„80 % der Frauen tragen den falschen BH“. Jaja, schon klar. Langsam aber sicher wissen wir’s ja und was wir auch wissen: Dass wir nicht zu diesen dämlichen 80 % gehören. – dachte ich zumindest. Bis ich am Freitag eines Besseren belehrt wurde und binnen weniger Minuten vom Glauben abfiel.
Als die Einladung von Hunkemöller bei uns eintrudelte (Beratung und Anprobe!), blieb ich ziemlich unberührt und desinteressiert auf meinem Stuhl sitzen. Ich war gerade dabei, die Mail in den Papierkorb zu verfrachten und nach einer passenden Ausrede zu suchen, als ich plötzlich innehielt. Moment mal. Sollte es bei mir kleidungstechnisch wirklich einen Defizit geben, dann hat man hier gerade wohl voll ins Schwarze getroffen. Ich konnte mich nicht einmal mehr an meinen letzten Unterwäschen-Kauf erinnern. Ein stiefmüttlerlich behandeltes Thema meinerseits. Vor allem, weil ich kein Problem mit auf Unterhosen platzierten Autos, Eulen oder Wolken habe und Feinripp-Schlüppis seit meiner Kindheit fester Bestandteil meiner „Lingerie“ sind. Da müssen Männer mit umgehen können. Oder eben weggucken.
Und dann noch diese fiesen Assoziationen im Kopf: Sylvie van der Vaart als Kampagnenmodel – urgh. Dieser Laden in Düsseldorfs Altstadt, den ich schon während meiner Studentenzeit wegen der rosa Schaufenster-Strapse mied. Naja, egal. Vorurteile beiseite schieben und hin da.
In Rotterdam angekommen wartete schon die persönliche Busen-Beraterin. Meine hieß Deborah und war die Reinkarnation der Höflichkeit gepaart mit ein bisschen kessem Witz. Muss man wohl auch besitzen, wenn man erwachsenen Menschen das Phänomen „Busenhalter“ noch einmal von vorn erklären muss. Was ich lernte: Es gibt, grob betrachtet, ungefähr 28 Busenformen. Aus diesen ermittelten Daten (1200 Frauen standen „Modell“), entwarf man schließlich vier BH-Formen.
Und hier wären wir auch schon angekommen bei Thema „zu doof, die Brust angemessen zu betten“. Ich dachte tatsächlich, es handle sich dabei um eine rein kosmetische Angelegenheit. Ob ich eben will, dass alles oben heraus quillt, sich in der Mitte zu einem Ritz zusammenlegt, oder eben nicht. Pustekuchen. Es gibt für jeden Topf das passende Deckelchen – so ist das auch bei Möpsen.
Und während ich mich noch gegen Spitze und seltsame Schalen-Formen sträubte, schleppte Deborah schon den halben Laden in meine Umkleidekabine. Sie hatte mich ausgemessen, kurz auf meinen Busen (aber eingepackt) geschaut und fasste es wie folgt zusammen: Immerhin liegst du hinsichtlich der Größe richtig. Aber die Form, die du da trägst, ist absoluter Mist! Ehm. Da hatte ich mich schon das einzige Modell ohne Nike-Swoosh geschält, das bei mir daheim zu finden war und dann hat diese Dame auch noch was zu meckern. Ich rollte mit den Augen. Und erschrak zu Tode, als man mir an knallrotes Modell der Marke „sexy“ reichte. Einatmen. Ausatmen. Anprobieren. Dann die Erleuchtung.
Ich kann meine Erfahrung, die auf das obige Szenario folgte, nur folgender Maßen beschreiben: Hola die Waldfee. „Balcony“ it is. So nennt sich wohl die Form, die an meinen Oberkörper passt. Und so sah das Ganze auch aus. Ich blieb trotzdem skeptisch, denn ich sah mich noch nicht mit mega Hupen durch die Welt stolzieren. Halbnackt sah es aber genau so aus. In diesem Moment wusste ich, weshalb Sport-BHs mir immer die liebsten waren. „Nee, keine Sorge, zieh mal dein T-Shirt an!“. Ok. Huch. Da waren die Hupen auch schon wieder weg, oder eher: Sie sahen normal aus. Genau wie mit Sport-BH, bloß wurden sie ausnahmsweise nicht zu platten Pfannkuchen zusammen gequetscht. Die Erklärung: „Na, das Volumen, das da ist, das ist eben da. Du kannst dir die Brüste ja nicht an den Rücken schnallen.“ Klang logisch und das tut es auch heute, drei Tage später, noch.
Fazit: Seit Freitag überlege ich, den Eulen, Wolken und Nike-Swoosh-Schlabbermodellen „Lebe Wohl“ zu sagen. Also nicht komplett, aber manchmal. Ich kann mir nun die Schnürsenkel binden, ohne danach das Dekoltee neu sortieren zu müssen (flupp, flupp – ihr wisst, was ich meine). Ich kann mich ausziehen, in den Spiegel schauen und mir selbst zuzwinkern, statt in Lachen auszubrechen. Was ich sagen will: Schönheit kommt von Innen, das ist klar. Aber im gleichen Zug tut es eben auch gut, nicht nur oberflächlich gut gekleidet zu sein, sondern auch unten drunter. Für den Samantha Jones-Effekt.
Danke für die Einladung, ich hab‘ wirklich was gelernt, was ich nicht gedacht hätte, lernen zu können.
Mit dabei waren außerdem: Schlotti von Metropolitan Circus, Sarah von Josie Loves und Angelica von ModeJunkie und Laura von The Limits of Control.