Über die Kampagnenbilder der kommenden Frühjahrskollektion von Prada zu stolpern, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man in Schwärmereien verfällt. Auf Farbexplosionen wie Miuccia sie immer wieder kreiert, müssen auch keine romantischen Gefühlsexplosionen folgen und mit großflächigen Face-Prints kann man gewiss nicht jeden locken. Wenn mich aber jemand fragt, weshalb ich mich dazu entschieden habe, den Rest meines beruflichen Lebens mit Mode zu verbringen, dann antworte ich nicht „Weil sie so schön ist“. Mode, die nur schön ist, mag leicht zu konsumieren sein, angenehm und unbeschwert. Interessant wird es jedoch dann, wenn Mode von Gefühlen lebt, von Popkultur, Politik und gesellschaftlichen Entwicklungen. Miuccia Prada schafft es, all das miteinander zu verbinden – die studierte Poitikwissenschaftlerin übernahm Ende der 70er Jahre mit 28 Jahren das Familienunternehmen und setzt seither Statements, die über den Tellerrand der hübschen Oberflächlichkeiten hinaus schießen.
Diesmal dreht sich alles um Street Art und Aktivismus, um weibliche Stärke, Vielfältigkeit und Feminismus. Der Soundtrack zur Show: „Work Bitch“ von Britney Spears und M.I.A.s „Bring the noize“.
Miuccia Prada will, dass wir in ihrer Mode das erkennen, was zuletzt die Riot Grrrl Bewegung der 90er Jahre ausmachte, dass die Trägerinnen ihrer Kleidung gesehen statt übersehen werden, sie interpretiert die neue Debatte über die Stellung der Frau mit leuchtenden Farben und großflächigen Drucken aussagekräftiger Gesichter, teilweise mit funkelnden Steinen verziert, und schickt die Models als Girl Gang über den Laufsteg, die Sportsocken bis zu den Knien gezogen.
“I saw them as strong, visible fighters. We need to be fighters in general. There is this debate about women again, and I want to interpret it. My instrument is fashion. I use my instrument to be bold. I had this idea that if you wear clothes so exaggerated and out there, people will look, and then they will listen. I want to be nasty. (Vogue.com)”
Support bekam Miuccia von internationalen Street Artists wie Diego Luna, Jeanne Detallante oder
Pierre Mornet und zwei Illustratoren, die in den Prada-Prints ihre eigene politische Street Art und die des Mexikaners Diego Rivera, der diesmal als Miuccias Muse gilt, spiegeln. Auch die Kulisse reiht sich dank gigantischer Wandmalereien selbiger in das künstlerische Gesamtkonzept ein, Fashion Show und Location fusionieren zur allumfassenden Installation.
Warum ich erst jetzt, pünktlich zur Veröffentlichung von Steven Meisels Kampagnenbildern, davon erzähle ist leicht zu erklären: Ich war schlicht und ergreifend blind und wohl auch ein klein wenig modemüde, als die eigentliche Schau in Mailand gefeiert wurde. Zu viel Farbe, zu viel Pengpeng. Offensichtlich sollten wir häufiger zwei Mal hin schauen und vor allem: Bloß niemals vergessen, dass es oftmals das große Ganze ist, was Kleidung zum Kulturgut macht. Ohne Gehirn sehen die Augen eben nur halb so gut. Erwischt.