Das Stöbern in der Herrenabteilung gehört für viele uns ebenso dazu wie das Tragen eines Büstenhalters. Das Eine schließt das Andere nicht aus, beides ergänzt sich nämlich vorzüglich. Das bewusste Missachten jeglicher Rollenzuweisungen ist zum Modealltag geworden. Niemand wirft mit schrägen Blicken nach uns, wenn wir die Boyfriend Jeans zum Wochenendmarkt ausführen, nach Oversize-Blazern kräht kein Hahn mehr, der Tomboy-Look wird von manch einem Mitbewohner sogar als „sexy“ betitelt.
Wir dürfen das. Weil wir emanzipiert sind. Maskulin aussehen und in Männerkleidung ertrinken. Und wenn man noch ein wenig länger drüber nachdenkt, dann offenbart sich uns die ganze Wahrheit: Im Prinzip dürfen wir sogar alles. Bloß bei sackartigen Kleidern schüttelt Mann ab und an mit dem Kopf. Insgeheim findet er uns dann aber doch irgendwie süß im Bollerkleid. Weil wir das eben dürfen, das komisch Aussehen. Das ist unfair. Die meisten Jungs haben nämlich ein Problem, wenn sie modischen Mut beweisen.
Mein Hirn hat diese Thematik gerade eben erst wieder hervor gekramt, nämlich beim Betrachten der A/W 13 Looks von Soulland. Ich schaue gern mal nach, was die Burschen so treiben, weil weite Pullis nicht verkehrt sein können und schon der Blumenprint der aktuellen Sommerkollektion beinahe in meinen Schrank gewandert wäre – in Übergröße natürlich. Und auch im kommenden Sommer zieht sich ein Trend, der für und schon längst Gang und Gäbe ist, durch die Menswear: Oberteil und Unterteil gehen im Partnerlook. Was an der modernen Madame an Coco Chanel und die 20er Jahre erinnert, wird im Kosmos der Herren zum Drahtseilakt der Image-Gefährdung. Das darf in der Heterowelt wirklich nur, wer ziemlich akzeptiert ist. Und selbstbewusst. Und männlich. So scheint es zumindest.
Denn bei einer internen Umfrage im Freundeskreis stellte sich ein ziemlich eindeutiges Ergebnis heraus. Der allgemeine Tenor lautet: „Das sieht ja ganz gut aus und zu manchen Männern passt das ja auch total, da ist das sexy, aber an meinem eigenen Freund? Oh, bitte! Da müsste ich lachen.“ Soso. Würde man das Ganze jetzt verallgemeinern, so könnte man auch sagen: Wir mögen extrem modisch gekleidete Männer gut leiden. Aus der Ferne. Sie taugen vorzüglich zum Anschauen, bloß nicht zum Anfassen. Weil wir lieber mit Männern kuscheln, die irgendwie unmodisch sind. Und spielen sie modisch doch ganz oben mit, so geschieht das meist aus Versehen. Weil der gute Geschmack ihnen irgendwie in die Wiege gelegt wurde. Und wieso um alles in der Welt ist das so? Weil wir gar nicht so aufgeschlossen sind, wie wir gern wären. Schade.
Fotos: Copenhagen Fashion Week.