American Apparel hat in den vergangenen Jahren schon einige Male für Nasenrümpfen gesorgt. 133 Millionen Euro Miese auf dem Schuldenkonto zum Beispiel und schließlich Kampagnen, die von Kritikern gern als über-sexualisiert, sexistisch und grundsätzlich unästhetisch beschrieben werden. Firmen-Chef Dov Charney versucht sein Unternehmen eben mit allen Mitteln ins Gespräch zu bringen (bringt sich selbst aber auch recht häufig auf unangenehme Weise ins Gespräch) und hofft derweil auf steigende Umsätze. Sollte das Sex Sells Prinzip bis Ende 2013 keine Früchte getragen haben, steht das Unternehmen allerdings unweigerlich vor dem Aus, denn auch Kreditgeber Lion Capital will bald kein Auge mehr zudrücken. Da fragt man sich nun also: Tut es American Apparel gut, dass wir uns seit heute wieder den Mund fusselig reden? Oder gleicht das Ganze einem letzten Todesstoß?
Denn schon wieder geht es um die in vielen Augen „unhaltbare“ Bildästhetik des Brands aus Kalifornien. Diesmal hat der Kampagnen-Watchdog mit Models zu kämpfen, die von der Volljährigkeit zumindest optisch meilenweit entfernt sind, sich aber gleichzeitig in höchst erotische bis nahezu billige Posen begeben, um die neuesten Strümpfe zu bewerben. „We considered both poses were sexually provocative and concluded that the images were irresponsible and likely to cause widespread offence, because they were displayed on a website which could be viewed by, and was likely to have appeal to, children under 16 years of age. (…) The ads must not appear again„, heißt es nun von Seiten Advertising Standards Authority (ASA) (Quelle: fashion telegraph).
Ich selbst halte natürlich nicht viel von der Übersexualisierung der Frau im Allgemeinen, allerdings störe ich mich bis zu einem gewissen Maße auch nicht großartig an ihr. Vereinfacht gesagt: Ich freue mich darüber, dass wir Brüste haben und wer sie zeigen will, der soll das doch bitte auch tun. Keinesfalls unterstützenswert ist allerdings das Abbilden zu junger Mädchen in fragwürdigen Posen. Darüber lässt sich nicht streiten. Was mich allerdings latent aggressiv stimmt, ist die einseitige Betrachtung dieses Problems. Als wäre American Apparel nun sowas wie der Satan der Medienlandschaft, der die Nacktheit des weiblichen Geschlechts propagiert, der Frau zum Objekt macht. Natürlich macht American Apparel das. So wie H&M und Co aber eben auch, nur weniger subtil. Natürlich, ein Grund für das Verbot der genannten Kampagne war zweifelsohne der Fakt, dass derartige Bilder darüber hinaus auf der hauseigenen Website frei zugänglich sind – auch für 10- oder 12-Jährige. 10 oder 12-Jährige sollten sich zunächst einmal aber ganz gewiss nicht allein im Internet herumtreiben. Und: Bei all der Scheiße, die den Kleinen tagtäglich via Fernsehbildschirm entgegen flimmert, empfinde ich American Apparel Kampagnen, provokant ausgedrückt, beinahe als aufklärend (hier ist natürlich keinesfalls die Rede von jenen Kampagnen, die offenbar unter 16-Jährige beinhalten). Die Jugend ist eben versaut, wie wir alle. Das ist das Leben. Schon mit etwa 12 Jahren wissen wir, wie es aussieht, wenn Babies gemacht werden. „Wahre Liebe“ zum Beispiel konnte man heimlich auf VOX anschauen. Nichts Neues also für die Augen von Muttis Liebling.
Noch dazu sind mir wohlgeformte Frauenkörper in unvoteilhaften Posen ziemlich sehr viel lieber als der ganze weichgezeichnete Hollywood-Schrott. Was passiert denn mit einer 14-Jährigen, die in der Bravo Girl ständig Bilder von glatt-retuschierten, unterernährten Pop-Sternchen konfrontiert wird? Zusammenfassend will ich sagen: Pornographische Posen unter 18 sind nicht ok, sondern verabscheuungswürdig. Deshalb ist das Verbot in diesem Fall angebracht: „Casualwear retailer American Apparel has once again fallen foul of the advertising watchdog with campaigns featuring „gratuitous“ images and the sexualisation of models who appeared to be under 16 years old.“ Aber die restliche Aufregerei, wie zum Beispiel hier geschehen, begreife ich beim besten Willen nicht. Denn schon bevor es hieß „Die sind ja alle viel zu jung“ schimpfte man fleißig über die American Apparel-Werbung. In diesem Fall komme ich schlichtweg zu dem Schluss, dass ich all den Unmut durchaus nachvollziehen kann, aber eventuell sollte man sich um Wichtigeres kümmern. Lieber nackte Brüste und seltsame Badeanzüge als porenfrei retuschierte Puppengesichter. Was ist denn bloß so schlimm an Nacktheit, herrgott.