„Immer ihr dämlichen Modeblogger mit eurem Markenwahn und was soll überhaupt dieses plakative Labeling?“ Mit Aussagen wie diesen schlagen wir uns natürlich tagtäglich herum, obwohl wir finden, dass man „Modeblogger“ in diesem Fall auch mit „Mensch“ austauschen kann. Die meisten von uns sind ein bisschen verseucht und darüber streiten bringt im Grunde gar nichts. Ich finde, es ist an der Zeit, dem Ganzen etwas gelassener entgegenzutreten, sonst befasst man sich am Ende nur noch mit purer Heuchelei. Bei einem Carhartt-Pullover hat schließlich so gut wie niemand etwas zu meckern. Steht „Kenzo“ drauf, wird’s schwierig.
„Zu viel Geld für Unfug“, lautet dann das Argument. Ich frage mich nur, wer denn das Recht hat, zu entscheiden, was Quatsch ist und was nicht. Vielleicht gibt der Anti-Marken-Mensch 200 Euronen pro Monat für Tabak aus. Man kann nun darüber diskutieren, welche Art des Geldverprassens unsinniger ist.
Der denkende Mensch ist im Grunde eine recht traurige Spezies, schließlich herrscht auf der Welt viel Übel. Man sollte ihm also diese kleinen Späße lassen. Er braucht das irgendwie – Tabak und Marken oder andere Kinkerlitzchen. Weil er sich dann einer Szene oder dem eigenen Freundeskreis zugehörig fühlen kann, weil er sich an Materiellem erfreut. Ich sehe nichts schlechtes darin, solange das Gehirn und das Herz und die wirklich wichtigen Dinge immer mehr wiegen als der Kleiderschrank. Wir schauen den Leuten eben nur vor den Kopf – wie es dort drinnen aussieht, können wir nicht wissen. Deshalb sollten wir Vorurteile eventuell beiseite schieben und darüber nachdenken, wer der nervigere Zeitgenosse ist: Der Marken-Träger, oder der wertende Marken-Hasser, der 80% seiner Generation in eine wackelige Schublade schiebt.
Wenn ich zum Beispiel Dinge lese wie „Nike, du hast ein Stella McCartney-Shirt? Ich dachte, ihr seid nicht so markengeil wie die anderen“, dann bin ich erstens traurig und zweitens sprachlos. Jetzt mal Butter bei die Fische: Hätte ich keinen Faible für Marken, dann wäre ich in meinem Beruf wohl falsch. Markengeil bin ich trotzdem nicht. Ich kann unabhängig vom Etikett entscheiden, ob mich ein Kleidungsstück lange glücklich machen wird, oder nicht. Ich bin nicht blind und nicht gehirnamputiert. Aber ich spare gerne auf Lieblingsstücke, statt zwei Mal im Monat zu H&M zu rennen und mit jeder Saison die Garderobe zu wechseln.Versteht mich nicht falsch, ich zweifle manchmal auch an unserer geistigen Zurechnungsfähigkeit und der unserer Kollegen.
Was ich allerdings erstaunlich finde: Das Stella-Teil ist ein Sale-Fund für 220 Euro. Wenn ich ein Wood Wood-Teil trage, das ähnlich viel kostet, dann meckert niemand, weil Wood Wood sich eben nicht so protzig anhört wie McCartney. Ich kann also kaum mehr ausmachen, worum sich diese Diskussion überhaupt dreht.
Aber zurück zum Labeling: Ich bin kein Psychologe, deshalb versuche ich mich erst gar nicht an Klugscheißerei. Ich weiß nur, was ich selbst darüber denke: Es gibt Marken, die irgendwie mehr sind: Ausdruck eines bestimmten Lifestyles zum Beispiel. Sehe ich einen Typen mit „Chocolate“ Hoodie, dann weiß ich: Aha, vermutlich Skater!“ Andere Prints lassen uns in Nostalgie schwelgen – seien es Erinnerungen an das erste MC Hammer Album oder die Verknalltheit in Berverly Hills 902010. Manche Shirts katapultieren uns aber auch einfach in den Kopfurlaub. Die von Only NYC zum Beispiel. Ein Hoch auf das Comeback des 90er-Jahre-Logo-Wahnsinns und ein High Five für alle, die andere selbst entscheiden lassen, was sie am Körper tragen.