Ägypten wurden die Herrscher gestürzt, eine bessere, demokratischere Zukunft schien möglich. Doch nach einer Phase revolutionärer Euphorie gewannen – vor allem in Ägypten – islamistische Parteien an Einfluss und wussten den Umbruch geschickt für sich zu nutzen. Der „Arabische Frühling“ endete letztendlich grausam, mit den Kriegen in Syrien und Libyen. Die Bilanz: hunderttausende von Toten, Millionen Geflüchtete und der Aufstieg der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Dass der „Arabische Frühling“ trotzdem kein reiner Fehlschlag war, sondern nuancierter betrachtet werden muss, zeigt diese zweiteilige Arte-Dokumentation.
(Dokumentation verfügbar bis 08.08.2021)
Sophie Scholl – Die Seele des Widerstands (ZDF)
Am 9. Mai 2021 wäre die Widerstandskämpferin Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. Mit gerade einmal 21 Jahren wurde das Mitglied der Weißen Rose 1943 von den Nazis festgenommen und hingerichtet, gemeinsam mit ihrem Bruder Hans. Heute wird Scholl ausgerechnet von solchen Menschen vereinnahmt und instrumentalisiert, die als antidemokratische „Querdenker“ gegen alles Mögliche protestieren, vor allem gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“. Umso wichtiger ist es, Sophie Scholl, dieser Verteidigerin der Demokratie, zu gedenken, und sich mit ihr als Person auseinanderzusetzen. Das ZDF bietet dazu die Doku Sophie Scholl – Die Seele des Widerstands, und in der ARD gibt es den sehr sehenswerten Spielfilm Sophie Scholl – Die letzten Tage von 2005, mit Julia Jentsch in der Hauptrolle.
(Film verfügbar bis 16.12.2023)
Rabenmütter oder Super Moms? (ZDF)
Gerade war Muttertag, was bedeutet: Blumen und warme Worte für Mami. Aber in den letzten Jahren eben auch eine zunehmende Politisierung dieses Tages, die ich persönlich sehr begrüße. Denn die Mutterrolle wird traditionell erhöht – in der Realität jedoch werden Mütter mit ihren Sorgen und Nöten oft allein gelassen, Rollenklischees und -erwartungen sei Dank. Oft gilt: Egal, wie sie es machen, sie machen es (angeblich) falsch. Für ein neues „Social Factual“ (Eigenbezeichnung ZDF) hat Collien Ulmen-Fernandes, selbst Mutter einer Tochter, vier berufstätige Mütter begleitet. Es geht um Vereinbarkeit, Erwartungen und Geschlechterrollen.
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Vulva und Vagina – Neue Einblicke in die weibliche Lust (3sat)
Ich erinnere mich noch genau, wie ich vor ein paar Jahren in einer Berliner Buchhandlung stand und das Buch Viva la Vagina kaufte. Die Verkäuferin fragte, ob sie es als Geschenk einpacken solle, und ich antwortete, total euphorisch und dadurch etwas zu laut: „Nein danke, das ist für mich selbst!“ Der Mann, der ein paar Meter weiter die Auslage studierte, zuckte leicht zusammen und warf einen misstrauischen Blick auf das Buch, das ich soeben gekauft hatte. Über Vagina und Vulva wissen immer noch erstaunlich viele Menschen erstaunlich wenig, trotz in den letzten Jahren durchaus erfolgreicher Bemühungen von Feminist*innen, das Thema zu enttabuisieren. Doch es bleibt noch viel zu tun und zu lernen, und als Einstieg in die Thematik eignet sich die 3sat-Doku Vulva und Vagina hervorragend.