Ist man jemals zu alt für Latzhosen, Bauchfrei-Tops, Rüschen-Socken und Co?

11.07.2012 Mode, Outfit, Wir, Allgemein

Es gibt Diskussionen, deren Relevanz uns erst dann bewusst werden, wenn sie denn tatsächlich ins Rollen gebracht werden. Und Fragen, die wir uns erst gar nicht stellen, bis schließlich äußere Einflüsse an unseren Gedanken rütteln. Seit gestern grüble ich über dies und das, aber vor allem suche ich nach einer Antwort. Ist man irgendwann wirklich zu alt für gewisse modische Erscheinungen?

Wer nun laut „JA!“ schreien will, für den ist meine kleine Fotosammlung die wahrste Freude, ein Sammeslorium an Geschmacklosigkeiten. Das wiederum fiel mir erst gestern auf, als jemand, der eigentlich nur schwer zu irritieren ist, einen verzweifelten Blick auf meine Rüschensocken warf. Ich, ahnunglos, strahlte nur nett lächeln zurück. Weil ich mich den gesamten Tag an meinen offenbar infantilen Fuß-Accessoires erfreute. Mode ist eine ernste Angelegenheit, wenn man das Ganze recht nüchtern betrachtet. Es geht um viel Geld, um das eigene Image, um Innovation, den Spiegel der Gesellschaft – und der eigenen Persönlichkeit. Was sagen also Söckchen oder wahlweise Latzhosen über mich selbst aus? Hege ich schlichtweg eine panische Angst vor dem Erwachsenwerden, läuft da einfach etwas schief in jenem Hirn-Areal, das zuständig ist für den guten Geschmack?

Ich sage: „Weder noch“ und füttere fleißigst das Phrasenschwein: Mode, im Privaten, muss Spaß machen. Wir sollten uns ans ihr erfreuen, tun und lassen können, wonach uns der Sinn steht. Komisch finde ich, wenn man genau das in Frage stellt. Seltsame Blicke, schnippige Kommentare – wieso? Ich bewundere jeden einzelnen Menschen in meinem Umfeld, dessen Euphorie hinsichtlich der vielleicht schönsten materiellen Erfindung unser Welt mir förmlich ins Gesicht springt. Und trotzdem höre ich immer wieder den gleichen Satz: „Bist du langsam nicht zu alt für sowas?“ Wieso? Weil man in Latzhosen ziemlich schnell aus der Kategorie „sexy“ hinaus purzelt und im schlimmsten Fall temporär vom Single-Markt verschwindet? Und nochmal zurück zu den Rüschen: Kindergartenkinder haben schließlich auch einen gewissen Geschmack . Ist es so verwerflich, wenn man ihn teilt? Ich sehe ein, dass irgendwann die Zeit kommen wird, in der man sich selbst abwendet von Schnickschnack wie diesem. Dies sollte aber aus eigenen Stücken geschehen und nicht aufgrund fremder Überzeugungsarbeit.

Was uns fehlt, ist Toleranz. Und manchmal frage ich mich, woher dieses Problem wohl rührt. Manch einer würde an dieser Stelle einmal mehr auf dem „Neidfaktor“ herumhacken. À la: „Nur weil sie sich selbst nicht trauen, weil ihnen ihre eigene Fadheit sozusagen auf dem Silbertablett serviert wird“. Aber das kann es doch nicht sein? Ist man nicht nur neidisch, wenn man wirklich etwas schön findet? Ich jedenfalls kann jedes Kotzbröckchen im Hals hinsichtlich modischer Finessen wie dieser verstehen – man darf Dinge ja auch hässlich finden. Das passiert mir selbst sehr oft. Und trotzdem kommt mir nicht in den Sinn, darüber zu fluchen. Wie schön, das Geschmäcker verschieden sind.

Ich drehe mich im Kreis und finde keine Lösung für das „Wir sind zu alt dafür“ Problem. Eine Glaskugel wäre gut jetzt. Werden wir jemals begreifen, dass Schranken im Kopf nur hinderlich sind uns jede Freude im Keim ersticken?

Zu bunt:

Zu asi, zu freizügig, zu alles:

Zu kindisch:

Viel zu kindisch:

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22 Kommentare

  1. Lisa

    „Zu alt“ ist meiner Meinung nach keine Kategorie um sich für oder gegen bestimmte Kleidung zu entscheiden. Ich glaube, man erkennt sofort, ob jemand an sich dran ist und das, was er oder sie trägt, ausgesucht wurde, weil es wirklich und ehrlich als wunderschön und der Persönlichkeit entsprechend beurteilt wurde. Rüschensocken sind was tolles! Und bunte Nägel! Und Mut zu haben, sich selbst in der eigenen Kleiderwahl auszudrücken, ist sowieso das Allertollste. Und mal daneben zu liegen auch.

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  2. Jessi

    das mit dem fluchen über „geschmacklosigkeiten“ ist ja immer so eine beschwerliche angelegenheit. manchmal hängt man irgendwie mit drin, wird von der welle erfasst und kritisiert blind drauf los, und dann eben was das zeug hält. bewundernswert finde ich deine breite an modischer toleranz dir selbst und anderen gegenüber. klar hinterlassen kommentare wie „zu asi/kindisch/hip..“ immer kleine unsicherheiten, aber toll finde ich die bestimmtheit mit der du sagst (und vor allem trägst) was dir gefällt! daher denke ich, dass man mit gesundem selbstbewusstsein und offenheit altersunabhängig bauchfrei, mit latzhose, bunten nägeln und rüschensocken herumschlendern darf! (vielleicht bloß nicht alles gleichzeitig :D)

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  3. anna

    die bunten nägel erfreuen mein herz und solche rüschensocken hatte ich als kind auch… ich kann mich noch an meinen letzten „kindischen kleidungsausbruch“ erinnern.. ein graues, langes oberteil mit einer scharzen katze… aber eine die hat einen ganz angeekelten blick darauf geworfen :/ sodass ich es nicht mehr angezogen habe. seitdem kleide ich mich anders, da ich durch mein fliegengewicht und meine „größe“ jung genug aussehe 😉

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  4. Liz

    Interessante Thematik. Ich habe in letzter Zeit auch schon öfter nachgedacht, ob ich für dies/jenes nicht schon „zu alt“ bin. Ich denke, insofern man es vor sich selbst rechtfertigen kann, ist alles erlaubt. Man muss nur die irritierten Blicke wegstecken können. Wenn ich in 10 Jahren Fotos von heute ausgrabe, werde ich vielleicht nicht von mir behaupten können, dass ich zeitlos gekleidet war, aber ich habe mich eben so präsentiert, wie ich gerade drauf war. Mode ist eben auch ein Stimmungsbild. Und überhaupt: Kindisch sein wird unterschätzt.

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  5. Gizem

    Mir stellt sich diese Frage nach dem Alter nie. Vielmehr will ich wissen: Sehe ich gerade verkleidet aus oder enstpricht, was ich trage, meinem Gemütszustand, meinem Stil? Wenn die Bankkauffrau plötzlich bauchfrei dasteht, wird man sich wohl fragen, gegen welchen Pfosten sie gelaufen ist. Wenn die freie Journalistin von der taz mal ein cropped Shirt auspackt und dazu meinetwegen eine Highwaist Jeans trägt, möge sie doch bitte wer hochleben lassen. Zu alt, kann man garnicht sein. Nur wenig überzeugend kann man mal wirken. Ich hab schon „ältere“ Frauen gesehen, die hätten mich in einem Stylebattle in Grund und Boden ge-outfitted 😀
    Und zu den aufgeführten Beispielen:
    – bunte Nägel: FANTASTISCH!
    – bauchfrei: kann ich figurtechnisch nicht tragen!
    – Rüschensocken: OLE OLEEEE

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  6. urban notes

    ach, ich kann die finger nicht von blümchenprints aller couleur lassen. und süßen armbändern mit bunny/birdie/totenkopfanhängern. insofern: zu alt jibbet nich. dafür spaß und freud 🙂

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  7. Trang

    Ich denke, dass Mode und gesellschaftliche Konventionen sich leider immer ein wenig im Weg stehen.
    Ob es kindisch ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle – schief angeschaut wird man in Berlin Steglitz auch, wenn man ein asymmetrisches Kleid trägt. Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht; und so ähnlich ist es schließlich mit der Mode auch: Trägt auch der letzte mode-desinteressierteste Mensch Latzhose, weil es sie für 15 Euronen bei H&M gibt, dann bleiben die schnippischen Kommentare auch aus. Das allgemeine Auge hat sich dann an das Ungewöhnliche gewöhnt.
    Die Frage ist ja, inwieweit man sich dem “Normalen“ anpassen möchte. Natürlich könnten wir auch alle nur mit Stickern beklebt und mit Tiermasken herumlaufen, aber man greift ja trotzdem zur Röhre und Shirt – gerade weil man nicht total unangepasst wirken möchte. Letztendlich zählt nur, da hast Du vollkommen Recht, die Toleranz, bzw. ab wann man für sich selber entscheidet, dass das Outfit jetzt zu verrückt ist.

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  8. Ulrike

    Auf diese Sache mit den Fotos von früher hat neulich auch der von mir zutiefst sympathisch gefunden Guido Maria Kretschmer hingewiesen. Mag ja sein, dass man in einiger Zeit die Dinge von damals grauenvoll findet und sich fragt, was einen da nur geritten hat. Nichtsdestotrotz habe ich keine Angst vor meinem eigenen Vergangenheits-Ich (was auch das von gestern sein kann), das ich manchmal einfach nicht verstehen kann. Ich weiß nur, es hat mir Spaß gemacht und ich bin es, die da gerade so aussieht, wie sie sich fühlt. Ende.
    Nichtgefallen finde ich natürlich; verletzend gegenüber anderen sein – auch und gerade in der Blogosphäre – hingegen inakzeptabel.

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  9. Annemarie

    Durchaus ein interessantes Thema, mich überrascht nur sehr, dass Ihr Mädels hier Euch (in Eurem jungen Alter) schon darüber Gedanken machen müsst bzw. dafür kritisiert werde. Ich hätte gedacht, in Eurem Alter, sei noch „alles erlaubt“. Also, ähm… was soll ich (als wirklich ältere Dame) denn dann sagen? 😉
    Ganz im Ernst, ich ertappe mich auch oft dabei, bei einigen Kleidungsstücken oder Accessoires zu denken „dafür bist Du bestimmt zu alt. Das sieht bestimmt albern aus, wenn Du so etwas in Deinem Alter trägst. Das ist nur was für junge Mädchen“ oder andersrum „Das kannst Du nicht anziehen, darin siehst Du zu omamäßig aus…“, also weder möchte ich alt(modisch) und „Madammig“ aussehen noch wie so eine Alte, die es nötig hat, krampfhaft einen auf Teeny zu machen (so „Madonnamäßig“ halt). Will sagen etwas verunsichert bin ich da schon.

    Andererseits, wenn man mal darüber nachdenkt, dann frage ich mich doch: WER macht eigentlich die Regeln? Und wie genau lauten sie? Ab wann ist man denn z.b. zu alt für eine Latzhose und wer entscheidet das?
    Und – selbst wenn man eine greifbare Antwort auf die Frage findet – möchte man denn wirklich so aussehen wie die Leute, die DIESE Regeln aufstellen bzw. die einen kritisieren? Wenn ja, gut, dann sollte man sich besser an die Regeln halten. Wenn nein, würde ich mal sagen, erst recht anziehen und die Kritiker ignorieren. Sag ich mal so, in meiner gefühlten 15ten Trotzphase 😉

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  10. Alix

    also erstens: ich brauch das foto!!!! zweitens waren meine nägel gestern pink, meine socken nicht nur mit rüsche sondern gleich auch noch mit blümchen und drittens meine letzten vier tshirt bestellungen ALLE bauchfrei!!
    wann wenn nicht jetzt denn bitte??? bunt und rüschen geht ein lebenlang. nur den bauch müssen wir wohl oder übel mit 70 wahrscheinlich zärtlich bedecken. aber bis dahin… einfach ein bisschen leben lieben!

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  11. bine

    Nike ich ziehe den Hut – ein bezaubernder, ehrlicher und intelligenter Blogpost! Ich habe deinen Artikel gern gelesen und nach den Kommentaren zu urteilen bin ich mit meiner Meinung nicht alleine 🙂 (In diesem Augenblick trage ich eine pinke Pyjamahose mit bunten Totenköpfen) Hoch lebe die Individualität 🙂

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  12. Leo

    Ihr seht doch beide noch ganz jung aus auf Euren Fotos. Und selbst wenn Ihr 80 waert, faende ich die Socken noch o.k. Ich habe 10 Jahre in Los Angeles gelebt, und geliebt dass Leute sich einfach so anziehen wie sie wollen. Bauchfrei mit Mitte 70 ist da ganz normal. Maenner in Frauenkleidung an jeder Ecke… Alles bunt bunt bunt. So ist es leider im grauen Deutschland nirgendwo, selbst nicht in Berlin 🙁

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